Leprapatienten sitzen in einem Gang des Curupaiti-Krankenhauses.
Lepra gilt als Krankheit der Armen: Die Bakterieninfektion ist bis heute in vielen Ländern des globalen Südens verbreitet. Bildrechte: picture alliance/dpa | Fabio Teixeira

Wissen-News Krankheit Lepra: Waren im Mittelalter Eichhörnchen die Überträger?

07. Mai 2024, 11:03 Uhr

Hautflecken, verstümmelte Hände und dicke Knoten im Gesicht. Lepra ist bis heute nicht ausgerottet, obwohl es zu den ältesten bekannten Krankheiten zählt. Noch immer ist nicht klar, wie die Krankheit genau übertragen wird. Noch immer leiden viele Menschen an dem Stigma der Infektion, die auch als Krankheit der Armen bezeichnet wird. Forscherinnen haben jetzt neue Hinweise auf Eichhörnchen.

Forschende der Universität Basel und der Universität Zürich konnten nachweisen, dass britische Eichhörnchen bereits im Mittelalter Lepra-Erreger in sich trugen. Und nicht nur das: Ihre Ergebnisse zeigen, dass es eine Verbindung gibt zwischen den Lepra-Erregern in den mittelalterlichen Nagetieren und jenen in der mittelalterlichen britischen Bevölkerung. Das ist das Ergebnis der Studie einer internationalen Forschungsgruppe um die Paläogenetikerin Verena Schünemann. Die Forschenden stellten zudem fest, dass die Leprabakterien der mittelalterlichen Eichhörnchen sehr nah verwandt waren mit Leprabakterien, welche aus mittelalterlichen menschlichen Skeletten aus derselben Region isoliert wurden. Die Ergebnisse erschienen im Journal "Current Biology".

Aussätzige: Erkrankte werden seit Jahrhunderten ausgegrenzt

Das hauptsächlich dafür verantwortliche Bakterium, Mycobacterium leprae, welches bis heute insbesondere im Globalen Süden jährlich rund 200'000 Menschen befällt, hat auch in Europa eine lange Geschichte. Bereits im Altertum in Indien und Ägypten bekannt, werden im Mittelalter auch Fälle in Europa bekannt. Betroffene wurden Jahrhunderte ausgegrenzt, noch heute führt die laut WHO vernachlässigte Tropenkrankheit bei vielen Menschen in den armen Ländern zur sozialen Isolation.

Lepra Übertragung: Vom Eichhörnchen auf den Menschen oder umgekehrt?

"Diese Ähnlichkeit zeigt uns, dass es wahrscheinlich einen Austausch der Bakterien zwischen Tier und Mensch zu dieser Zeit gab", sagt Verena Schünemann. Sie betont allerdings, dass nach dem heutigen Kenntnisstand nicht klar sei, auf welchem Weg dieser Austausch stattgefunden hat. "Wir wissen nicht, ob die Eichhörnchen die Menschen ansteckten oder ob Menschen die Erkrankung zu den Tieren brachten."

Diese Ähnlichkeit zeigt uns, dass es wahrscheinlich einen Austausch der Bakterien zwischen Tier und Mensch zu dieser Zeit gab. Wir wissen aber nicht, ob die Eichhörnchen die Menschen ansteckten oder ob Menschen die Erkrankung zu den Tieren brachten.

Dr. Verena Schünemann Paläogenetikerin Uni Basel

Aus dem Fell von Eichhörnchen: Pelzhandel im Mittelalter

Berührungspunkte gab es im Mittelalter jedenfalls einige: Einerseits durch den Pelzhandel, der insbesondere durch die Königshäuser florierte. So wurden im 11. und 12. Jahrhundert unter anderem Mäntel aus dem Fell der Nagetiere hergestellt. Andererseits gab es auch Eichhörnchen als Haustiere. So wissen die Forschenden unter anderem von Nonnenklöstern, in denen die Tiere gehalten wurden.

Eine Dame spielt mit einem Eichhörnchen, das ein Halsband trägt. Ausschnitt aus dem Luttrell-Psalter aus dem frühen 14. Jahrhundert.
Im Mittelalter waren Eichhörnchen beliebte Haustiere. Dazu gibt es verschiedene Zeichnungen (siehe unten) und auch Gemälde wie zum Beispiel von Hans Holbein. Bildrechte: British Library Board Ms Add. MS 42130 f. 33r

Für ihre Untersuchung konzentrierten sich die Forschenden auf die Stadt Winchester im Süden Englands. Dort gibt es dank archäologischer Fundstätten genügend Material für die Genanalysen: Die menschlichen Überreste stammen aus einem Leprosarium, einer Pflegeeinrichtung speziell für Leprakranke. Die mittelalterlichen Eichhörnchen konnten sie dank Hand- und Fußknochen untersuchen, die an einer früheren Kürschnerwerkstatt gefunden wurden. "Wir haben die Genanalysen an den winzigen Hand- und Fußknochen der Eichhörnchen durchgeführt, die zwischen 20 und 30 Milligramm schwer sind. Viel Material gibt es da nicht", erklärt Christian Urban, Erstautor der Studie.

Eichhörnchen auf einem Zweig 4 min
Eichhörnchen auf einem Zweig Bildrechte: MDR

Bis heute nicht geklärt, wie sich Lepra verbreitet

Für die Forschenden sind die Ergebnisse besonders wichtig im Hinblick auf die künftige Bekämpfung von Lepra. Denn bis heute ist nicht vollends geklärt, wie sich die Krankheit verbreitet. "Mit unserem One Health-Ansatz, versuchen wir mehr über die Rolle der Tiere bei der Ausbreitung der Krankheit in der Vergangenheit herauszufinden", sagt Schünemann. Bislang würden Tiere als Wirte von Lepra noch immer sehr wenig Beachtung finden, obwohl Lepra bis heute nicht ausgerottet werden konnte. "Indem wir alte tierische und menschliche Stämme direkt vergleichen, können wir potenzielle Übertragungsereignisse im Laufe der Zeit rekonstruieren und damit Rückschlüsse auf das langfristige zoonotische Potential der Krankheit ziehen."

Studie im Original

Ancient Mycobacterium leprae genome reveals medieval English red squirrels as animal leprosy host
Current Biology (2024) doi: 10.1016/j.cub.2024.04.006

(tomi)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 28. Februar 2023 | 12:52 Uhr

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