Eine Live-Schalte des WDR umringt von Demonstranten und Polizisten auf der DGB-Veranstaltung am Tag der Arbeit 2022 auf dem Johannes Rau Platz.
Neutral über das Geschehen berichten: Das ist eine wesentliche Erwartung an die Arbeit von Journalisten, wie die MDRfragt-Erhebung zeigt. Bildrechte: IMAGO/Panama Pictures

MDRfragt So sollen Journalisten berichten, finden Nutzer

03. Mai 2024, 03:00 Uhr

So genau wie möglich wiedergeben, was passiert ist, und dabei komplett neutral bleiben: Das ist einer sehr großen Mehrheit am wichtigsten bei der Arbeit von Journalisten. Das zeigt eine Befragung unter mehr als 14.000 MDRfragt-Teilnehmern. Laut der Umfrage haben die Nutzer andere Erwartungen, die häufig Artikel und Beiträge liken oder kommentieren.

Aus Sicht von Martin (38) aus Leipzig ist die Aufgabe von Journalisten "allgemein Dinge darzustellen, wie sie sind. Es sollte eine Faktendarstellung sein". Für Cornelia (50) aus Mittelsachsen ist wichtig, dass "ich nicht das Gefühl bekomme, dass mir eine Sichtweise aufgedrückt wird oder dass Berichterstattungen parteiisch sind". Für Oliver (42) aus dem Saalekreis sind "Quellenangaben das A und O eines vertrauenswürdigen Artikels" und Dörte (77) aus Jena wünscht sich "mehr kritische Beiträge, die auch heiße Themen ansprechen und nicht das bereits von anderen Quellen Vorgegebene nachplappern". Die vier Kommentare stehen stellvertretend für das, was eine sehr große Mehrheit von MDRfragt-Teilnehmenden von der Arbeit von Journalistinnen und Journalisten erwartet.

Erwartungen an Journalisten
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Auch Mediennutzer wollen gehört werden

Medien sollten den Lesern und Zuschauern die Möglichkeit geben, "ihre Ansicht zu artikulieren", beispielsweise in Kommentaren oder auch in Dialogformaten. Das halten acht von zehn Befragten (77 Prozent) für wichtig. Aus Sicht einer großen Mehrheit (68 Prozent) sollten Medien "die Arbeit der Regierung kontrollieren". Medien werden auch oft als "Vierte Gewalt" in der Demokratie bezeichnet, die Öffentlichkeit herstellt und damit auch auf Fehlverhalten in der Politik, an den Gerichten oder in der Verwaltung hinweist. Im Vergleich weniger wichtig dagegen ist den Befragten, dass Journalisten...

  • für Unterhaltung und Entspannung sorgen (32 Prozent).
  • für sozialen Wandel eintreten (38 Prozent).
  • Inhalte anbieten, die ein möglichst großes Publikum anziehen (40 Prozent).
  • Rat, Orientierung und Hilfestellung für den Alltag bieten (44 Prozent).
  • Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, wenn über Probleme berichtet wird (52 Prozent).

Das zeigt jetzt die Auswertung einer Befragung von MDRfragt mit 14.250 Teilnehmern, die im letzten Jahr anlässlich des Tages der Pressefreiheit durchgeführt wurde und deren anonymisierte Ergebnisse ausführlich im Rahmen einer Masterarbeit an der Universität Leipzig ausgewertet wurden. Die Fragen bezogen sich dabei nicht auf den MDR allein, sondern allgemein auf alle Medien wie Zeitungen, private und öffentlich-rechtliche Fernsehsender, Radiostationen und Online-Angebote.

Diskussion um schwindendes Vertrauen in Medien wird kommentiert

Die Befragung hat Erwartungen an Journalisten in einer Zeit abgefragt, in der teils heftig über die Vertrauenswürdigkeit von Medien diskutiert wird. Diese Diskussion wird auch in einigen Kommentaren aufgegriffen. Detlef (73) aus dem Altmarkkreis findet, Journalisten sollten sich öfter selbst fragen: "Warum gibt es einen Vertrauensverlust, warum gehen Verkaufszahlen der Printmedien zurück, warum steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk so in der Kritik? Warum werden Minderheiten übermäßig präsentiert? Warum wird Mehrheitsmeinung nicht stärker öffentlich gemacht? Warum werden Berichterstattungen, die ins Bild passen, hauptsächlich mitgeteilt?" Und Petra (63) aus dem Erzgebirgskreis ist nach eigener Aussage "sehr enttäuscht über die Arbeit der Journalisten in den letzten Jahren, denn es hat alles so einen Touch von 'Linientreue'".

Collage: v.l.n.r. Jochen Bittner, Georg Restle, Christian P. Hoffmann, Anja Reschke, Armin Wolf 30 min
Im Videobeitrag erklären Jochen Bittner, Georg Restle, Christian P. Hoffmann, Anja Reschke und Armin Wolf (v.l.n.r.), was sie über den Vorwurf "Haltungsjournalismus" denken und ob es möglich ist, Objektivität im Journalismus zu gewährleisten. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Fotos: WDR Klaus Görgen, NDR Thomas Pritschet, Universität Leipzig Tobias Tanzyma, Christian Wind

Wer viel liked und kommentiert, hat andere Erwartungen an Journalisten

Die Digitalisierung und die Verbreitung der sozialen Netzwerke haben nicht nur die Kommunikation zwischen den Menschen verändert. Auch die Beziehung zwischen Journalisten und den Zuschauern, Hörern oder auch Lesern hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Nutzer können in einen viel direkteren Kontakt mit denen treten, die Artikel und Beiträge recherchieren und schreiben. Damit ist auch konkretes und schnelles Feedback möglich. Gleichzeitig können Mediennutzer selbständig Informationen online weitergeben und Beiträge teilen, die sie selbst gut finden oder die ihre Sicht widerspiegeln. "Ich freue mich, wenn seitens der öffentlich-rechtlichen Sender aktiv der Kontakt zu den potenziellen Zuhörern bzw. Zuschauern gesucht wird. Das finde ich gut und lobenswert", schreibt Andreas (66) aus Erzgebirgskreis. Heide (49) aus dem Vogtlandkreis kritisiert: "Ich finde Kommentare gelegentlich primitiv und niveaulos. Es stört mich sehr, dass jeder der Meinung ist, Dinge kommentieren zu müssen, häufig unter der Gürtellinie. Das Internet bzw. die Messengerdienste als 'rechtloser' und anonymer Raum für manche." Jens (53) aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge kritisiert, auf die Arbeit von Journalisten könne fast nur in sozialen Medien reagiert werden: "Damit wurde eine sehr große Gruppe der Bevölkerung von dieser Möglichkeit ausgeschlossen."

Reaktion auf Beiträge und Artikel
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Die Auswertung der Befragung zeigt auch: Mediennutzer, die sehr häufig Artikel liken, kommentieren oder auch verschicken, haben im Vergleich etwas andere Erwartungen an Journalisten. Ihnen ist beispielsweise wichtiger, dass in den Medien „die Regierung kontrolliert“ und „Kritik an Missständen geübt wird“. Auch Aufgaben wie die Transparenz in den Artikeln, etwa durch die Angabe von Quellen oder einen Dialog zwischen Journalisten und Publikum, sind diesen Nutzern im Vergleich etwas wichtiger.


Über diese Befragung In der Befragung vom 11. bis 26. Mai 2023 ging es um die Erwartungen an Journalistinnen und Journalisten.

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.

Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 14.250 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein durchaus belastbares Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.

MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 03. Mai 2024 | 19:30 Uhr