Rabbiner Alexander Nachama 3 min
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Wir sind jederzeit aufgerufen, über uns selbst nachzudenken, unsere Sünden zu bekennen und uns zu versöhnen. Das meint Rabbiner Alexander Nachama in seiner Auslegung des Wochenabschnitts "Achare Mot".

MDR KULTUR - Das Radio Fr 03.05.2024 08:14Uhr 02:41 min

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Schabbat Schalom | MDR Kultur | 03.05.2024 Rabbiner Alexander Nachama über die Frage, wann es an der Zeit für Versöhnung ist

03. Mai 2024, 12:00 Uhr

Wir sind jederzeit aufgerufen, über uns selbst nachzudenken, unsere Sünden zu bekennen und uns zu versöhnen. Das meint Rabbiner Alexander Nachama in seiner Auslegung des Wochenabschnitts "Achare Mot". Darin geht es um das Ritual, der der Hohepriester an Jom Kippur, dem Versöhnungstag, im Tempel zu vollziehen hatte. Der Hohepriester war der oberste Priester. Das Priesteramt, so Rabbiner Nachama, konnte man nur durch Geburt erwerben.

Im Wochenabschnitt Achare Mot geht es um das Ritual, das der Hohepriester an Jom Kippur, dem Versöhnungstag, im Tempel zu vollziehen hatte. Allgemein war es so, dass man Priester nur durch Geburt werden konnte. Einfach erklärt: War der Vater Priester, so war es auch der Sohn.

Beim Hohepriester war es etwas komplizierter: Dieser konnte sein besonderes Amt nicht auf seine Söhne vererben. Vielmehr wurde der Hohepriester häufig vom jeweiligen König eingesetzt.

Neben seinen Aufgaben im Tempel hatte der Hohepriester auch politischen Einfluss. So besaß er beispielsweise ein Vetorecht, wenn es um die Frage ging, ob die Israeliten in den Krieg ziehen dürfen oder nicht.

Durch das Ritual des Hohepriesters an Jom Kippur wurden dem Volk sämtliche Sünden verziehen. Die Sünden lassen sich in drei Kategorien einteilen:

1. Die Sünden, die unbeabsichtigt begangen worden sind. Etwa ein Gebot, das unbeabsichtigt übertreten worden ist. Man geht in einem koscheren Restaurant essen, aber hinterher stellt sich heraus, dass eine Zutat doch nicht koscher war. Dafür trägt man keine Verantwortung, aber trotzdem hat man ein Gebot übertreten. So eine Sünde verzeiht Gott dem Menschen am Versöhnungstag.

2. Sünden, die man bewusst begangen hat, aber ohne es zu wollen: Unfreiwillig.

Wenn man beispielsweise einen Arbeitgeber hat, der wenig Verständnis für die jüdische Religion zeigt und einen dazu verpflichtet, an einem jüdischen Feiertag, der auf einen Wochentag fällt, zu arbeiten. Hier handelt es sich um eine Übertretung, die man zwar bewusst, aber dennoch unfreiwillig begeht. Dies wird einem ebenfalls an Jom Kippur vergeben.

3. Sünden, die man gezielt und bewusst begangen hat. Man isst nicht koscher, man arbeitet am Schabbat, man lügt andere Menschen an, bestiehlt sie: Die Liste der Vergehen kann lang sein. Auch diese Sünden werden von Gott an Jom Kippur vergeben. Sofern die Sünden andere Menschen betreffen, muss man sich zuvor allerdings bei diesen entschuldigt haben.

Die Grundlage dafür, dass Gott dem Menschen jegliche Sünden verzeiht, ist jedoch, dass man sie aufrichtig bereut und sich vornimmt, diese nie wieder zu begehen.

Auch wenn es noch etwa ein halbes Jahr bis zum Versöhnungstag dauert, so ist es bestimmt kein Zufall, dass dieser Abschnitt nun in der wöchentlichen Lesung vorkommt. Zu reflektieren, Sünden zu bekennen und sich zu versöhnen: Das ist nicht etwas, das wir nur an Jom Kippur tun sollen, sondern das ganze Jahr über tun dürfen.

In diesem Sinne wünsche ich allen Hörerinnen und Hörern Schabbat Schalom!

Zur Person: Alexander Nachama Geboren 1983 in Frankfurt am Main. 2005 erhielt er von Rabbiner Zalman Schachter-Shalomi, dem Gründer der Rabbiner- und Kantorenschule "Aleph", eine Urkunde als Kantor. 2008 erhielt er einen Bachelor in Judaistik (Freie Universität Berlin), 2013 einen Master (Universität Potsdam).

Ab 2007 absolvierte er eine Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg mit Studienaufenthalten in Israel, die er 2013 mit der Ordination zum Rabbiner abschloss. 1998 - 2011 amtierte Alexander Nachama zunächst als ehrenamtlicher Vorbeter, später als Kantor in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

In den Jahren 2012 - 2018 war er Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, bis August 2023 Landesrabbiner der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen. Inzwischen ist Alexander Nachama der zuständige Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 03. Mai 2024 | 15:45 Uhr