Kurzporträts Die Ansagerinnen in den 50er- und 60er-Jahren
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12. Juni 2020, 14:42 Uhr
Die Ansagerinnen der ersten Stunde des Deutschen Fernsehfunks waren meistens Schauspielerinnen. Viele von ihnen, wie beispielsweise Margot Ebert, durften auch eigene Sendungen moderieren. Eine Auswahl.
Margit Schaumäker
"Hier ist das Versuchsprogramm des Fernsehzentrums Berlin." Mit diesen Worten begrüßte Margit Schaumäker am 1. Oktober 1952 die wenigen Zuschauer zum Sendestart des DFF an den Bildschirmen. Als sie das erste Mal eine Fernsehsendung ansagen musste, hatte sie neben dem Lampenfieber noch mit einer weiteren Schwierigkeit zu kämpfen: Im Studio herrschte eine enorme Hitze von bis zu 40 bis 60 Grad - wegen der vielen Lampen und elektrischen Apparate. "Außerdem musste ich bei der Ansage stehen", erinnert sich Margit Schaumäker, "unser Intendant hielt eine Ansage im Sitzen für unhöflich."
Die damals siebenundzwanzigjährige Margit Schaumäker hatte eigentlich ein Engagement am Dresdner Staatsschauspiel in der Tasche, doch sie war "frisch verliebt und verheiratet" und ihr Mann wollte Berlin nicht verlassen. "Darum", so erinnert sich Margit Schaumäker, "war ich froh, als das Angebot vom Fernsehen kam." Und lukrativ war die Arbeit in jedem Falle: Für zehn Ansagen erhielt man rund 1.500 Mark. Weil ihr die Ansagen mit der Zeit zu kurz wurden, hörte sie 1964 auf und arbeitete fortan als Kultur-Redakteurin. Margit Schaumäker starb 2012 im Alter von 87 Jahren in Berlin.
Erika Radtke
Die 1937 in Berlin geborene Schauspielerin Erika Radtke, die in mehreren DEFA-Filmen tragende Rollen spielte, gehörte zu den Ansagerinnen der ersten Stunde: Seit 1956 führte sie die Zuschauer durchs Abendprogramm und stieg Anfang der sechziger Jahre sogar zur "Chefansagerin" auf. Später moderierte Erika Radtke, deren ältere Schwester Annemarie Brodhagen ebenfalls Ansagerin beim DFF war, auch Sendungen wie "Die goldene Note", die "Parade des Soldatenliedes" oder den "Nationalen Schlagerwettbewerb" und wurde einige Male zum "Fernsehliebling" gewählt. Das Ende des DFF war gleichzeitig auch das Ende der Ansagerinnen-Karriere von Erika Radtke: Sie zog sich vom Bildschirm ins Privatleben zurück.
Margot Ebert
Margot Ebert ist vor allem als Schauspielerin und Entertainerin in Erinnerung. Ihre Karriere hatte die ausgebildete Tänzerin allerdings 1952 als eine der ersten Ansagerinnen des gerade eben begründeten DDR-Fernsehens begonnen. Geradezu legendären Ruf hatte die 1956 aus der Taufe gehobene Sendung "Zwischen Frühstück und Gänsebraten", die Margot Ebert gemeinsam mit Heinz Quermann 35 Jahre lang jeweils am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages moderierte. Margot Ebert, um die es nach dem Ende der DDR still geworden war, starb 2009.
Renate Hubig
Unter mehr als 3.000 Bewerberinnen wurde die damals 18-jährige Renate Hubig (gemeinsam mit Maria Moese) 1963 für eine Ausbildung zur Programmsprecherin ausgewählt. Zwei Jahre später sprach sie ihre erste Ansage im DDR-Fernsehen. "Ich war die kleine Nette von nebenan, so hatte man mich haben wollen", erinnert sie sich heute. Im Frühjahr 1973 verliebte sich Renate Hubig in einen Mann aus West-Berlin. Zwei Wochen später verließ sie im Kofferraum seines Autos die DDR – gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter. Ihre Fernsehkarriere war damit aber beendet – wegen der "Entspannungspolitik" wollte sie der SFB-Intendant nicht auf dem Bildschirm haben. Renate Hubig arbeitete stattdessen bis 1995 als Radiomoderatorin.
Doris Weikow
Bevor die 1941 geborene Doris Weikow 1965 das "Ansagekollektiv" des DFF verstärkte, hatte sie sich bereits als Schauspielerin einen Namen gemacht – vor allem als Schneewittchen im gleichnamigen DEFA-Märchenfilm von 1960. Die Schauspielerei ließ sie fortan sein und widmete sich ausschließlich ihrer Arbeit als Ansagerin. Zum letzten Mal stand Doris Weikow, die in den sechziger Jahren mit Erwin Geschonneck verheiratet war, 1991 vor der Kamera in Berlin-Adlershof. Sie lebt seither zurückgezogen in einem Dorf nahe Berlin.
Käthe Zilles
Käthe Zilles gehörte seit Mitte der fünfziger Jahre zu den Programmsprecherinnen des DDR-Fernsehens. Am 21. November 1959 durfte sie eine neue Sendung für den kommenden Tag ankündigen – das "Sandmännchen", das in den folgenden Jahrzehnten Generationen von Kindern Abend für Abend Schlafsand in die Augen pusten sollte: "Um 18.55 Uhr kommt unser Sandmännchen und wird den kleinen Zuschauern Gute Nacht sagen", kündigte Käthe Zilles an. Diese Moderation ist im "Deutschen Rundfunk Archiv" aber leider nicht erhalten.
Gerlind Ahnert
Fürs Fernsehen entdeckt wurde Gerlind Ahnert, die während ihres Schauspielstudiums als Radiomoderatorin jobbte, vom Intendanten des DFF Heinz Adamek. 1958 sprach die damals 24jährige gebürtige Chemnitzerin ihre erste Ansage. Der Beruf als Programmansagerin bescherte Gerlind Ahnert einige Annehmlichkeiten: So durfte sie 1963 eine DDR-Regierungsdelegation nach Ägypten begleiten und zwei Jahre später – auf ausdrücklichen Wunsch Fidel Castros – für einige Monate nach Kuba reisen, um im kubanischen Fernsehen die Programmansage zu etablieren. Die ersten Ansagen sprach sie sogar selbst und gilt daher als die erste Programmsprecherin auf Kuba. 1983 musste Gerlind Ahnert, die seit 1959 auch als Schauspielerin in DEFA- und Fernsehfilmen auftrat, krankheitsbedingt ihren Beruf aufgeben. 1985 verließ sie die DDR und ließ sich in Hamburg nieder, wo sie als Synchronsprecherin und Radiomoderatorin arbeitete. Gerlind Ahnert starb 2007 im Alter von 73 Jahren.
Fanny Damaschke
Fanny Damaschke gilt als die Programmansagerin des DDR-Fernsehens, die am längsten dabei war und auf die häufigsten Einsätze verweisen kann. Anfang der sechziger Jahre hatte die gebürtige Mecklenburgerin mit der markanten tiefen Stimme im Ostseestudio Rostock vorgesprochen und schon kurz darauf ihre Karriere im Sendezentrum in Berlin-Adlershof begonnen, die erst 30 Jahre später, mit der Abschaltung des DFF, zu Ende gehen sollte. Fanny Damaschke moderierte aber auch Ratgeber- und Unterhaltungssendungen und sang zum Sendeschluss hin und wieder auch mal ein Lied zur Gitarre …
Annemarie Brodhagen
Die 1934 in Berlin geborene Annemarie Brodhagen kam 1961 zum DFF. Sie führte die Zuschauer aber nicht nur zurückhaltend und unaufdringlich durch das Abendprogramm, sondern trat auch beim "Sandmännchen", in "Annemarie und Brummelchen", auf und moderierte über Jahrzehnte eine der erfolgreichsten Sendungen des DDR-Fernsehens - den "Tierparkteletreff" mit dem Berliner Zoodirektor Professor Dr. Dr. Heinrich Dathe. In den 1960er Jahren versuchte sie sich zudem als Schauspielerin in einigen Fernsehfilmen. 2008 stand sie in einer Folge der MDR-Serie "In aller Freundschaft" vor der Kamera.
Monika Unferferth
Noch während ihrer Lehre zur Bauzeichnerin bewarb sie die 1942 in Bochum geborene und in Leipzig aufgewachsene Monika Unferferth beim DDR-Fernsehen als Programmsprecherin. Sie bestand die Aufnahmeprüfung und wurde angestellt. Angepasst, sagt sie, habe sie sich dennoch nie. 1976 legten die Verantwortlichen des DDR-Fernsehens ihr allen Ernstes nahe, sich von ihrem Lebensgefährten, dem DEFA-Regisseur Frank Beyer, der gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns protestiert hatte, zu trennen. "Was hat mein Privatleben mit meiner Arbeit zu tun?", argumentierte die Ansagerin erfolglos – sie wurde für kurze Zeit vom Bildschirm verbannt. Acht Jahre später gelang es ihr nach langem Hin und Her, im DFF eine Modesendung etablieren, die "Modekiste": "Wir zeigten tolle Sachen, die es aber nirgendwo zu kaufen gab."
Nach dem Ende des DFF arbeitete Monika Unferferth beim ORB und als freie Regisseurin.
Edda Schönherz
Nach einer dreijährigen Ausbildung an der Fernsehakademie in Berlin-Adlershof begann Edda Schönherz ihre Fernsehkarriere am 4. Oktober 1969 mit der Ansage zum Start des Farbfernsehens. Obwohl sie keiner Partei angehörte und dem SED-Staat kritisch gegenüberstand, durfte sie neben den Programmansagen bald auch Sendungen moderieren und Interviews führen.
Während eines Ungarn-Urlaubs im August 1974 erkundigte sich Edda Schönherz in der bundesdeutschen Botschaft in Budapest über die Möglichkeit einer Ausreise aus der DDR. Nach Berlin zurückgehrt, wurde sie von der Staatssicherheit zwecks "Klärung eines Sachverhalts" festgenommen und vier Monate später wegen "Vorbereitung zum illegalen Verlassen der DDR im besonders schweren Fall" zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, die sie bis zum letzten Tag im berüchtigten Frauengefängnis Hoheneck absitzen musste. Ihre beiden Kinder durfte sie in diesen Jahren nicht ein einziges Mal sehen. Nach der Haftentlassung stellte Edda Schönherz einen Ausreiseantrag, dem 1979 stattgegeben wurde. Sie zog nach München und arbeitete von 1980 an 20 Jahre als Ansagerin beim Bayerischen Rundfunk. Heute führt Edda Schönherz Besuchergruppen durch die Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.
Dieses Thema im Programm: MDR Zeitreise | 14. Juni 2020 | 22:25 Uhr