Fred Delmare: Der Allrounder von der "Lindenstraße" und "In aller Freundschaft"
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02. Dezember 2021, 11:20 Uhr
Der kleine große Mann Fred Delmare war einer der meistbeschäftigten, vielleicht sogar der meistbeschäftigte, Schauspieler der DDR. In fast sechs Jahrzehnten war er in über 200 Fernseh- und Filmproduktionen zu sehen. Für Generationen war er das prägende Filmgesicht der DDR. Mit seinen komischen und tragikomischen Rollen schaffte er es, sich in die Herzen des Publikums zu spielen.
Als Werner Vorndran wurde Delmare am 24. April 1924 im thüringischen Hüttensteinach bei Sonneberg geboren. Sein Vater war Schreiner, seine Mutter Näherin, er selbst erlernte nach seiner Volksschulzeit den Beruf des Werkzeugmachers. Schon in Hüttensteinach wirkte er in dieser Zeit als Jugendlicher bei Aufführungen einer Bauernbühne mit – als Kleinster der Sieben Zwerge im Märchen der Gebrüder Grimm. Als Kriegsfreiwilliger ging er 1940 zur Marine nach Bremerhaven. Und auch dort zog es den Sechzehnjährigen auf die Bretter, die die Welt bedeuten.
Fred Delmare: In Anlehnung zur Liebe zum Meer
Am Bremerhavener Stadttheater nahm er 1940/41 seinen ersten Schauspielunterricht und ergriff die Möglichkeit, als Statist in einer Operetteninszenierung auf der Bühne zu stehen. Seine Leidenschaft für das Theater war geweckt. Er legte sich den Künstlernamen Fred Delmare zu, in Anlehnung an seine dortige Liebe zum Meer. Doch zunächst erlitt er im Kriegsdienst 1943 eine schwere Bauchverletzung, wegen der er bis Kriegsende behandelt werden musste, und deren große Narben sein Leben lang sichtbar blieben.
Vorstellung am Schauspielhaus Leipzig
Nach Kriegsende ging Delmare 1946 nach Weimar an das Nationaltheater, wo er bei Walter Jupé Schauspielunterrricht erhielt. Von 1947 bis 1950 verfeinerte er seine Schauspielkunst als externer Schüler der Schauspielschule des Hebbel-Theaters West-Berlin. Sein Debüt gab er dort 1947 als Vansen in "Egmont". 1950 bewarb er sich dann am Leipziger Schauspielhaus. Für das Vorsprechen hatte sich der nur 1,60 Meter kleine junge Mann extra Schuhe mit hohen Absätzen anfertigen lassen. Er wurde von der Stelle weg engagiert und blieb im Leipziger Ensemble bis 1970.
Den Durchbruch auf der Leinwand schaffte Delmare 1956 in "Der Teufelskreis", einem Film über den Reichstagsbrandprozess. Er spielte in eindrücklicher Weise den Brandstifter Marinus van der Lubbe. Riesenerfolge bei Publikum und Kritikern feierte er auch mit den Romanverfilmungen "Nackt unter Wölfen" (1960) und "Jeder stirbt für sich allein" (1970). Diese beiden Streifen bezeichnete er selbst als seine wichtigsten und schönsten Filmarbeiten: ernste und intensive Charakterrollen, die unter die Haut gehen. Für den Pippig in Bruno Apitz' "Nackt unter Wölfen" wurde Delmare 1960 der Kunstpreis der DDR verliehen.
Ich habe immer Angst, nicht die erwartete Qualität bieten zu können.
Kleiner Mann, große Wirkung
Seine besondere Liebe galt aber auch, oder gerade, der Komödie. Die Figur des "kleinen Mannes von der Straße" war ihm auf den Leib geschnitten. Er verlieh seinen Rollen Pfiffigkeit und eine Portion Bauernschläue. Sein volkstümlicher Habitus, sein trockener Humor und sein komisches Talent machten ihn beim Publikum beliebt und bei den Regisseuren unverzichtbar. "Kein Film ohne Delmare" wurde zum geflügelten Wort. Natürlich gab seine fehlende Körpergröße auch die Rollen in gewissem Maße vor - ein Makel, den er seit seiner Jugend mit "doppeltem Fleiß, Einsatz und Disziplin" wettzumachen suchte und der ihn beruflich zum Perfektionisten werden ließ.
Neue Rollen in "Lindenstraße" und "Unser Charly"
Nach der Wende wurde es für die Schauspieler aus der DDR zunächst schwer, sich auf dem neuen und größer gewordenem Markt durchzusetzen. Delmare spielte in verschiedenen Fernsehproduktionen und –serien, wie in der "Lindenstraße" oder "Unser Charly". Aber genauso stand er weiterhin in Polizeiruf und Tatort vor der Kamera. Seine letzte große Filmrolle war 1995 73-jährig als der Busch in "Matulla und Busch" an der Seite von Erwin Geschonneck.
Noch 76-jährig stieg der Workaholic in die beliebte ARD-Krankenhausserie "In aller Freundschaft" ein. Sieben Jahre, bis Ende 2005, spielte er dort den Familienopa Friedrich – seine letzte Rolle. Er empfand das Drehteam der Ärzteserie als ein Stück Familie und beschrieb das Arbeiten als wunderschön. Eine Wärme sicherlich, die ihn stückweit die vielen privaten Schicksalsschläge vergessen ließ: Vier Ehen gingen bei Delmare auseinander, 1980 nahm sich seine Tochter Felicitas 25-jährig das Leben, 2000 wurde bei seiner fünften Ehefrau Renate Brustkrebs diagnostiziert, 2001 starb sein 41-jähriger Sohn Tino an Leberkrebs. So ist es kein Wunder, wenn das nüchterne Fazit an seinem 80. Geburtstag 2002 lautete:
Glücklich bin ich auf keinen Fall.
Nach dem rührenden Abschied aus der Serie "In aller Freundschaft" - mit roten Rosen und Hildegard Knefs "Für Dich soll’s rote Rosen regnen", die ihm seine Filmkollegen bereiteten, wurde es ruhig um den Volksschauspieler. Er verschwand zunehmend aus der Öffentlichkeit. Ende 2005 wurde bekannt, dass er an der Alzheimer-Krankheit leide. Ab Anfang 2006 lebte er zurückgezogen in einem Leipziger Pflegeheim. Am 1. Mai 2009 starb er im Alter von 87 Jahren und wurde unter Anteilnahme zahlreicher ehemaliger Kollegen auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV:
Hier ab vier | 27.05.2009 | 16:00 Uhr
Brisant | 06.10.2005 | 17:15 Uhr
Lebensläufe | 21.04.2002 | 22:15 Uhr