Minenräumer in Bosnien: Kampf gegen Sprengfallen und Behörden
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17. April 2018, 17:08 Uhr
Auch 22 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges ist Bosnien mit Landminen übersät. Doch die Räumung der gefährlichen Altlasten ist schwierig. Der größte Gegner der Minenräumer ist dabei die zuständige Behörde.
Der Knall ist das Letzte, an das ich mich erinnere. Ich wurde angehoben und quasi auf den Berg geschleudert. Dann war ich bewusstlos, mindestens zehn Minuten lang. Als ich zu mir gekommen bin, habe ich meinen Kollegen gesehen, auf dem Bauch liegend, die Hände abgerissen.
Sechs Jahre ist die Szene her, die der ehemalige Bahnarbeiter Drago Mišić beschreibt. Damals waren er und seine Kollegen beim Bäumeschneiden nahe der bosnischen Ortschaft Ševarlije auf eine Landmine aus dem Bosnienkrieg getreten. Zwei Kollegen verloren ihr Leben, Mišić und drei weitere wurden schwer verletzt.
Minen auf einer Fläche so groß wie Paris
94 Tonnen explosives Material und Landminen liegen heute noch in der Erde von Bosnien-Herzegowina. Verstreut auf einer Fläche, die zusammen so groß wie Paris ist. Damit ist das kleine Balkan-Land Europas trauriger Spitzenreiter. Eigentlich sollte Bosnien bis 2019 weitestgehend von Minen befreit sein. Doch das ist unrealistisch. Neues Ziel: minenfrei bis 2060.
Zwölf private Unternehmen haben sich auf die gefährliche Arbeit spezialisiert. Eine davon ist "Pro Vita" aus Mostar, der fünftgrößten Stadt des Landes. Chef Davor Kolenda und sein Team räumen seit 18 Jahren die Kriegsüberreste in der Region. Zumindest die, die bekannt sind:
Nach unserem Wissen sind nur ungefähr 60 Prozent aller Minenfelder bekannt, die anderen nicht. Von rund 3,5 Millionen Bosniern sind etwa eine halbe Million direkt von Minen bedroht: fast 15 Prozent der Bevölkerung.
Schmiergeld für eine Räumungslizens
4.600 vorbereitete Minenfelder warten auf ihre Räumung. Doch nichts passiert. Schuld daran sei die staatliche Behörde für die Landminen-Räumung BHMCA, erklärt Minenräumer Kolenda. Deren Direktor soll bei der Auftragsvergabe an Räumfirmen Schmiergelder angenommen haben.
Etwa fünf Prozent der Projektsumme mussten sie für eine Räumungslizenz als Schmiergeld zahlen. Vor etwa vier Jahren ließ Kolendas "Pro Vita" zusammen mit sieben weiteren Firmen das System auffliegen. Kolenda zeigte sich selbst an und bekam als Kronzeuge eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten. Geändert habe sich seitdem allerdings nichts, erinnert er sich.
Wegen der Korruption musste der Direktor der Minenbehörde zwar seinen Posten räumen, aber alle anderen - die auch korrupt sind - sind geblieben. Dort müssen professionelle Leute arbeiten. Denn wenn die Projekte nicht richtig organisiert sind, sterben Minensucher.
Vetternwirtschaft bis ins Parlament
Der Direktor selbst bekam zehn Monate Haft auf Bewährung. Inzwischen ist er in Rente. Für Minensucher Davor Kolenda steht fest, dass das größte Problem Vetternwirtschaft und Parteiklientelismus bei der BHMAC seien: "Tanten, Söhne, Liebhaber, Schwestern - fast 50 Prozent der Angestellten der BHMAC sind miteinander verbandelt", schätzt Kolenda.
Die BHMAC hat ihren Sitz in der Hauptstadt Sarajevo. Nach dem Korruptionsskandal war der Posten des Direktors vakant. Interimsdirektor Saša Obradović gab im Sommer 2017 freimütig zu, dass auch in der Behörde noch Menschen arbeiteten, die miteinander verwandt sind. Nur machen könne er dagegen nichts.
Ich als Manager habe darauf keinen Einfluss, dass solche Leute entlassen werden. Ich wünsche mir von allen, dass sie nach den gesetzlichen Vorschriften arbeiten, die im Staatsdienst vorgeschrieben sind.
Das zu kontrollieren, sei Aufgabe der zuständigen Kontrollausschüsse im Parlament. Doch die hätten seit neun Jahren nicht mehr getagt. Anscheinend habe jemand ein Interesse daran, dass Geber und Öffentlichkeit nicht erfahren, wie ihr Geld ausgegeben wird, erklärte der Interimsdirektor damals vielsagend.
Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: TV | 01.09.2017 | 17:45 Uhr