Geburtstag am 14. Dezember Tamara Danz – Erinnerungen an die Tina Turner des Ostens
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14. Dezember 2024, 04:00 Uhr
Sie war der größte Rockstar, den die DDR hervorgebracht hat und eine der außergewöhnlichsten Sängerinnen der deutschsprachigen Musik: Tamara Danz, Kopf und Herz der Band Silly. Eine widerspenstig-schillernde Ikone, die sich weder von Parteifunktionären im Osten noch von Plattenlabel-Managern im Westen vereinnahmen ließ – und vielleicht gerade deshalb bis heute so geliebt wird. Am 14. Dezember 1952 wurde Tamara Danz im thüringischen Winne geboren, 1996 starb sie im Alter von nur 43 Jahren. Bis heute ist sie unvergessen.
Es gab nicht viele Stars in der DDR, die in der Kaufhalle von Fans bestürmt wurden: Doch sie war der schillernde Paradiesvogel im sonst eher biederen DDR-Rock. Ihr früher Tod – mit 43 Jahren im Sommer 1996 – machte sie zur Legende.
Es gab weit und breit keine andere Rocksängerin, die ihr das Wasser reichen konnte – nicht mal ansatzweise. Sie war in der DDR konkurrenzlos.
Aufstieg zur Tina Turner des Ostens
Die "Tina Turner des Ostens" war eigentlich ein Mädchen aus Ost-Berlin. Schon als Kind gilt sie als aufmüpfig und eigensinnig. Sie wächst einige Jahre im Ausland auf, in Bulgarien und Rumänien, ihr Vater ist im Außenhandel. Als Teenager liebt sie die Beatles, macht beim Singeklub mit. Am Wochenende zieht es sie in Läden wie den "Hootenanny-Klub" im Berliner Kino International (später Oktoberklub). Da treffen sich Musiker, Langhaarige wie der angehende City-Sänger Toni Krahl. Tamara ist gerade 18 Jahre alt und schon mittendrin.
Sie war einfach ein Mädchen, das sich da rumgetrieben hat und ich war ein Junge, der sich rumgetrieben hat, und da sind wir uns begegnet. Ich meine, sie sah einfach mal toll aus, alle waren scharf auf sie ... Ich bin da nicht rangekommen.
Wie Tamara Danz zu Silly fand
Tamara will Sängerin werden, doch an der Hochschule lehnt man sie ab: Die Stimme sei "unzureichend". Auch beim Oktoberklub fliegt sie mit dieser Begründung raus. Nachdem sie eine Weile Erfahrungen mit der Horst Krüger Band gesammelt hat und auch eine Gesangsausbildung der Musikschule Friedrichshain abschließt, um den Berufsausweis zu erhalten, heuert sie 1978 bei einer Tanz-Combo an: Familie Silly. Eigentlich ist sie schüchtern, aber am Mikrofon fühlt sie sich sicher. Die Band ist eine andere mit ihr. Plötzlich steht sie im Mittelpunkt.
Alles, was dann auf uns zukam, vor allen Dingen auf sie, war noch ungewohnt, damit ist sie noch nicht so leicht umgegangen, Interviews und so weiter. Das war am Anfang, kann ich mich erinnern, noch so ein bisschen sperrig.
Als die Rocklady auf Erich Honecker traf
Der Keyboarder Ritchie Barton stößt kurz nach ihr zur Band. Silly klingen jetzt ernsthafter, rauer, direkter. Und Tamara wächst in ihre Rolle als "Rocklady" hinein: Die "wilde Mathilde"-Protagonistin des gleichnamigen Songs vom Album "Mont Klamott" (1983) – wird mehr und mehr zu ihrer zweiten Haut: rotzig, laut, aggressiv. Tamara Danz will stark erscheinen, auch jenseits der Bühne, sie hasst es, sich eine Blöße zu geben. Lieber schützt sie sich mit einem schroffen Spruch.
Sie wollte nicht alles an sich ranlassen, aber schon viel geben. Aber wenn man viel gibt, muss man auch aufpassen, dass man nicht ausgesaugt wird, und da hat sie aufgepasst und das wirkte auf viele Menschen wenn nicht befremdlich doch zumindest als Fremdelei.
Die wilde Mähne, die Lederkluft sind ihre Rüstung – ein Schutz, mit dem sie auf die Bühne geht oder zu einem der Empfänge, auf denen man sich mit ihr schmücken will. Auf einem steht plötzlich Erich Honecker vor ihr, starrt fassungslos auf ihre Haare, während sie ihm erklärt, sie mache "so Rock 'n' Roll".
Tamara Danz schaden solche Fotos nicht, niemand zweifelt an ihrer Aufrichtigkeit. Warum auch: Hat sie nicht ihre schönsten Lieder über den Stillstand und die Sehnsucht im Land gesungen? Der Herbst '89, sagt sie später, war das Aufregendste, was in ihrem Leben passiert ist.
Tamara Danz' Rolle im Herbst 1989
Mit ihrem alten Freund Toni Krahl initiiert sie eine Protestresolution. Die Wucht dieser Wochen reißt sie mit, spült sie in die Politik, in die Talkshows, wo sie als freche, unverstellte Stimme aus dem Osten besetzt wird.
Wir sind gemeinsam da reingegangen, um uns einzumischen und sie hat sich da eher verzettelt, glaube ich. Sie hat vielleicht ein bisschen spät gemerkt, dass es sie von ihrem eigentlichen Können, tolle Songs zu machen und damit Aufregung zu verbreiten, dass es da eher ablenkt.
Es dauert seine Zeit, bis sie ihre Stimme wiederfindet. Anfang 1995 kommt sie mit neuen Texten in den Probenraum – sie sind anders: offener, die Wut ist weg. Mitten in die Aufnahmen platzt die Diagnose Krebs. Doch Tamara Danz will diese Lieder unbedingt singen.
Ich war auch erstaunt, wie tief die Sachen gehen. Das ist mir auch im Nachhinein erst wirklich klargeworden: Wieviel Einblick sie gewährt in ihr Innenleben oder in unser Innenleben.
Tamara Danz fand "Asyl im Paradies"
Im Song "Asyl im Paradies" heißt es: "Gib mir Asyl hier im Paradies. Hier kann mir keiner was tun. Gib mir Asyl hier im Paradies. Nur den Moment um mich auszuruhn." Den Song hatte sie allerdings schon geschrieben, bevor sie die Diagnose Krebs bekam.
Ich kann mich erinnern, dass sie selbst nach der Diagnose, als die Krankheit voranschritt und am Ende – auch wenn man immer Hoffnung schöpft – klar war, dass das Ende nicht abzuwenden ist, dass sie manchmal selbst draufgeguckt und gesagt hat: Ist ja wirklich unglaublich, ist ja wirklich so, als hätte ich es schon gewusst.
"Paradies" heißt auch dieses letzte Album. Kurz nach seinem Erscheinen stirbt Tamara Danz. Ihre Lieder sind geblieben. Sie fehlt: ihre Stimme, ihre Frechheit, ihr Mut.
Es gibt ja viele Stars und es gibt ganz wenige Sonnen. Sie war so eine Sonne. Und wer in ihrer Nähe stand, fing an zu leuchten, wie ein Stern.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. September 2023 | 19:00 Uhr