Kunsthandwerk, Brettspielkultur, Prägebriketts Immaterielles Kulturerbe: Drei Bewerber aus Mitteldeutschland vorgestellt

21. November 2023, 05:00 Uhr

Handwerk, Brauchtum, Feste: Auch in Mitteldeutschland gibt es Personen, Vereine und Gruppen, die sich für eine Aufnahme in das "Bundesweite Verzeichnis" für Immaterielles Kulturerbe bewerben. Bis Ende Oktober konnten die Bewerbungen eingereicht werden. Wir werfen einen Blick auf die Bedeutung des Immateriellen Kulturerbes und stellen drei Bewerber näher vor.

Wer es auf die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes schafft, hat einen langwierigen Bewerbungsprozess hinter sich. Doch die Mühe scheint sich zu lohnen. "Der Titel 'Immaterielles Kulturerbe' fördert die Sichtbarkeit und Weiterentwicklung dieses lebendigen Erbes. Durch den Titel erfährt das jeweilige Kulturerbe und die Trägergruppe große Aufmerksamkeit. Die Träger können mit dem Titel werben, was unter anderem im Bereich Tourismus eine wichtige Bedeutung hat", erläutert Manja Kelch vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus.

Was ist das "Immaterielle Kulturerbe"? Auf der Webseite der Deutschen UNESCO-Kommission heißt es dazu: "Menschen tanzen, feiern und singen. Sie pflegen Bräuche, Beziehungen und ihre Umwelt. Dabei erhalten und gestalten sie ihr kulturelles Erbe, indem sie ihr Wissen und Können an die nächsten Generationen weitergeben. Das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes von 2003 fördert die Sichtbarkeit und Weiterentwicklung dieses lebendigen Erbes, beispielsweise durch die internationalen UNESCO-Listen oder über Einträge in das "Bundesweite Verzeichnis" des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland."

Bis Ende Oktober konnten sich Interessierte in ihrem Bundesland für eine Aufnahme in das Bundesverzeichnis bewerben. "Jedes Bundesland kann bis zu vier Vorschläge zur Evaluierung an das Fachkomitee Immaterielles Kulturerbe weiterleiten", erklärt Peter Martin, stellvertretender Pressesprecher der Deutschen UNESCO-Kommission. Dadurch könnten je Bewerbungsrunde maximal 64 neue Einträge in das Bundesverzeichnis erfolgen. Laut Peter Martin steht voraussichtlich im März 2025 fest, welche der Kandidaten es in das "Bundesweite" Verzeichnis schaffen. Wir stellen je einen Bewerber für die drei mitteldeutschen Länder genauer vor.

Würfel und Figürchen: Deutsche Brettspielkultur aus Altenburg

Bei dem Vorhaben, dass das Brettspielen in das "Bundesweite Verzeichnis" des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wird, geht es nicht nur um Spielbretter, Regeln und Figuren. "Das Immaterielle am Kulturgut 'Spiel' ist, dass das Spiel uns glücklich, gesund und schlau macht. Im Spiel lernen wir uns selbst und unsere Emotionen kennen im Umgang mit Herausforderungen. Wir lernen auch den Mitspieler kennen. Wir entwickeln unsere Persönlichkeiten und Charaktereigenschaften im Spiel. Kultur entsteht Im Spiel", erklärt Spielforscher Professor Jens Junge.

Spiele haben in Altenburg ein hoheitliches Zuhause gefunden: das Residenzschloss. Hinter dessen Mauern befindet sich nicht nur ein Spielkartenmuseum, sondern mit über 31.000 Exponaten auch ein erheblicher Teil der größten Brettspielsammlung der Welt, denn in Altenburg befindet sich eine Außenstelle des Berliner Instituts für Ludologie ("Spielkunde"). Die Spiele werden als Zeitdokumente archiviert – eine Mammutaufgabe, denn jedes Jahr erscheinen allein in Deutschland 1.700 neue Brettspiele.

"Das Brettspiel ist in den letzten Jahrzehnten ein besonders deutsches Phänomen geworden, weil zum Beispiel so ein Klassiker wie die Siedler von Catan 1995 Spiel des Jahres geworden ist und dadurch das Thema der Autorenspiele einen Riesenaufschwung durch Deutschland bekommen hat. So gab es lange Zeit auch den Begriff des 'German Boardgame', auch international, weil wir hier von den Spielmechaniken und Spielideen her internationale Impulse und Standards gesetzt haben", erläutert Jens Junge.

Dabei geht es in bei der Bewerbung nicht nur um die Spielkunde, sondern auch um das Spielen selbst. Ein Trend der letzten Jahre ist es, nicht mehr nur zu Hause zu spielen. Ob Meisterschaften oder lokale Spieletreffs: Die Szene ist bundesweit vernetzt und trifft sich an über 400 Standorten. "Das gemeinsame Erleben innerhalb einer Geschichte aufgrund von grafischen Elementen: Ich glaube, dass sozusagen Kunst und Kultur hier in einem gebündelt werden. Und das gibt uns die Möglichkeit, miteinander in jeder Spielewelt zu interagieren, wenn wir uns alle generationsübergreifend, kulturübergreifend in einem Brettspiel zusammenfinden", sagt Gabriele Orymek von den Altenburger Spieletagen.

Wenn die Brettspielkultur wirklich auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes gelangen sollte, dann wäre Altenburg auf dem Weg zur Stadt der Spiele. Denn das Altenburger Skat-Spiel steht bereits jetzt auf der UNESCO-Liste.

Historische Spielkarten der Vereinigten Altenburger und Stralsunder Spielkarten-Fabriken AG 21 min
Bildrechte: IMAGO / Harald Lange

Zum Heizen und für Botschaften geeignet: Prägebriketts aus Zeitz

In Zeitz steht die älteste Brikettfabrik der Welt. Sie wurde vor dem Abriss bewahrt und über viele Jahre hinweg in ein Museum verwandelt. Produziert wurden dort sogenannte Prägebriketts. Diese waren – wie es der Name schon andeutet – mit einer Prägung versehen. Oftmals handelte es sich dabei um den Namen des Werks oder der Marke. Es gab aber auch besondere Ausgaben, zum Beispiel zu Weihnachten als Schmuckbriketts. "Damit sind wir einzigartig in der gesamten Welt. Wir kennen ungefähr 12.000 verschiedene Prägebriketts, also nicht nur wo die Firma sich darstellt, sondern auch Szenen und Botschaften. Bei uns war es der Weltfrieden, in der Bundesrepublik war es das 'Ja zur Braunkohle', Karneval oder auch die Bundesliga", sagt Geologe Andreas Ohse.

Die Prägebriketts sind, als kleine Kunstwerke des Alltags, das Sinnbild einer ganzen Kultur. Es könnte sich also lohnen, die Technik der Prägung, dieses traditionelle Handwerk zu erhalten. Eine Erklärung zum Immateriellen Kulturerbe könnte dabei helfen. Die Zeit ist reif, sagt Andreas Ohse. Sein Wunsch wäre es, in Deutschland mindestens zwei funktionsfähige Brikettpressen zu sichern, damit die Geschichte und Kultur der Brikettherstellung auch künftigen Generationen weiter vermittelt werden kann.

Spielzeug und Weihnachtsschmuck: Holzkunst aus dem Erzgebirge

2019 wurde das Erzgebirge als bedeutende Montanregion von der UNESCO zum Welterbe erklärt. Nun soll es gerne noch ein weiterer Titel sein: Die berühmte Holzkunst mit ihrer einzigartigen Tradition könnte in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen werden.

"So viele Handwerksbetriebe auf einem Fleck, die wirklich auch noch davon leben, das gibt es fast auf der ganzen Welt nicht mehr. Aktuell gehen wir davon aus, dass es in unseren Gewerken ungefähr 200 Betriebe sind, also Drechslerei, Holzspielzeugmacher, die hier im Erzgebirge noch herstellen", erklärt Frederic Günther, Geschäftsführer des Verbands Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller e.V.

Seit Jahrhunderten werden im Erzgebirge Holzspielzeug, Weihnachtsschmuck, Reifentiere und vieles mehr gefertigt. Die Reifendreherei, bei der aus einem Holzreifen Tierfiguren herausgeschnitten werden, ist eine Handwerkstechnik, die ausschließlich im Erzgebirge vorkommt.

Neben dem Handwerk geht es bei der Bewerbung auch um das Brauchtum, um Figuren und Lichtspender. Die Volkskunstwerke spiegeln die Berglandschaft mit ihren Menschen und ihrer Geschichte wider. Außerdem ist auch die Vermittlung der alten Handwerkstechniken ein immaterielles Kulturgut und damit ein weiteres Argument für die Bewerbung: Der Beruf des Holzspielzeugmachers werde nur in Seiffen ausgebildet, berichtet Frederic Günther.

Internationale UNESCO-Listen für Immaterielles Kulturerbe

In das "Bundesweite Verzeichnis" haben es bisher 144 Bewerber geschafft. Wer in diesem Verzeichnis ist, hat auch die Chance es auf eine der internationalen Listen zu schaffen. Von diesen gibt es, laut der Webseite der Deutschen UNESCO-Kommission, drei Stück:

  • "die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit,
  •  die Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Immateriellen Kulturerbes,
  • das UNESCO-Register Guter Praxisbeispiele".

Die nächste Entscheidung für diese Listen steht kurz bevor. "Der Zwischenstaatliche Ausschuss der UNESCO für das Immaterielle Kulturerbe tagt 2023 vom vierten bis neunten Dezember in Kasane, Botswana", erklärt Peter Martin von der Deutschen UNESCO-Kommission. Dabei sollen auch Vorschläge aus Deutschland diskutiert werden. "Deutschland beteiligt sich in diesem Jahr gemeinsam mit anderen Ländern an den Nominierungen des 'Hebammenwesens', der 'Traditionellen Bewässerung' sowie der 'Manuellen Glasfertigung'."

MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 14. November 2023 | 20:15 Uhr

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