Ein Hinweisschild hängt am Eingang zum Betriebsrat.
In Ostdeutschland gibt es nur wenige Betriebsräte. Bildrechte: picture alliance/dpa | Nicole Becker

Arbeitnehmerrechte DGB: Betriebsratsgründungen werden massiv behindert

27. Juni 2024, 09:56 Uhr

Am Donnerstag treffen sich die ostdeutschen Betriebsräte auf Einladung von CDU und CSU, um darüber zu sprechen, wie Beschäftigte in Betrieben mehr Mitspracherecht bekommen. Denn aktuell werden nur wenige ostdeutsche Arbeiter von Betriebsräten vertreten. Dabei ist laut Wirtschaftsforschern längst klar, dass Betriebsräte dabei helfen, den Betriebsfrieden zu bewahren. Die Gründung von Betriebsräten wird allerdings oft behindert.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Matthias Lindig ist Betriebsratschef beim Kohleunternehmen Mibrag. Auf seinem Tisch steht ein Schild mit dem Slogan "Mitbestimmung sichert Zukunft". Für diese Zukunft sucht die Mibrag neue Geschäftsfelder.

Lindig setzt sich dafür ein, dass dabei wieder gut bezahlte Jobs entstehen. Dabei wolle die Mibrag weg von fossilen Energieträgern und hin zu CO2-freien Industrien.

Wichtig ist dabei laut Lindig, dass die Mibrag ihre Mitarbeiter nicht verliert: "Gerade Menschen mit Achte-Klasse-Abschluss, Facharbeiter, die Malocher auf Deutsch gesagt. Denen muss man ermöglichen, an der Wertschöpfungskette teilzuhaben. Wenn wir das nicht haben ohne Tarifverträge, dann haben wir wilde Sau." Dann habe man ein "System China" und das wolle man nicht.

Wenige Betriebsräte in Ostdeutschland

Obwohl Betriebsräte viel mitreden dürfen, gibt es sie in ostdeutschen Betrieben selten. Nach Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes haben hier nur 29 Prozent aller privat Beschäftigten einen Betriebsrat. 14 Prozent haben alternativ Vertrauensleute gewählt, die nicht die gleichen Rechte wie Betriebsräte haben. Die Mehrheit hat gar keine Vertretung.

Das mag an mangelndem Interesse liegen. Es liege aber auch daran, dass Unternehmer Betriebsräte verhinderten, sagt die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi. Und das habe drastisch zugenommen: "Inzwischen werden ein Fünftel der neuen Betriebsratsgründungen massiv behindert, auch mit illegalen Mitteln."

Teilweise drohen die Betriebe ihren Mitarbeitenden mit der Kündigung oder spionieren ihnen privat hinterher, erzählt Fahimi. "20 Prozent der Betriebe, in denen ein Betriebsrat gegründet wird, müssen gegen den Arbeitgeber kämpfen und sich dagegen wehren, dass versucht wird, Kolleginnen und Kollegen herauszukaufen."

Positive Effekte durch Betriebsräte

Gerade in kleinen Firmen sind Betriebsräte oft unerwünscht. Diese Einschätzung teilt auch Steffen Müller. Der Ökonom vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle sagt, sei der Firmenchef zugleich der Inhaber, lasse er sich eben ungern reinreden.

Dabei hätten Betriebsräte Vorteile. Laut Müller sind Betriebe mit Betriebsrat im Durchschnitt 15 Prozent produktiver als vergleichbare Betriebe ohne Betriebsrat. Das liege daran, dass Betriebsräte dafür sorgten, dass ein Interessenausgleich zwischen Belegschaft und Geschäftsleitung stattfindet. "In der Summe haben dann Betriebe mit Betriebsrat loyalere, zufriedenere Mitarbeiter, die länger da sind. Da lohnt es sich, in Weiterbildung zu investieren." Das mache die Beschäftigten auch produktiver, sagt Müller.

Dieser Effekt gelte allerdings vor allem für große Unternehmen, sagt Müller. Bei kleinen Betrieben sei er weniger eindeutig.

Betriebsräte als Vermittler

Natürlich könne es auch Firmen geben, in denen sich Geschäftsführung und Betriebsrat so sehr zerstreiten, dass die Produktivität leide. Doch im Durchschnitt, sagt auch Matthias Lindig, wirkten Betriebsräte positiv. Er versteht, dass das für viele Betriebe zunächst ein Schreck sein kann, aber: "In Wahrheit ist es eine Chance für die Betriebe", sagt Lindig.

Für Lindig besteht eine Chance darin, Ideen der Arbeiter an den Vorstand heranzutragen. Und dass man als Betriebsrat Kontakte zur Gewerkschaft pflege. Über diesen Kanal könne man Ängste aus der Belegschaft auch der Politik übermitteln. Zumindest der Mibrag habe das geholfen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 27. Juni 2024 | 06:05 Uhr

Mehr aus Wirtschaft

Mehr aus Deutschland

Ein KFZ-Mechaniker wartet 2020 in einer Werkstatt ein E-Auto. 5 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Marijan Murat