Kita-Kinder beim Spielen
In einer Kita wird es laut: durcheinander reden, rufen, trommeln, Bildrechte: Colourbox.de

Berufskrankheit Hörschaden Erzieherinnen in Arneburg-Goldbeck sollen vor Lärm geschützt werden

25. April 2024, 05:02 Uhr

Sämtliche Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten und Grundschulhorten der Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck haben ab sofort Anspruch auf Hörschutz. Die Kommune hat mit dem Personalrat eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Sie bezuschusst den Hörschutz je Erzieherin mit bis zu 200 Euro.

Yvonne Popke weiß gerade nicht, wo ihr der Kopf steht. Werktags, kurz vor zwölf mittags, gerade ertönte die Schulklingel zur großen, zur Mittagspause. Mehr als 40 aufgekratzte Grundschüler stürmen das benachbarte Hortgebäude; dort ist der Essensraum.

Das geht nicht ohne Lärm ab. Kindergeschrei, Stühle-Schrapeln auf dem Fußboden, Taschen plumpsen die Ecken. Da hinten streiten sich zwei, hier vorne lachen zwei andere laut. Ein Mädchen zieht Erzieherin Popke am Ärmel und fragt was. Das alles in dem großen Essenraum, der durch den Schall diesen Klangteppich noch anwachsen lässt.

Auf dem Pausenhof lärmen, streiten, spielen die Kinder. Selbst die Nachbarn hätten ihr gesagt, es sei wesentlich lauter als früher, sagt Yvonne Popke.

Kita-Mitarbeiter erleiden oft Hörschäden

Dieser überlaute Klangteppich jeden Tag – das führt zumindest bei ihr zu Hörschäden. Sie hat bereits nach einigen Monaten als Erzieherin im Grundschulhort in Iden einen leichten Tinnitus bekommen. Auch andere Kolleginnen klagen über Hörschäden, manche fallen wegen des damit verbundenen Stresses aus.

Hörschäden gehören zu den häufigsten Berufskrankheiten von Erzieherinnen und Erziehern in Deutschland, attestiert die Unfallkasse. Der zu akzeptierende Grenzwert des Lärms in Horten und Kitas liegt laut der Initiative "Pro Kita" bei 85 Dezibel. Häufig seien aber bis zu 117 Dezibel gemessen worden. Das sei Lärm, wie er von einer 100 Meter entfernten Kreissäge ertönt oder einem startenden Düsenjet in ähnlicher Entfernung.

Kinder machen Musik.
In der Kita kann es schnell sehr laut werden. Beschäftigte leiden häufig unter Hörschäden. Bildrechte: picture alliance / dpa Themendienst | Kai Remmers

Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck dämmt Horte

Die Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck als Arbeitgeberin der Erzieherinnen und Erzieher ist dabei, die betreffenden Einrichtungen zu dämmen. In den Grundschulhorten in Iden und Arneburg seien bereits Dämm-Decken eingezogen worden, sagt Bürgermeister René Schernikau (parteilos). Allerdings verfüge die Kommune nicht über die Mittel, alle Einrichtungen gleichzeitig oder zeitnah zu modernisieren. Man käme nur Schritt für Schritt voran.

René Schernikau, Bürgermeister von Arneburg-Goldbeck
René Schernikau, Bürgermeister von Arneburg-Goldbeck, hat einen Zuschuss für den Gehörschutz von Erzieherinnen und Erziehern beschlossen. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Deshalb hat Schernikau die Absprache mit dem Personalrat getroffen: Jede Erzieherin, jeder Erzieher hat Anspruch auf einen individuell von einer Fachfirma entwickelten Hörschutz. Die Gemeinde gibt pro Mitarbeiterin bis zu 200 Euro dazu.

Man hat das Thema einfach vorher nicht ernst genommen. Menschen sind jetzt sensibler, was ihre Belastungen angeht.

René Schernikau Bürgermeister der Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck

"Man hat das Thema einfach vorher nicht ernst genommen", sagt Schernikau. "Man hat's einfach hingenommen. Menschen sind jetzt sensibler, was ihre Belastungen angeht." Er sei selber regelmäßig in den Einrichtungen und bemerke das.

Kita-Mitarbeiterinnen erhalten Zuschuss zu Hörschutz

Der Schutz wird an die Ohrmuschel angepasst und soll die höchsten und niedrigsten Lärm-Frequenzen unterdrücken. Das gegenseitige Verstehen sei weiterhin gewährleistet. 

Yvonne Popke im Grundschulhort in Iden will den Hörschutz auf jeden Fall ausprobieren. Die Verbandsgemeinde hofft mit ihrem Schritt, die jetzt tätigen Erzieherinnen halten zu können. Die Personaldecke ist dünn; gerade werden für Einrichtungen in Arneburg-Goldbeck vier bis fünf neue Mitarbeiterinnen gesucht.

Ein Mädchen trägt Schallschutzkopfhörer.
So sieht der geplante Hörschutz nicht aus. Der Schutz soll an die Ohrmuschel angepasst werden. Bildrechte: picture alliance / Romain Fellens | Romain Fellens

Gemeinde will gutes Image als Arbeitgeber

Der Hörschutz und der Gemeinde-Zuschuss dafür sollen ein Zeichen sein, sagt Bürgermeister Schernikau: dass man Wert auf das Wohlbefinden seiner – alten und womöglich neuen – Mitarbeiterinnen in den Kindereinrichtungen lege.

Schernikau erhofft sich damit auch einen Vorsprung, ein gutes Image als Arbeitgeber. Denn auch wenn, wie "Pro Kita" betont, Erzieher und Erzieherinnen diesen Anspruch in allen Kitas und Horten haben – durchgesetzt worden ist der bislang nur in wenigen Einrichtungen.

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MDR (Katharina Häckl, Julia Heundorf)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. April 2024 | 07:10 Uhr

22 Kommentare

KarlStuelpner vor 7 Tagen

Die Vorsitzende des Schul- und Sozialausschusses war immer sehr am Thema dran.

Den Verbandsgemeindebürgermeister scheint das alles nicht so anzuheben.

Offenbar sieht er sich schon im Landratsamt als neuer Beigeordneter sitzen.

KarlStuelpner vor 1 Wochen

So sieht es dann aus, wenn der Bürgermeister die ganze Kohle verplempert hat.

Unglaublich, was den Erzieherinnen zugemutet wird.

Warum da der Verbandsgemeinderat untätig ist, dass fragt sich anscheinend keiner.

Fakt ist, dass die erfolgreiche, engagierte und vor allem kritische Vorsitzende des Schul- und Sozialausschusses nicht wieder kandidiert.

KarlStuelpner vor 1 Wochen

Was kommt als nächstes?

Wieder Masken tragen, wenn die Windeln stinken?

Und das nur, weil die ganzen Jahre seit 2017 die Kohle rausgehauen wurde, als gäbe es kein Morgen!

Der Verbandsgemeinde-Bürgermeister müsste doch nun wissen, dass es nur sachgerecht und menschenwürdig mit baulichen Maßnahmen gehen wird.

Aber wenn man die Rücklagen verpulvert, dann kommen die Micky-Mäuse.

Da will dieser Verbandsgemeinde-Bürgermeister Hunderttausende in einen überzogenen Feuerwehrhausbau stecken, obwohl die Drehleiter, um die es angeblich hauptsächlich geht, in einem anderen Gerätehaus stehen könnte.

Das eingesparte Geld könnte dann zum Beispiel in die Aufrüstung der Kitas fließen.

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