Eine typische Dorfkirche steht im Frühling abgebrannt auf einem Hügel in Rathendorf bei Geithain. Ruß und Rauchreste sind an der einst weißen Fassade zu sehen. Dieses Archivbild zeigte sich Ostern 2000, nachdem in der Nacht zu Karfreitag das gotteshaus angezündet worden war. von wem wurde jedoch nie geklärt.
Nur die Außenwände blieben von der alten Dorfkirche Rathendorf nach der Brandstiftung im Jahr 2000 übrig. 1,5 Jahre später wurde die Wiedereinweihung gefeiert. (Archivfoto April 2000) Bildrechte: MDR

Pfarrer im Interview Nach schnellem Wiederaufbau: "So ein Wunder wünsche ich auch Großröhrsdorf"

08. August 2023, 18:10 Uhr

Das Entsetzen über den Kirchenbrand in Großröhrsdorf ist groß. Viele wollen helfen, spenden, ein Künstler will den Altar stiften. Dass es trotz der Angebote ein weiter Weg ist, weiß Pfarrer Christoph Weber. Im Jahr 2000 brannte die Kirche Rathendorf bei Geithain ab, wo er Pfarrer war und den Wiederaufbau mit anschob. 23 Jahre später erinnert er sich an den Schock und Frust. Im Interview sagt er, worauf sich die Großröhrsdorfer gefasst machen und woran sie nicht unbedingt festhalten sollten.

Herr Weber, drei Wochen vor Karfreitag im Jahr 2000 brannte die Kirche Rathendorf ab, wo Sie damals Pfarrer waren. Das ist 23 Jahre her. Jetzt der Brand in Großröhrsdorf. Was dachten Sie bei den Feuerbildern?

Christoph Weber: Es war alles sofort wieder da, als ich die Bilder sah. Es lief mir heiß und kalt den Rücken runter. Das Entsetzen, der Schock. Ich hatte damals wie in Trance die abgebrannte Kirche fotografiert. Anfangs war völlig unklar, warum es brannte.

In Rathendorf lief damals gerade die Innensanierung. Die Dachdecker waren im Dachgeschoss des Kirchenschiffs tätig wegen einer Schwammbeseitigung. Und wie bekämpft man den Schwamm? Mit Feuer. Der Dachdeckermeister hatte unruhige Wochen, als man noch nichts zur Brandursache wusste. Auch ich war anfangs als Pfarrer ein Verdächtiger. Der Gedanke war nicht sehr angenehm.

Ein Mann Mitte 60 hat einen farbigen Schal um und einen Talar eines kirchlichen Würdenträgers an. Es ist der evangelisch-lutherische Pfarrer Christoph Weber aus Sachsen.
Pfarrer Christoph Weber arbeitet heute in Thalheim im Erzgebirge. Vor 23 Jahren zündeten Unbekannte die Kirche Rathendorf an, für die er mit zuständig war. Wenn er an das erste Weihnachten nach dem Feuer denkt, kommen ihm immer noch die Tränen. Bildrechte: privat

Wie ging es weiter?

Am Tag nach dem Brand versammelten wir uns zu einer Andacht. Es war ende März, Ostern stand bevor. Acht Konfirmanden wollten zwei Wochen später in ihrer Kirche konfirmiert werden. Sie sind gleich mit Spendenbüchsen losgezogen. Das war schon rührend, hat auch gut getan: Diese ersten Spenden, viele Hilfsangebote von überall her. Baufirmen kamen, um das Gelände abzusichern, die Bauern der Agrargenossenschaft haben geholfen.

Und die Feuerwehr war eine ganz, ganz große Hilfe. Wenn die Feuerwehr etwas ansagte, gab es keine Diskussion. Die Sicherheit an der Brandruine ging vor. Die Mitarbeiterin einer Lkw-Firma gab mir ein Handy, damit ich immer erreichbar bin. Damals waren Handys noch keine Selbstverständlichkeit.

Wann war klar, dass wieder aufgebaut wird?

Bei der Andacht nach dem Brand habe ich in die Runde gefragt: Wollen wir die Kirche wieder aufbauen? Der Schock saß tief. Es gab betretenes, zaghaftes Nicken. Dazu muss man wissen, dass ich kurz vorher angekündigt hatte, die Pfarrstelle Richtung Chemnitz zu wechseln. Im Dorf hieß es, ja, der Pfarrer weg, die Kirche weg. Der Frust war groß.

Den Stellenwechsel habe ich um ein halbes Jahr verschoben. Mir war wichtig zu zeigen: Wenn an Ostern etwas dran ist, darf es nicht bei diesen rauchenden Ruinen bleiben. Wir müssen Hoffnung leben. Sehr schnell gab es im Kirchenvorstand den Grundsatzbeschluss zum Wiederaufbau. Weihnachten waren Dach und Turm wieder dicht und drei neue Glocken im Turm.

So schnell, innerhalb eines Dreivierteljahres?

Wir mussten die Energie nutzen, die uns aus dem Schock heraus den Drive gab. Das ganze 500-Seelen-Dorf hatte zusammengehalten. Die Menschen wollten sich auch nach dem Brand nicht aus ihrer Kirche vertreiben lassen und hatten auf der Baustelle Gottesdienst gefeiert. Im Grunde war das Sturheit oder eine gewisse Glaubensbehauptung, je nach Blickwinkel. Als Weihnachten die Glocken klangen, wissen Sie (macht eine Pause), da kommen mir immer die Tränen. Es war sehr emotional. Das Läuten, endlich war es nicht mehr still im Dorf.

Was raten Sie nun den Großröhrsdorfern, denen die Stadtkirche abgebrannt ist?

Dass die Kirche in Rathendorf so schnell wieder aufgebaut werden konnte, war ein Wunder. So ein Wunder wünsche ich auch Großröhrsdorf. Vielleicht geht es bei ihnen nicht ganz so schnell. Beim Wegräumen wird das ganze Ausmaß der Schäden zum Vorschein kommen. Darauf muss man gefasst sein.

Ich wünsche Großröhrsdorf Glaubensmut und Offenheit. Sie sollten nicht nur den Schaden beklagen und sehen, was sie verloren haben, sondern offen für Neues sein und den Mut haben, verschiedene Varianten zu diskutieren.

Neue Ideen fürs alte Dorfkirchlein

  • Die Grundmauern der Kirche Rathendorf wurden um 1170 gebaut.
  • 2000/2001 wurde die Kirche außen wieder hergestellt. Innen wagten die Rathendorfer Neues: Der Taufstein wurde an den Eingang gestellt, die Kirchenbänke wurden quer angeordnet, von den doppelten Emporen verabschiedete sich die kleine Gemeinde. Der Altar wurde nicht wieder in alter Form nachgebildet, dazu war das verbrannte Kunstwerk zu einmalig.
  • Laut Pfarrer Weber waren die Reaktionen "erst ambivalent", dann wurde das Neue angenommen.
  • Den Hauptteil der Baukosten bezahlte die Kirchgemeinde aus der Versicherungssumme, ein Teil kam von Spendern und Fördermitteln, beispielsweise für die Orgel.

Noch einmal zurück nach Rathendorf: Wer oder was hatte damals das Feuer verursacht?

Die Kripo hat definitiv Brandstiftung ermittelt. Es wurden Spuren von Brandbeschleuniger gefunden. Damit war klar, dass die Handwerker keine Schuld traf. Zwei Varianten sind wahrscheinlich. Wir hatten einige Wochen vor dem Brand einen Einbruch, bei dem ein Christusbild, ein Kruzifix und ein Metall-Leuchter vom Altar gestohlen worden waren. Alles Dinge, die Satanisten für schwarze Messen benutzen. Oder es waren Kunsträuber.

Experten aus Dresden hatten Farbpartikel aus der Asche analysiert und uns gesagt, dass sie nicht von allen sechs Heiligenfiguren des Flügelaltars von Franz von Geringswalde von 1510 Spuren fanden. Kurz zuvor war ja alles restauriert worden, dass genug Farbinformationen vorlagen. Bis heute ist nicht geklärt, wer die Täter waren.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 07. August 2023 | 21:48 Uhr

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