Der Buchenwald-Überlebende Ivan Ivanci kurz vor seinem Tod in Weimar zur Eröffnung des Museums für Zwangsarbeit im Nationalsozialismus.
Der Buchenwald-Überlebende Ivan Ivanci kurz vor seinem Tod in Weimar zur Eröffnung des Museums für Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Gedenken an Nationalsozialismus Buchenwald-Überlebender Ivan Ivanji in Weimar gestorben

10. Mai 2024, 13:05 Uhr

Am Mittwoch ist Ivan Ivanji noch beim Festakt zur Eröffnung des neuen Museums "Zwangsarbeit im Nationalsozialismus" im ehemaligen Gauforum in Weimar aufgetreten. In der Nacht danach starb der serbische Schriftsteller, Buchenwald-Überlebende und Weimarer Ehrenbürger in Weimar. Thüringer Politiker würdigen Ivanji.

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Der serbische Schriftsteller, Buchenwald-Überlebende und Weimarer Ehrenbürger Ivan Ivanji ist tot. Er starb nach Informationen von MDR THÜRINGEN in der Nacht zu Donnerstag in Weimar. Am Freitagmorgen wurde der Tod von Ivanji von der Staatskanzlei bestätigt. Ivanji wurde 95 Jahre alt.

Am Mittwoch war Ivanji noch beim Festakt zur Eröffnung des neuen Museums "Zwangsarbeit im Nationalsozialismus" im ehemaligen Gauforum der Stadt aufgetreten. Persönlich begrüßte ihn dabei Kulturstaatssekretärin Claudia Roth (Grüne).

Dort sagte Ivanji, Hitlerdeutschland sei ein "seltsames Leopardenfell von ganz verschiedenen Schrecklichkeiten" gewesen. Er hege aber keinen Hass gegen Mitläufer von damals, das sei Zeitverschwendung. Vielmehr hoffe er, dass viele junge Menschen aus seinem und dem Schicksal anderer lernen. Am Rande des Festakts hatte Ivanji dem MDR ein Interview gegeben.

Mit 15 nach Auschwitz und Buchenwald deportiert - nach 1945 Lehrer und Intendant, Schriftsteller

Ivanji, 1929 im damaligen Königreich Jugoslawien geboren, wurde von dort mit 15 Jahren von den Nazis wegen seiner jüdischen Herkunft verhaftet und nach Auschwitz und Buchenwald deportiert, wo er Zwangsarbeit verrichten musste.

Nach dem Krieg studierte er Architektur und Germanistik, war Lehrer und Theaterintendant. Ivanji war als Dolmetscher für die jugoslawische Regierung und den langjährigen jugoslawischen Staatschef Josip Broz Tito tätig. Zwischen 1974 und 1978 war er Botschaftsrat für Kultur und Presse an der jugoslawischen Botschaft in Bonn.

Er arbeitete als Journalist, veröffentlichte Gedichte und Romane und übersetzte Werke deutschsprachiger Schriftsteller wie Günter Grass, Bertolt Brecht, Max Frisch und Heinrich Böll ins Serbische. Autobiografisch ist sein Buch "Mein schönes Leben in der Hölle". Seit 1992 lebte Ivanji, der als einer der bedeutendsten serbischen Schriftsteller gilt, in Wien und Belgrad. 2020 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Weimar ernannt.

Vor fünf Jahren hatte Ivan Ivanji von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) den Thüringer Verdienstorden erhalten. Im Jahr darauf ernannte ihn die Stadt Weimar zu ihrem Ehrenbürger.

Werk und Persönlichkeit von Ivan Ivanji gewürdigt

Das Werk und die Persönlichkeit von Ivan Ivanji wurden nach seinem Tod vielfach gewürdigt. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erklärte: "Mit seinem Tod verlieren wir eine außergewöhnliche Persönlichkeit, deren Leben und Werk untrennbar mit dem Erbe von Buchenwald verbunden waren".

Sein Engagement für die Erinnerung an die verbrecherische Geschichte des Nationalsozialismus werde unvergessen bleiben. Noch am Mittwoch habe Ramelow mit Ivanji kostbare Momente verbringen können: "fröhlich, kraftspendend und inspirierend". Sein Wirken hinterlässt für Ramelow eine unvergessliche Spur in der Geschichte Thüringens.

Ich kenne kaum einen Menschen, der derart scharfsinnig, dem Menschen zugetan und humorvoll war wie unser Freund Ivan.

Jens-Christian Wagner Leiter Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

Weimars parteiloser Oberbürgermeister Peter Kleine sagte, der Tod Ivanjis mache ihn unfassbar traurig: "Seine faszinierende Weisheit und Klugheit, aber auch sein wunderbarer Humor werden uns sehr fehlen."

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Der Buchenwald-Überlebende Ivan Ivanci kurz vor seinem Tod in Weimar zur Eröffnung des Museums für Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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Anlässlich des Todes des Holocaust-Überlebenden Ivan Ivanji hat MDR KULTUR hat mit Jens-Christian Wagner, dem Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora gesprochen.

MDR KULTUR - Das Radio Fr 10.05.2024 16:10Uhr 07:22 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/weimar/audio-wagner-buchenwald-ueberlebender-ivan-ivanji100.html

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Mit tiefer Trauer hat auch die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora auf den Tod Ivan Ivanjis reagiert. "Wir sind sehr traurig und doch voller Freude, diesen Menschen gekannt und mit ihm zusammengewirkt zu haben", schrieben Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner und sein Vorgänger Volkhard Knigge gemeinsam.

Ivanji bleibe Freund, Mutmacher und Ratgeber. Er habe gezeigt, was es heißt, dem politisch gewollten Hass und dem Ausgrenzen und Morden nicht das letzte Wort zu lassen. Was für ihn gezählt habe, seien praktizierte Mitmenschlichkeit und Solidarität gewesen, in Anerkennung der Würde jedes einzelnen Menschen.

Hitler ist tot. Wir leben noch. Soll er sich ärgern und im Grab umdrehen.

Ivan Ivanji

Ivanji habe Weimar als seine zweite Heimat betrachtet, dort habe er sich Goethe und dem Humanismus der deutschen Klassik, aber auch seinen Mithäftlingen besonders nah gefühlt, so die Stiftungsdirektoren, die der Familie ihr Mitgefühl ausdrückten. Sie erinnerten an einen Satz Ivanjis, den dieser einst in Weimar sagte: "Hitler ist tot. Wir leben noch. Soll er sich ärgern und im Grab umdrehen." Ivanji wurde 95 Jahre alt.

In Weimar liegt am Samstag, 11. Mai, von 10 bis 14 Uhr sowie am Montag, 13. Mai, von 8 bis 18 Uhr im Rathaus-Festsaal ein Kondolenzbuch aus.

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Anlässlich des Todes des Holocaust-Überlebenden Ivan Ivanji hat MDR KULTUR hat mit Jens-Christian Wagner, dem Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora gesprochen.

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MDR (cma/rom)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN | 10. Mai 2024 | 19:00 Uhr

28 Kommentare

Anita L. vor 1 Wochen

"Es tritt vorrangig Judenhass unter jungen Menschen auf."

Ah. Und die haben es sich ausgedacht? Erfunden? Oder vielleicht doch von den Eltern und Großeltern übernommen und wir sehen in den "Protestler[n], mehrheitlich jüngere Semester" eine absolut nicht neue Erscheinung menschlichen Handelns? Denn wann wäre die sogenannte "Sturm- und Drang"-Zeit, die Zeit der "Revoluzzer" und des "Aufruhrs" jene der "Alten" gewesen? Und nein. Ich möchte damit ganz bestimmt nicht die antisemitischen Proteste egal wo, ob auf Straßen oder an Universitäten, bagatellisieren. Ich möchte jedoch die "Alten" davon abhalten, sich besserdünkerisch zurückzulehnen und mit dem Finger auf die Jugend zu zeigen, sondern sich mit diesem Finger lieber an die eigene Nase zu fassen.

Thommi Tulpe vor 1 Wochen

Vielleicht wäre es sehr viel anständiger, die Täter von damals würden die wahre Geschichte erzählen!? Das ist traurigerweise Wunschdenken. Die Täter nämlich haben jahrzehntelang vor Gericht geschwiegen, alles relativiert, ihre persönliche Verantwortung einzig einem zugeschoben, der dummerweise schon tot war ("Im Kampf für Volk und Vaterland bis zum letzten Blutstropfen kämpfend gefallen" war.). So langsam sterben auch die Täter aus, die erzählen könnten.

Thommi Tulpe vor 1 Wochen

Ich hatte einen weiteren Kommentar als Antwort auf Maria`s Kommentar gesendet, der nach einiger Zeit aber wieder gelöscht wurde. Auch ich denke, dass Proteste nicht ausschließlich durch Antisemitismus begründet sind. (Auch aber sicher nicht nur!) Immerhin gibt es selbst im Weißen Haus ja auch Leute, welche eine bestimmte Vorgehensweise einer ganz bestimmten Regierung in einem ganz bestimmten "Fleckchen Erde" auf dieser Welt ebenfalls sehr kritisch sehen. Diesen Leuten wird man sehr sicher keinen Antisemitismus unterstellen!?

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