Blick in eine Recycling-Anlage für Lithium-Ionen-Batterien des Unternehmens Sungeel in Südkorea. Eine vergleichbare Produktion soll in Gera entstehen.
Blick in eine Recycling-Anlage für Lithium-Ionen-Batterien des Unternehmens Sungeel in Südkorea. Eine vergleichbare Produktion soll in Gera entstehen. Bildrechte: Sungeel Hitech

Millioneninvestition Wie ein südkoreanisches Unternehmen Batterien in Gera recyceln will

16. September 2023, 05:00 Uhr

Das südkoreanische Unternehmen Sungeel plant einen Batterie-Recycling-Standort im Gewerbegebiet in Gera-Cretzschwitz. Wir beantworten Fragen zu Gefahren, zum Recycling-Verfahren und der Bedeutung des Werks für Gera.

Batterie-Recycling-Werk: Was genau soll in Gera entstehen?

In einem Gewerbegebiet in Gera-Cretschwitz soll eine Batterie-Recycling-Anlage entstehen. Das südkoreanische Unternehmen Sungeel will dort mit dem Unternehmen Samsung C&T wertvolle Rohstoffe aus alten Batterien gewinnen - zum Beispiel aus ausgedienten Akkus von Elektro-Autos. Entstehen soll Firmenangaben zufolge eines der weltweit modernsten Werke seiner Art. Die Unternehmen wollen demnach bis 2030 rund 45 bis 74 Millionen Euro in den Standort investieren. Dabei sollen zunächst in einer Fertigungshalle zwei Produktionslinien entstehen. Das Firmengelände soll 60.000 Quadratmeter umfassen, davon circa 30.000 für die Fabrik. Jährlich sollen 20.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien verwertet werden. Laut Sungeel entspricht das der Batteriemenge von rund 60.000 E-Autos.

Ist das Werk in Gera schon beschlossen und genehmigt?

Der Stadtrat stimmte den Plänen des Unternehmens Sungeel am 6. September mit knapper Mehrheit zu. Diese Entscheidung hat keine bindende Wirkung für die Ansiedlung. Dafür benötigt das Unternehmen noch umfangreiche umweltrechtliche Genehmigungen. Einen Tag zuvor hatte sich der Ortsteilrat Cretzschwitz bei einer Beteiligung vieler Anwohner gegen die Ansiedlung ausgesprochen. Auch dieses Votum hat aber keine bindende Wirkung. Der offizielle Antrag der Firmen für die Niederlassung steht aus und soll im Herbst eingereicht werden.

Wie funktioniert Recycling von Lithium-Batterien grundsätzlich?

Der Akku von E-Autos ist nach acht bis zehn Jahren in Betrieb üblicherweise am Ende seiner Gebrauchsdauer. Die Lithium-Ionen-Akkus erreichen nur noch einen Energiegehalt von 70 Prozent - die Reichweite sinkt. Bevor die Batterien aber recycelt werden, können sie mitunter in Energie-Großspeichern eingesetzt werden und noch jahrelang in Betrieb bleiben. Ist auch dieser Zeitraum überschritten, gibt es zwei verschiedene Methoden, die Batterie zu recyceln.

  • Thermisches Aufschmelzen: Die Batteriezellen werden eingeschmolzen. Da die Bestandteile unterschiedliche Schmelzpunkte haben, lassen sie sich leicht voneinander trennen. Der Recycling-Anteil von Kobalt und Nickel liegt bei 95 Prozent. Nachteil: Graphit und Aluminium lassen sich nicht wiedergewinnen. Das Verfahren ist also relativ ineffizient. Außerdem entstehen hochgiftige Gase wie bei einer Sondermüll-Verbrennungsanlage; der eingeschmolzene Rest muss in einem stillgelegten Bergwerk endgelagert werden.

  • Mechanisches Schreddern: Der Akku wird restlos entladen und geshreddert. Über Siebe und Magnete werden die einzelnen Bestandteile getrennt. Aluminium und Kupfer lassen sich in Reinform gewinnen, zudem ein hoher Anteil von Graphit, Mangan, Nickel, Kobalt und Lithium. Insgesamt liegt die Recycling-Quote bei maximal 96 Prozent. Hier bleibt kein giftiger Rest übrig.

Welche wertvollen Stoffe enthalten Batterien?

Eine Antriebsbatterie enthält im Gehäuse zwar sehr viel Aluminium, Stahl und Kunststoffe, im Inneren aber auch die wertvollen Elemente Lithium, Mangan, Kobalt und Nickel. In einem rund 400 Kilogramm schweren Lithium-Ionen-Akku mit 50 Kilowattstunden Kapazität stecken laut Volkswagen recycelbare Stoffe in folgenden Anteilen (siehe Grafik):

Mit welchem Verfahren sollen in Gera Batterien recycelt werden?

Laut Unternehmen soll in Gera ab Anfang 2025 ein rein mechanisches Verfahren (s.o.) genutzt werden. In anfangs einer, planmäßig ab 2027 in zwei Produktionslinien sollen die alten Batterien zerlegt, zerkleinert und getrocknet werden. Anschließend werden die Stoffe in einem mechanischen Verfahren getrennt, so dass am Ende besonders wertvolle Rohstoffe übrig bleiben. Ein vorläufiges Endprodukt in Gera ist dabei unter anderem Schwarzmasse, die als Grundlage für neue Batterien dient. Sie enthält je nach Zusammensetzung der Batterien zum Beispiel noch das für die Produktion gefragte Lithium oder auch Nickel, Kobalt und Mangan. "Vorerst" soll die gewonnene Schwarzmasse in Korea und nicht in Gera weiterverarbeitet werden.

Ob und wie eine Weiterverarbeitung von Schwarzmasse in Gera langfristig ablaufen könnte, konnte die Projektkommunikation MDR THÜRINGEN nicht sagen. Das sei kein Teil des gegenwärtigen Genehmigungsverfahrens und daher "spekulativ".

Wie will das Unternehmen Risiken vorbeugen?

Laut Unternehmen ist ein Brandschutz- und Sicherheitskonzept in Arbeit. Dabei erfolge im Genehmigungsprozess auch eine genaue Abstimmung mit der Feuerwehr Gera. Wenn im laufenden Betrieb der Strom ausfällt, können Notstromaggregate demnach solange die Energieversorgung der Abluftanlage aufrechterhalten, bis das System vollständig runtergefahren ist.

Musste Sungeel bereits Strafen wegen nicht eingehaltener Sicherheits-Standards zahlen?

Laut dem ungarischen Investigativ-Medium "Atlatszo" (Link zum Artikel: Englisch) musste Sungeel für Sicherheitsverstöße in seinen zwei Batterie-Recycling-Werken in Ungarn allein 2022 insgesamt über 30 Millionen Euro Strafe zahlen. Demnach unter anderem wegen mehrerer Verstöße gegen den Arbeitsschutz. Arbeiter seien schädlichen Chemikalien ausgesetzt gewesen. Auch hätten Kontrolleure Verstöße bei der Lagerung von Abfall-Chemikalien festgestellt. In den Jahren seit 2019 habe Sungeel in Ungarn bereits mehrfach für ähnliche Vergehen Millionen-Strafen zahlen müssen.

Sind in Sungeel-Werken schon gefährliche Unfälle passiert?

Im Juli 2022 sind bei einer Explosion im ungarischen Sungeel Werk in Bátonyterenye laut "Businesskorea" (Link zum Artikel: Englisch) drei Arbeiter verletzt worden. Zudem wurde bei dem Unfall Gas in nicht gefährlicher Menge freigesetzt.

Laut "Telex" (Link zum Artikel: Ungarisch) brach im März 2023 ein Feuer in einem weiteren ungarischen Sungeel-Werk in Szigetszentmiklós aus, bei dem ein Arbeiter getötet wurde.

Der Projektsprecher sagte MDR THÜRINGEN, man gehe davon aus, dass das Unternehmen alles dafür tut, dass derartige Unfälle in Gera nicht erneut passieren. Es herrschten in Deutschland strenge Arbeitsschutzregeln und Umweltauflagen, die das Unternehmen einhalte.

Werden im Werk Batterien oder Teile von Batterien verbrannt?

Es soll laut Unternehmen keine Verbrennung in der Anlage in Gera stattfinden.

Sollen langfristig auch andere, umweltschädlichere Verfahren in Gera angewandt werden?

Laut Sprecher gibt es noch keine konkreten Erweiterungspläne für das Werk. Der gegenwärtig in Arbeit befindliche Antrag beinhalte nur das vom Unternehmen angekündigte mechanische Verfahren mit dem Endprodukt Schwarzmasse.

Stößt das Werk Abgase aus - was passiert mit Abwässern?

Zwar werden laut Unternehmen beim Recycling in Gera keine Stoffe verbrannt, jedoch soll über Schornsteine "von Partikeln gereinigte Abluft" abgeleitet werden. Dabei handelt es sich der Projektleitung zufolge um Staub und organische Komponenten. Von der Anlage werden Abgase aus dem Drehrohrtrockner, aus der Wasserentladung und dem Abluftsystem über neun knapp 25 Meter hohe Schornsteine ausgestoßen.

Laut Unternehmen werden die Abwässer der geplanten Anlage nicht in die Kanalisation oder Gewässer geleitet, sondern von einem Fachbetrieb entsorgt. Der Boden der Anlage sei zudem wasserfest geplant, sodass keine Abwässer versickern können sollen. Die Abwässer stammen aus der Abluftreinigung des Drehtrockners. Das ist der Ort, wo die Batterieblocks und ihre Komponenten getrocknet werden, um im Anschluss die Einzelteile zu entnehmen.

Weitere Abwässer kommen demnach aus dem Wasserentladungsprozess. Die gelieferten Alt-Batterien haben teilweise Restenergie und müssen vor dem Schreddern und Trocknen entladen werden. Wenn eine elektrische Entladung nicht möglich ist, werden sie laut Unternehmen mit Wasser entladen.

Müssen Anwohner Geruchs- oder Lärmbelästigung fürchten?

Vorgeschriebene Grenzwerte für Lautstärke sollen laut Unternehmen "voraussichtlich deutlich unterschritten" werden. Ein Lärmschutzgutachten sei in Arbeit. Auch kämen bei dem Verfahren weder riechende Stoffe zum Einsatz, noch würden Stoffe verbrannt. Demnach müssten Anwohner keine Sorge vor belästigenden Gerüchen haben.

Was bedeutet eine Ansiedlung wirtschaftlich für die Region?

Laut Unternehmen sollen in Gera 100 Industriearbeitsplätze entstehen. Die Stadt Gera würde zudem von Gewerbesteuereinnahmen profitieren. Die Betreiberfirmen selbst erwarten positive Effekte für andere lokale Unternehmen - unter anderem für Zulieferer.

Wie wirkt sich das geplante Werk auf den Verkehr aus?

Sungeel rechnet mit etwa 20 Lkw-Lieferungen pro Tag für das Werk. Nachtverkehr ist laut Unternehmen nicht vorgesehen. Das Unternehmen verweist auf die Nähe zur Autobahn A4. Kritiker fürchten zusätzlichen Verkehr auf der vielbefahrenen B2, die an das Gewerbegebiet angrenzt.

Wie geht es bei dem Ansiedlungsplan weiter?

Noch diesen Herbst soll laut Unternehmen der rund 1000-seitige Antrag beim Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz eingereicht werden. Bevor die Entscheidung dort fällt, wird es für Bürgerinnen und Bürger sowie Umweltverbände möglich sein, Vorschläge und Einwände einzubringen. Mehrere Infoveranstaltungen für Bürger plant das Unternehmen in den kommenden Wochen.

MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 07. September 2023 | 19:00 Uhr

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