Waffenlieferungen für die Ukraine Was kann die Panzerhaubitze 2000?

13. Mai 2022, 16:44 Uhr

Nach der Rede an die Nation von Bundeskanzler Scholz am 8. Mai hat Deutschland seine Unterstützung für die angegriffene Ukraine ausgeweitet. Konkret bedeutet das weitere Sanktionspakete gegen Russland, weitere Lieferungen von Kriegsgerät in Abstimmung mit Verbündeten und nun auch die Lieferung der "Panzerhaubitze 2000".

Torben Lehning
Bildrechte: MDR/Tanja Schnitzler

Liefern oder nicht liefern? In diesen Tagen scheint vieles – wie so oft – einzig und allein mit politischem Willen zusammenzuhängen. Lange hieß es von Seiten der Bundesregierung, dass es keinen Sinn mache, der Ukraine eben jene Waffen zu liefern, die die Ukraine mehrfach bestellt und angefordert hatte. Als Hauptgrund wurde stets genannt, dass die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten mit westlichen Waffensystemen nicht umgehen könnten. NVA-Bestände und Ringtausch-System waren das Ergebnis.

Jetzt geht plötzlich deutlich mehr. Die Bundeswehr lässt sieben Panzerhaubitzen 2000, kurz PzH 2000, instandsetzen und 18 ukrainische Einsatzmannschaften daran in Deutschland ausbilden. Am vergangenen Freitag kündigte Verteidigungsministerin Lambrecht die Lieferungen an, am Dienstag begann die Ausbildung ukrainischen Soldatinnen und Soldaten auf deutschem Boden. Die Ausbildung im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein, welche im Normalfall vierzig Tage dauert, soll jetzt beschleunigt werden, so dass die Soldatinnen und Soldaten, in Fünfer-Teams pro Haubitze, einsatzbereit sind, noch bevor die Waffensysteme in der Ukraine eintreffen. Es kann alles so schnell gehen.

"Wenn sie doch nur schon da wären", erklärt der CDU-Verteidigungspolitiker Jens Lehmann. Bislang sei noch keine einzige schwere Waffe an die Ukraine geliefert worden. Diesen Prozess gelte es zu beschleunigen, so Lehmann.

Was bringt die Panzerhaubitze 2000?

Eigentlich sollte das schwere Artilleriegeschütz der deutschen Rüstungsfirmen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall "Rhinozeros", "Stier" oder "Nashorn" heißen. Selbst der Name "Rüssel" soll im Gespräch gewesen sein. Da man sich hierzulande aber auf keinen Namen einigen konnte, blieb die Panzerhaubitze 2000 das, was sie ist – eine Panzerhaubitze. Was sie vielen ihren Namensvetterinnen voraus hat, ist vor allem ihre Mobilität.

Schnell fahren, präzise, schnell und weit schießen, schnell wieder abhauen, so das Nutzungsprofil der PzH 2000. Soldatenverbände, Panzer, Häuserwände – wenn die Granatsplitter der Sprengsätze explodieren, soll in einem 50 Meter-Umkreis nichts und niemand überleben, so sagen Bundeswehrsoldaten. Während andere Haubitzen und Raketenwerfer mehr Zeit brauchen, um sich aus Gefechten zurückzuziehen, ist die Panzerhaubitze mit einer Spitzengeschwindigkeit von 60 km/h schneller in einem Waldstück verschwunden, als die gegnerische Armee weiß, wo die Geschosse herkamen. Es ist "eine der besten Haubitzen weltweit", erklärt der Sachsen-Anhalter Verteidigungspolitiker Marcus Faber (FDP). Die Lieferungen der Haubitzen seien ein erstes wichtiges Signal.

Während sich die Ukraine über die Unterstützung mit westlichen Waffensystemen freut, stehen Vertreterinnen und Vertreter der Bundeswehr den Lieferungen eher skeptisch gegenüber. Offiziell verfügt die Bundeswehr über 119 PzH 2000. Davon sollen zurzeit rund 40 einsatzbereit sein. Als Heeresinspekteur Mais im Februar davon sprach, die Bundeswehr stünde in Sachen Landesverteidigung mehr oder weniger "blank da", dachte er wohl nicht, dass sich seine Armee, in puncto potenzielle Nachrüstung, bald noch ein bisschen nackiger machen würde.

Jedoch muss die Bundeswehr die 100 Milliarden Euro Sondervermögen erst mal ausgeben, bevor sie über leere Taschen klagen darf. Und dass man jetzt Haubitzen instandsetzt, um sie an die Ukraine zu liefern, lässt die Bundeswehr nicht schwächer dastehen, als sie es ohnehin schon ist.

Verteidigungswaffen für den Angriff?

Was kann die Panzerhaubitze 2000 im Krieg bewirken? Feindliche Artillerie zerstören, zurückdrängen und mit Hilfe anderer Panzer und Truppenverbände Landgewinne erzielen. Also genau das, was die Ukraine will. Präsident Selenskyj machte am Donnerstag noch einmal klar, dass er eine Beendigung des Krieges erst dann für möglich hält, "wenn wir alles zurückholen, was uns gehört". Dazu gehören die von russischen Truppen besetzten sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk und auch die von Russland völkerrechtswidrig annektierte Halbinsel Krim.

Olaf Scholz erklärte in seiner Rede an die Nation, am 8. Mai, dass niemand wisse, wie der Krieg ende. Die Bundesregierung weiß aber auch um den Anspruch der Ukraine, ihr seit 2014 von Russland besetztes Staatsgebiet zurückzuerobern und unterstützt durch Waffenlieferungen dieses Anliegen.

Manch einer in der deutschen Gesellschaft und auch im Berliner Regierungsviertel begehrt bereits auf und meint, dass man mit der Lieferung von Panzerhaubitzen von dem ehemals aufgestellten Narrativ, ausschließlich Verteidigungswaffen liefern zu wollen, abrücken würde. Das stimmt aber nicht. Wenn die Ukraine von Russland besetzte Staatsgebiete zurückerobern will, ist das kein Angriff gegen Russland, sondern völkerrechtlich die Verteidigung des eigenen Territoriums.

Wer jetzt glaube, Deutschland rüste die Ukraine für einen Ostfeldzug auf, habe die Situation nicht verstanden, so CDU-Politiker Lehmann. Die Ukraine habe das Recht sich zu verteidigen. Das Ziel sei und bleibe die Verteidigung der Ukraine.

Klar ist aber auch, dass alles Reden und Fachsimpeln über Angriff und Verteidigung null und nichtig wird, wenn Putin es so will. Es ist davon auszugehen, dass Russland, die bereits eroberten Gebiete als eigenes Territorium begreift und auch nicht hergeben wird.

Weitere Waffen werden folgen

Sieben deutsche Panzerhaubitzen plus fünf niederländische – macht zwölf insgesamt. So modern und gefährlich die PzH 2000 auch sein mag, das ist alles andere als kriegsentscheidend. Es sei ein Anfang meint der FDP-Verteidigungspolitiker Faber. Deutschland müsse mehr schwere Waffen liefern, wenn man die Ukrainerinnen und Ukrainer befähigen wolle, ihr Land zu verteidigen.

Die Vorbereitungen laufen. Faber bezeichnet die PzH 2000-Lieferungen als einen ersten Schritt. In den Hallen deutscher Rüstungsfirmen stünden noch viele Panzer, die man an die Ukraine liefern könne, so Faber. Konkret handele es sich um ca. 180 Kampfpanzer, 100 Schützenpanzer und 100 Berge- und Brückenlegepanzer. Expertinnen und Experten sind sich einig: Aus dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine ist mittlerweile ein Abnutzungskrieg geworden. Ein baldiges Ende des Krieges ist nicht abzusehen. Die Ukraine wird auch weiterhin mehr schwere Waffen deutscher Produktion fordern. Noch stehen sie in den Hallen - wann sie Waffen geliefert werden, ist wohl nur eine Frage der Zeit.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 12. Mai 2022 | 10:00 Uhr

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