Russischer Angriff auf Ukraine Holocaust-Überlebende widersprechen Putins Nazi-Lüge

23. März 2022, 05:00 Uhr

Opfer des Holocausts, die vor Jahren aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen sind, widersprechen vehement der Behauptung des russischen Präsidenten. Wladimir Putin sagte: Die Ukraine muss "entnazifiziert" werden. Die Überlebenden der echten Nazis erklären: Putin sei Opfer seiner "Politologen und Propagandisten".

"Es ist unmenschlich. Wie kann so etwas in unserem Jahrhundert sein. Es ist unglaublich", sagt Alexej Heistver über den Überfall auf die Ukraine. Er stammt aus Litauen, hat den Holocaust überlebt und in der Sowjetunion als Historiker gearbeitet. Der 80-Jährige sagt, dass die Begründung für den Einmarsch eine riesige Lüge sei.

"Es ist das Ziel der Militäroperation, die Menschen zu schützen, auf denen das Kiewer Regime acht Jahre herumgetrampelt ist und Genozid verübt hat", hatte der russische Präsident Wladimir Putin erklärt. "Deshalb wollen wir die Ukraine entmilitarisieren und entnazifizieren." Diesen Aussagen widersprechen Holocaustüberlebende aus der ehemaligen Sowjetunion in einer Erklärung. Es sei eine Lüge, dass die Ukraine von Nazis beherrscht werde. Eine Erfindung Putins und seiner "Taschenhistoriker, Politologen und Propagandisten".

Als Kind hat er die echten Nazis überlebt

"Was ist das für eine nazistische Regierung, wenn an der Spitze ein Jude steht", fragt Heistver. "Normale Menschen sehen hier keine Logik." Er hat als Kind selbst erleben müssen, welches Unheil echte Nazis verbreiten. Als jüdischer Junge wurde er 1941 im Ghetto im litauischen Kaunas geboren. Als er zwei Jahre alt war, schnitt ihm ein SS-Arzt das Gaumenzäpfchen heraus. Wie durch ein Wunder überlebte er den Holocaust.

Nach dem Krieg wurde Heistver adoptiert und sprach erst als Neunjähriger seine ersten Worte. Später studierte er und arbeitete in der Sowjetunion als Historiker. Als nach dem Zusammenbruch der UdSSR die Feindlichkeit gegen Juden zunahm, ging er nach Deutschland. Heute lebt er mit seiner Frau in Wismar. Er ist Vorsitzender der Organisation "Phönix aus der Asche", in der Holocaustüberlebende aus der ehemaligen Sowjetunion organisiert sind.

"Sehr viele unserer Leute stammen aus der Ukraine", sagt Heistver. "Sie waren in Ghettos und in Konzentrationslagern in der Ukraine." Deshalb gehe ihnen der Krieg in der Ukraine sehr nahe. "Es liegt auf unserer Seele."

Historiker Heistver: Nazis sind für das russische Volk wie eine rote Lampe

Putins Behauptung, er würde mit seinem Feldzug gegen Nazis in der Ukraine vorgehen, sei nicht nur eine plumpe Täuschung, so der Historiker und Holocaust-Überlebende Heistver. Er versuche, mit diesem Narrativ an den Zweiten Weltkrieg anzuknüpfen, den "Großen Vaterländischen Krieg", wie er in der Sowjetunion genannt wurde.

"Er weiß genau, dass die Nazis ein rotes Tuch für das russische und ehemalige sowjetische Volk seien", erklärt Heistver. Er schaue sich auch die Sendungen im russischen Fernsehen an. Dort würden den Zuschauern Lügen und Propaganda aufgetischt, das Ausmaß der russischen Zerstörungen in der Ukraine werde verschwiegen. Stattdessen werde über vermeintliche Angriffe der Ukraine auf den Donbass berichtet. "Die Leute sehen das und glauben, dass es so ist."

Heistver und andere Holocaustüberlebende kommen in der Erklärung zu einem bitteren Resümee: "Wir haben, im Gegensatz zu Wladimir Putin, die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erleben müssen. Putin missbraucht das Leid von Millionen Opfern des Naziterrors, um das heutige Morden an ukrainischen Frauen, Kindern und Männern zu legitimieren."

Quelle: MDR Investigativ/ mpö

Dieses Thema im Programm: Das Erste | FAKT | 22. März 2022 | 21:45 Uhr

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