Eine junge Frau am Tisch die ihr Smartphone benutzt.
Eigentlich am Lernen und dann doch wieder abgelenkt: Wenn ein Smartphone auf dem Tisch liegt, müssen wir kontinuierlich Impulse kontrollieren. Bildrechte: IMAGO / Cavan Images

Handy vom Tisch? Smartphones lenken ab – sogar, wenn sie ausgeschaltet sind

03. Juli 2023, 16:58 Uhr

Die Befunde einer aktuellen Studie legen nahe: Wenn ein Smartphone auf dem Tisch liegt, sind wir automatisch abgelenkter. Und zwar auch dann, wenn es ausgeschaltet ist. Die Befunde haben möglicherweise Implikation für Schulen und Universitäten.

Wie halten Sie’s beim Cafébesuch? Kommt das Handy auf den Tisch oder wird es in den Tiefen eines Rucksacks oder einer Tasche versenkt? Wie wir uns entscheiden, könnte möglicherweise den gesamten weiteren Cafébesuch beeinflussen. Eine aktuelle Studie legt nämlich nahe, dass bereits der Anblick eines Smartphones Aufmerksamkeit bindet und ablenkt. Das gilt sogar dann, wenn das Telefon ausgeschaltet ist.

Ein Smartphone auf dem Tisch bedeutet, dass wir kontinuierlich Impulse unterdrücken müssen

Die Forschenden der Uni Paderborn erklären diesen Effekt in ihrer aktuellen Veröffentlichung im Journal Nature folgendermaßen: Der Anblick eines Smartphones bindet kognitive Ressourcen, weil wir quasi kontinuierlich Impulse wie "Ich möchte jetzt mit meinem Smartphone spielen" unterdrücken müssen. Um dem Drang zu wiederstehen, muss unser Gehirn arbeiten: Die Fähigkeit, vergangene und gegenwärtige Handlungen zu organisieren, zu planen, zu analysieren und zu vergleichen sowie Impulse zu kontrollieren, wird als exekutive Funktion bezeichnet. All das fällt unserem Gehirn nicht schwer, aber: Unsere kognitiven Ressourcen sind begrenzt. Bindet des Smartphone unsere Ressourcen, werden sie unter Umständen woanders abgezogen – und wir sind dann beispielsweise nicht mehr so präsent im Gespräch. Oder beim Lösen einer Aufgabe.

Dieses Denken geht auf die Cognitive Load Theory (CLT) zurück. Diese Theorie wurde bereits in den 1980er Jahren aufgestellt und geht davon aus, dass Lernen mit kognitiver Belastung verbunden ist. Das Ziel der CLT ist es, herauszufinden, wie Lernen vor diesem Hintergrund erleichtert werden kann – beispielsweise, indem äußere Reize reduziert werden.

Studien zeigten bereits: Handytöne lenken ab

Die Studie gibt einige interessante Hinweise, fällt allerdings auch durch ihre recht geringe Anzahl an Teilnehmenden auf: 49 Studierenden hatten sich freiwillig zur Teilnahme gemeldet – daraus resultiert auch eine sehr geringe Altersspanne der Teilnehmenden, diese waren nämlich alle zwischen 20 und 34 Jahren alt und zeichneten sich durch ein hohes Bildungsniveau aus. Außerdem fand die Studie via Videokonferenz statt, jeder und jede Teilnehmende wurden entweder aufgefordert, ihr Handy neben sich auf den Tisch zu legen oder dieses ganz wegzupacken.

Bisherige Studien hatten bereits herausgefunden, dass die Benachrichtigungstöne eines Smartphones für erhebliche Ablenkung sorgen können – und zwar auch dann, wenn die Probanden nicht auf die Töne reagierten, sondern das Gerät ignorierten. Auch sehr spannend ist in diesem Zusammenhang eine Studie von 2007, die festgestellt hat, dass das Klingeln des eigenen Handys dieselben Hirnareale aktiviert, wie das Hören des eigenen Namens.  

Wichtig für Schulen: Schüler lernen wahrscheinlich besser ohne Handy auf dem Schreibtisch

Ob sich die Ergebnisse wiederholen, wenn künftige Studien im größeren Maßstab testen, wie ein Smartphone auf dem Tisch unsere Aufmerksamkeit beeinflusst, bleibt spannend. Beispielsweise für Schüler und Studierende könnten die Ergebnisse besonders interessant sein – möglicherweise lernen sie besser, wenn das Handy vom Schreibtisch verbannt wird. Die Autoren der aktuellen Studie spekulieren sogar, ob sich aus den Befunden allgemeine "Schulregeln" für die Handynutzung ableiten lassen. Im ganz kleinen Maßstab können Sie nun auch zu Hause ein Experiment dieser Art machen: Legen Sie beim nächste Treffen im Café doch einmal ihr Handy auf den Tisch. Eine viertel Stunde später packen Sie es weg. Bemerken Sie einen Unterschied?

Ein Mädchen, das eine Pause mit ihrem Cellos macht. 3 min
Bildrechte: imago images / Westend61

Links/Studien

Die aktuelle Studie The mere presence of a smartphone reduces basal attentional performance im Journal Nature gibt es hier nachzulesen.

iz

Wissen

 Das Forschungsteam (v.l.): M. Sc. Stefanie Linnhoff, Studienleiterin Magdalena Mischke und Prof. Dr. phil. Tino Zähle, Arbeitsgruppenleiter der Abteilung für Neuropsychologie an der Universitätsklinik für Neurologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Das Forschungsteam (v.l.): M. Sc. Stefanie Linnhoff, Studienleiterin Magdalena Mischke und Prof. Dr. phil. Tino Zähle, Arbeitsgruppenleiter der Abteilung für Neuropsychologie an der Universitätsklinik für Neurologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Bildrechte: Sarah Kossmann/UMMD

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