Eine Illustration mit dem Quasar J0529-4351. In dem Zentrum des möglicherweise hellsten Objekts im Universum, befindet sich eines der hungrigsten supermassiven schwarzen Löcher im Weltraum.
Eine Illustration mit dem Quasar J0529-4351. In dem Zentrum des möglicherweise hellsten Objekts im Universum, befindet sich eines der hungrigsten supermassiven schwarzen Löcher im Weltraum. Bildrechte: ESO/M. Kornmesser

Gigantismus im Universum Stellare Superlative: Der hellste Quasar und das hungrigste schwarze Loch

22. Februar 2024, 19:35 Uhr

Bereits vor über 40 Jahren wurde das stellare Objekt J0529-4351 entdeckt. Doch wegen seiner enormen Leuchtkraft wurde es für einen erdnahen Stern gehalten. Dabei ist es ein Quasar mit der Helligkeit von 500 Billionen Sonnen.

Eine astronomische Forschungsgruppe hat eine gigantische Entdeckung im Universum gemacht: den nach bisherigem Stand hellsten Quasar und das hungrigste supermassive schwarze Loch (SMBH, supermassive black hole). Verblüffend: Eigentlich wurde das Objekt mit dem Namen J0529-4351 bereits im Jahr 1980 registriert als die europäische Südsternwarte die südliche Himmelsdurchmusterung (dem Schmidt Southern Sky Survey) durchgeführt hat. Bis vor Kurzem wurde jedoch angenommen, dass es sich dabei lediglich um einen erdnahen Stern handelt. Grund für die Fehleinschätzung: Die automatische Datenanalyse des europäischen Weltraumteleskops Gaia hat J0529-4351 als zu hell für einen Quasar eingestuft. 

Eine Illustration vom Gaia-Weltraumteleskop der europäischen Raumfahrtbehörde Esa. Im Hintergrund der Weltraum-Collage befindet sich die leuchtende Milchstraße.
Eine Illustration vom Gaia-Weltraumteleskop der europäischen Raumfahrtbehörde Esa. Im Hintergrund der Weltraum-Collage befindet sich die leuchtende Milchstraße. Bildrechte: ESA, ATG medialab, Gaia, DPAC, .A. Moitinho.

Antriebsmotor des Quasars ist ein supermassives schwarzes Loch

Der Name Quasar steht für "Quasi Stellares Objekt". Dabei handelt es sich in der Regel um sogenannte aktive Galaxienkerne. Das sind gewaltige schwarze Löcher, die enorme Mengen an Materie in ihrem Umfeld gefangen halten. Und während sich diese Materie um das Schwarze Loch dreht, heizt sie sich durch Reibung auf und kann dabei heller leuchten als gewaltige Sterne. Der Quasar J0529-4351 ist dabei sogar das scheinbar hellste Objekt im Universum. Ihre Leuchtkraft erhalten solche quasistellaren Radioquellen (quasi-stellar radio source) von den supermassereichen schwarzen Löchern. Dieses befindet sich in ihrem Zentrum und das SMBH von J0529-4351 hat schätzungsweise die 17- bis 19-Milliarden-fache Masse unserer Sonne.

Um das supermassive schwarze Loch herum befindet sich eine gigantische Akkretionsscheibe aus Gas und Staub. Diese soll einen Durchmesser von sieben Lichtjahren haben. Um diese Scheibe einmal zu durchqueren, bräuchte es etwa 220.000 Hin- und Rückflüge zwischen Erde und Sonne. Vermutlich ist es "die größte Akkretionsscheibe im Universum", vermutet der Studienmitautor Samuel Laies von der Australian National University (ANU).

Diese enorm große Akkretionsscheibe speist das supermassive schwarze Loch mit Materie. Und dieses frisst pro Jahr etwa 370 Sonnenmassen an Staub und Gas. Damit wurde "das am schnellsten wachsende schwarze Loch entdeckt, das bisher bekannt ist. Es verschlingt etwas mehr als eine Sonne pro Tag", erklärt der Hauptautor Christian Wolf (ebenfalls von der ANU).

Warum ist die Region so hell? 

Das SMBH wächst also rekordverdächtig schnell. Doch es gibt ein Maximum bei der Vertilgungsrate – das Eddington-Limit.  Denn während des Fressvorgangs gibt das SMBH Energie in Form von Strahlung ab. Durch seine immense Schwerkraft erhitzt es das Gas und den Staub in der Akkretionsscheibe. Diese beginnen zu leuchten. Die Materie, die nicht vom Schwarzen Loch verschluckt (oder akkretiert) wird, wird zu den Polen des Quasars geleitet. Dort wird sie mit nahezu Lichtgeschwindigkeit als Teilchenstrahl fortgeschleudert.

Diese Kombination ist wohl der Grund dafür, warum J0529-4351 etwa 500 Billionen mal heller als unsere Sonne leuchtet. "In puncto Leuchtkraft und Wachstumsrate ist J0529-4351 damit der extremste bisher bekannte Quasar", erklärt das Forschungsteam. Selbst die Milliarden von Sternen, die den Quasar umgeben, leuchten zusammengenommen weniger intensiv als dieses Objekt der stellaren Superlative. 

"Es ist eine Überraschung, dass es bis heute unbekannt geblieben ist, wo wir doch bereits eine Million weniger beeindruckender Quasare kennen. Dieser [Quasar] hat uns bis jetzt buchstäblich ins Gesicht gestarrt", sagte Christopher Onken von der Australian National University.

Ein Quasar unter dem Tarnmantel eines Sterns

Doch wie konnte uns der Quasar 44 Jahre lang täuschen? Weil er so hell leuchtet, hielt man ihn für einen erdnahen Stern – glücklicherweise befindet sich das Objekt in einer Entfernung von zwölf Milliarden Lichtjahren. Himmelsdurchmusterungen wie die von 1980 bringen so viele Daten hervor, dass die astronomische Fachwelt maschinelle Lernmodelle benötigt, um sie zu analysieren.

Diese Modelle werden auch anhand bereits entdeckter Objekte trainiert. Die Zusammensetzung ihrer Trainingsdaten kann dazu führen, dass die KI-Systeme extreme Objekte nicht korrekt klassifizieren. Die maschinelle Auswertung der Gaia-Daten ergab, dass J0529-4351 mit 99,8-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Milchstraßenstern ist.

Milchstraße über dem Very Large Telescope / Südsternwarte Kalender - Juni
Milchstraße über dem Very Large Telescope / Südsternwarte Kalender - Juni Bildrechte: M. Claro/ESO

Die Fehlklassifizierung wurde im Jahr 2023 entdeckt, nachdem das Objekt mit dem 2,3-Meter-Teleskop des Siding Spring Observatory in Australien erneut untersucht wurde. Der letztendliche Beweis für einen Quasar wurde von dem X-Shooter-Spektrografen am Very Large Telescope (VLT) in der Atacama-Wüste in Nordchile vollbracht.

Das war nicht die letzte Untersuchung

Weitere Untersuchungen sollen folgen. Das Team möchte nun herausfinden, ob sich das supermassereiche Schwarze Loch tatsächlich nahe der Eddington-Grenze befindet. Das kann dazu führen, dass der einhergehende Strahlungsdruck extrem ansteigt. Einstürzende Materie wird dann nach außen gedrückt – gleichzeitig wird aber auch die Energiezufuhr abgeschnitten. Dann nimmt die Leuchtkraft wieder ab und das schwarze Loch kann neues Material verspeisen. Dieser Vorgang kann sich periodisch wiederholen. 

Bei einem Stern kann das Erreichen des Eddington-Limits jedoch ein Hinweis dafür sein, dass dieser instabil wird und bald beginnen könnte, seine äußeren Schichten abzustoßen. "Ich persönlich mag einfach die Jagd. Für ein paar Minuten am Tag fühle ich mich wieder wie ein Kind, das Schatzsuche spielt, und jetzt bringe ich alles ein, was ich seitdem gelernt habe", erklärt Wolf abschließend.

Wenn Sie mehr zu schwarzen Löchern erfahren wollen, können wir Ihnen das MDR WISSEN Interview mit dem Radioastronomen Heino Falcke empfehlen:

Links/Studien

Die Forschungsergebnisse wurden am 19. Februar 2024 in der Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht: The accretion of a solar mass per day by a 17-billion solar mass black hole (Die Akkretion einer Sonnenmasse pro Tag durch ein Schwarzes Loch mit einer Masse von 17 Milliarden Sonnen).  

Patrick Klapetz

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