Psychologie Lockdown trifft Frauen härter als Männer
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18. März 2021, 10:12 Uhr
Zu Hause arbeiten, Kinder unterrichten und betreuen, kochen, trösten, Mut machen – 24 Stunden am Tag, 7 Tage pro Woche. Das ist für viele der Alltag im Lockdown, ein Härtetest für unsere die Psyche, besonders für Frauen. Forschende aus Chemnitz haben untersucht, wie sich die ersten Einschränkungen durch die Corona-Pandemie im März 2020 psychologisch ausgewirkt haben und sie empfehlen maßgeschneiderte Hilfsangebote.
Welche psychischen Spuren hat der erste Corona-Lockdown im März 2020 hinterlassen? Das wollten Bertolt Meyer, Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der TU Chemnitz, und sein Team wissen. Von April bis Juni letzten Jahres befragten sie dazu 3.862 Männer und Frauen, davon 2.900 Berufstätige. In drei Wellen erfassten die Wissenschaftler, wie die Teilnehmer die Belastungen durch die Einschränkungen empfanden und wie sich ihr Erschöpfungszustand im Lauf der Zeit veränderte.
Abhängigkeit im Beruf und wenig Unterstützung zu Hause macht vor allem Frauen zu schaffen
Wie gut oder wie schlecht wir durch den Lockdown kommen, hängt unter anderem von diesen sechs Faktoren ab, die die Wissenschaftler genauer betrachteten: vom Zeitverlauf der Pandemie, davon, inwieweit sich die Teilnehmer ihre Arbeit selbst gestalten konnten, wie sicher ihr Arbeitsplatz war, wie sehr sie sich unterstützt fühlten, ob es einen Konflikt zwischen Privatem und Beruflichem gab und ob sie selbst eine Möglichkeit sahen, etwas Positives zur Pandemiebekämpfung beizutragen.
Das Ergebnis: Auf die durchschnittliche Erschöpfung wirkten sich alle Faktoren gleich aus. Doch die Autonomie im Beruf und die Unterstützung zu Hause hatten erheblichen Einfluss darauf, wie sich die Erschöpfung im Lauf der Zeit verändert. Wenig Selbstbestimmung im Beruf und wenig Unterstützung zu Hause führten zu einem steilen Anstieg des Erschöpfungszustandes, vor allem bei den Frauen. Dieses Ergebnis überraschte die Forschenden. Natürlich hätten sie mit einem Geschlechtereffekt gerechnet, so Studienleiter Meyer:
Vor allem wenn jüngere Kinder im Haushalt leben, die "neben" dem Homeoffice zu betreuen sind, koste das enorm Kraft. Eigentlich könnte man annehmen, wenn alle zu Hause seien, würde jeder mithelfen, den Alltag zu stemmen. Doch offenbar ist das Gegenteil der Fall, das zeigt eine aktuelle Studie des Marktforschungsunternehmens Ipsos. So gaben in der Umfrage 69 Prozent der Frauen an, den Haushalt zu versorgen, hingegen lediglich 11 Prozent der Männer. Ähnliche Ergebnisse liegen zur Kinderbetreuung und zum Homeschooling vor. Mehr als 50 Prozent der Frauen fühlen sich dafür verantwortlich, nur etwa 15 Prozent der Männer.
Nun könne man vielleicht noch mutmaßen, ob Frauen eher zugeben, dass sie an ihre Grenzen kommen, so Prof. Bertolt Meyer. Fakt aber sei, im Vergleich zu Daten aus der Zeit vor der Corona-Pandemie gaben die meisten weiblichen Probanden ein doppeltes Maß an empfundener Belastung an.
Kraftraubender Frühjahrs-Lockdown
Die Ergebnisse der Studie hätten gezeigt, dass bereits nach dem Frühjahrs-Lockdown "der Tank leer, die Nadel im roten Bereich" gewesen sei, so Meyer. Ist es einmal so weit, ist es schwer, wieder auf die Beine zu kommen. Am besten sei, mit den Kräften so lange gut zu haushalten, wie es eben möglich ist, rät er. Dem ständigen Soll auch wieder ein Haben entgegensetzen – wie geht das?
Mehr Eigenverantwortung im Beruf, nein sagen, Pausen machen
Prof. Bertolt Meyer und sein Team sehen in ihrer Studie Indizien dafür, dass die psychische Belastung durch den Lockdown abgefedert werden konnte, wenn Arbeitnehmer ihre Aufgaben weitgehend selbstbestimmt erledigen konnten. Hier sehen die Wissenschaftler durchaus Potential in der Kommunikationskultur:
Einfach mal sagen, wenn es zu viel wird. Sich mehr Zeit einräumen, wenn die Qualität stimmen soll. Den Druck rausnehmen und damit für psychische Entlastung sorgen.
Auch regelmäßige Pausen können helfen. Aller 60 Minuten mindestens fünf Minuten lang etwas ganz anderes zu machen, empfiehlt Bertolt Meyer. Ein jeder von uns verfüge nur über ein begrenztes Maß an Kraft und sei diese erst einmal völlig ausgeschöpft, sei es umso schwerer, wieder auf die Beine zu kommen.
Füreinander da sein
Glücklich kann sich schätzen, wer über einen stabilen Rückhalt, über Ressourcen verfügt, um solch einer Krise zu begegnen. Familiärer Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung, Freundschaften und soziale sowie wirtschaftliche Sicherheit liefern die nötige Energie. Aber auch schöne Erlebnisse wie auszugehen, Kultur zu erleben und auch mal mehr als nur zwei Freunde zu treffen, hilft der Seele durch schwierige Zeiten. Doch genau das ist derzeit schwierig und Teil eines Teufelskreises.
Vielleicht sollten wir wieder mehr über das Wort Solidarität nachdenken und denen helfen, die Hilfe brauchen.
So gibt Bertolt Meyer es aus privater Sicht zu bedenken. Vor allem diejenigen, die mit Existenzängsten zu kämpfen haben und kein stabiles familiäres Umfeld haben, stünden im Lockdown auf dünnem Eis. Sie hätten eben keine großen Ressourcen, um der Krise zu begegnen. Ein Patentrezept dafür, wie man besonders die Frauen unterstützen könne, die psychisch am Lockdown stark zu tragen haben, besonders wenn sie im Homeoffice arbeiten und zugleich Kinder betreuen, gebe es leider nicht. Aber Optionen, über die man nachdenken könne.
Vielleicht könne man zuerst die Kinder in die Schulen und Kindertagesstätten zurückholen, deren Eltern den Alltag nicht mehr bewältigten können. Vielleicht sei auch ein staatlicher Babysitterdienst denkbar, nicht flächendeckend, aber stundenweise, da wo Not am Mann ist. Und nicht zu vergessen: Das bisschen Haushalt macht sich eben doch nicht von allein, und so ist jede Hilfe willkommen.
Link zur Studie
Die Studie „Employee psychological well‐being during the COVID‐19 pandemic in Germany: A longitudinal study of demands, resources, and exhaustion“ wurde in einem Sonderheft zu den psychologischen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie des International Journal of Psychology veröffentlicht und ist dort frei zugänglich.
Amelia Freifrau von Hof am 28.02.2021
@nicht vergessen
JETZT kommen wir gerade an den Punkt, wo es eben nicht mehr ausreicht den Ernährer zu geben wie es Jahrzehnte lang Usus war. JETZT sind Schulen und Kitas geschlossen - die eigentliche Ursache, dass Frauen arbeiten gehen können. Jetzt sollten die Papas sich wieder nicht nur verbal beteiligen, damit es in der Familie weiter laufen kann. Ich finde, egal ob Ost oder West, den Verzicht haben die Frauen schon ganz gut drauf. Jetzt dürfen auch die Papas ihr Jogging nach der Arbeit vielleicht mal auf die Zeit verlegen, wenn die Zwerge im Bett sind, der Trockner ausgeräumt, die Wäsche gefaltet im Schrank liegt und die Küche wieder aufgeräumt ist. Nicht alle Mütter sind Barbies und heulen, wenn die Gelnägel nicht mehr hübsch sind ;-)
Amelia Freifrau von Hof am 27.02.2021
..."alle 60 min mindestens 5 min Pause einlegen." Das klingt sehr absurd in einer Situation, wo man zwischen Videokonferenz, Homeschooling, Mittagessen zubereiten (aber bitte selbst gemacht und gesund) und ein "wenig" Haushalt die dritte kalte Tasse Kaffee ins Spülbecken kippt. Der Abgabetermin des Berichts rückt näher und näher, aber die Kleinen wollen jetzt nicht mehr miteinander spielen, denn sie haben gerade den unbändigen Drang nach Draußen zu gehen. ....
Jungs, helft euren Mädels, nehmt sie in die Arme, tragt den Müll runter, so, wie ihr es versprochen habt. Klasse wäre es, wenn ihr dann gleich noch auf dem Heimweg von der Arbeit den Einkauf mitbringen könntet. Schnappt euch die Kids und gönnt eurer Süßen dadurch eine Stunde Pause. Es ist so einfach.... Für alle Homeofficepapas:
Wechselt euch ab, wer im Büro arbeiten darf und wer im Essbereich sein Notebook aufbaut.
Dann braucht es auch keine Haushaltshilfen oder Familienhelfer*innen. 14 Stunden ohne Pause sind für JEDEn übel.
nicht vergessen am 27.02.2021
Wenn man das richtige Alter hat funktioniert es.,das Pensum das die Ostfrauen ,vor allen auf dem Land, geleistet haben ,Arbeit Kinder Landwirtschaft ,ist für die Barbiegeneration ,ein Greuel.
Und selbst dabei ging es und gut. Wenn ich daran denke was meine Großeltern leisten mußten die ZWEi Kriege durchlebt haben ,Frage ich mich warum hier gestöht wird. Was hier fehlt ist der Wille zur Leistung und die Bereitschaft auf Verzicht .
Euch geht es einfach zu gut.