Sars-CoV-2 Long Covid bei Kindern: Viele Fragen offen
Hauptinhalt
28. Juli 2021, 14:10 Uhr
Ist Corona für Kinder doch gefährlicher als angenommen, weil auch asymptomatische Infektionen monatelange Folgen haben? Oder sind Schulschließungen und Co. für Müdigkeit und Konzentrationsprobleme verantwortlich?
Wie groß ist die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 an einem Long Covid-Syndrom erkranken? Wie viele von ihnen leiden auch nach einem milden Verlauf plötzlich vier oder acht Wochen oder sogar noch länger an anhaltenden Symptomen wie Abgeschlagenheit, Konzentrationsprobleme oder Muskelschmerzen? Diese Fragen treiben derzeit viele Eltern mit Blick auf das kommende Schuljahr und die Frage um, ob sich zumindest die Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren doch impfen lassen sollten. (Bislang empfiehlt die Ständige Impfkommission in Deutschland eine solche Impfung nur für Jugendliche mit Vorerkrankungen – aus Vorsicht vor potenziellen Nebenwirkungen.)
Viele Wissenschaftler suchen daher nach Antworten in Bezug auf das Long-Covid-Risiko für Kinder, kämpfen aber mit verschiedenen Problemen, wie aktuell das Magazin nature berichtet.
Long-Covid bei zehn Prozent aller Kinder?
Viel Beunruhigung hatte die Studie von Danilo Buonsenso, Kinderarzt an der Uniklinik in Rom ausgelöst, die im Mai in der Fachzeitschrift Acta Paediatrica erschienen war. Buonsenso und Kollegen hatten zwischen März und November 2020 129 an Covid-19 erkrankte Kinder im Alter von sechs bis 16 Jahren zu Post-Covid-Symptomen befragt, darunter Schlafstörungen, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen oder Erkältungssymptome. Mehr als ein Drittel berichtete noch nach vier Monaten über zwei, ein weiteres Viertel über drei oder mehr Symptome.
Statistiken aus England schienen zu bestätigen, dass rund zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen bis 16 Jahren fünf Wochen nach der Diagnose noch mindestens ein Symptom erlebten. In Russland hätten Kinderärzte beobachtet, dass jedes Vierte im Krankenhaus behandelte Kind fünf Monate nach der Entlassung noch Symptome hatte, so die Autorin des Beitrags in nature.
Long-Pandemie statt Long-Covid
Eine Gegenposition nehmen hier der Kinderarzt Jakob Armann und sein Team von der Dresdner Uniklinik ein. Sie hatten Blutproben bei rund 1.600 Schülern an Oberschulen und Gymnasien in Ostsachsen genommen und sie auf Antikörper gegen Sars-CoV-2 untersucht, um den Anteil der Schüler bestimmen zu können, die mit dem Virus infiziert waren. Rund zwölf Prozent hatten das Virus demnach bereits gehabt. Allerdings berichteten 35 Prozent aller Schüler – sowohl von denen mit als auch ohne Antikörper – von Symptomen wie Antriebslosigkeit, Angespanntheit, Müdigkeit, Konzentrationsproblemen und Muskelschmerzen.
Armann schließt, dass als Ursache neben dem Virus auch die langanhaltenden Pandemie-Maßnahmen wie geschlossene Schulen und Freizeiteinrichtungen sowie Kontaktbeschränkungen für die Kinder in Frage kommen. Er schätzt, weit weniger als zehn Prozent der Kinder seien wirklich von langanhaltenden Folgen der Virusinfektion betroffen.
Wenige Prozente mit Long Covid
Auch Epidemiologe Thomas Radtke und Kollegen von der Universität Zürich haben bei ihrer Untersuchung nur einen geringen Prozentsatz von Kindern gefunden, die nach einer Infektion über Long Covid-Symptome berichteten. Das Team hatte zwischen Juni 2020 und April 2021 in drei Phasen an 55 zufällig ausgewählten Schulen in der Schweiz Blutproben genommen und nach Antikörpern gesucht. In der bereinigten Stichprobe blieben schließlich 109 Kinder mit Antikörpern und 1.246 ohne übrig.
Rund vier Prozent der Kinder mit Antikörpern berichteten über mindestens ein Symptom, das zwölf Wochen und länger andauerte. Bei den Kindern ohne Antikörper waren es zwei Prozent. Zu den Symptomen zählten hier Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und ein verstärktes Bedürfnis nach Schlaf.
Grundproblem: Keine klaren Diagnosekriteiren
Ein grundsätzliches Problem sei laut nature, dass es an klaren Diagnosekriterien für Long Covid fehle. Welche Symptome gehören wirklich dazu und lassen sich auf das Virus zurückführen? Welche Tests liefern hier eindeutige Ergebnisse? Hier seien in den kommenden Monaten weitere Studien notwendig.
(ens)
Quellen
- [1] Lewis: Long COVID and kids: scientists race to find answers, nature
- [2] Buonsenso: Preliminary evidence on long COVID in children, Acta Paediatrica
- [3] Blankenburg, Armann et.al.: Mental health of Adolescents in the Pandemic: Long-COVID19 or Long-Pandemic Syndrome? Preprint
- [4] Radtke et.al: Long-term Symptoms After SARS-CoV-2 Infection in Children and Adolescents, JAMA,
Antimon am 23.08.2021
Wie immer seriös und fundiert. Nur eines ist mir aufgefallen: Im Text wird von einem „geringen Prozentsatz“ von Kindern mit LongCovid gesprochen, etwa 4%. „Gering“ suggeriert dabei für mein Verständnis ein seltenes Ereignis. Tatsächlich wird eine Nebenwirkung, die bei einem Medikament mit einer Wahrscheinlichkeit von 4% auftritt, als „häufig“ klassifiziert.
Taf73 am 17.07.2021
Liebes MDR-Team, hier muss ich euch heute mal ausdrücklich loben, beide Studien gegenübergestellt, sehr vorbildlich :).