Silbersalz 2023 Showdebatte "Weltall vs. Tiefsee“ 91 min
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Silbersalz 23 – Tag 4 Weltraum vs. Tiefsee: Die Battle der Giganten auf dem diesjährigen Silbersalz

30. Oktober 2023, 14:11 Uhr

Sind Sie eher Team Weltraum oder Team Tiefsee? Und wer von beiden wird die nächste bahnbrechende Entdeckung machen? Auf dem Silbersalz Science & Media Festival 23 konnte das Publikum entscheiden, welche Gruppe bessere Argumente hat. Sechs Expertinnen und Experten sind in zwei Teams gegeneinander angetreten und es wurde vor allem eins: witzig!

Der vierte Tag vom Silbersalz Science & Media Festival 23 ist vorbei. In der voll besetzten Leopoldina in Halle (Saale) warben sechs Forschende in zwei Teams für ihr Fachgebiet: Team Weltraum gegen Team Tiefsee. Es wurde Wissen ausgetauscht, es gab den ein oder anderen Lacher und das Publikum durfte die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Fragen löchern. 

Teilnehmer beim Silbersalz-Festival in Halle.
Der volle große Saal in der Leopoldina beim Silbersalz-Festival 2023 in Halle. Bildrechte: MDR/Patrick Klapetz

Das Anfangsplädoyer hielt Antje Boetius, die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts: "70 Prozent der Erde ist von Wasser bedeckt, im Durchschnitt 3,8 Kilometer tief. Dieses Wasser nimmt 93 Prozent der Wärme auf und verteilt sie um, damit es überall auf der Erde Leben gibt. Der Ozean macht 90 Prozent des belebten Raums auf der Erde aus. Das Leben entstand dort unten. Wir wissen nur nicht genau, wie."

Das Battle zwischen Team Tiefsee und Team Raumfahrt hat begonnen

Und, ganz im Sinne der Battle, konnte sie sich eine kleine Spitze natürlich nicht verkneifen: "Wenn Astronauten ein bisschen mehr Zeit haben, dann gehen sie dorthin, wo das große Abenteuer ist, nämlich in die Tiefsee!" Dem Publikum hat es gefallen und freudiges Lachen war im Saal zu hören. 

Schwer, gegen anzukommen. Zunächst erklärte der deutsche Esa-Astronaut Matthias Maurer, warum die Raumfahrt notwendig ist: "Die Raumfahrt liefert uns 80 Prozent aller Daten, die wir zum Verständnis des Klimawandels benötigen." Naturkatastrophen könnten durch Satelliten erkannt werden und dies helfe den Entscheidungsträgern, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. 

Durch Navigationssatelliten könnten wir nicht nur von einem zum anderen Ort gelangen. Sie geben uns ein Zeitsignal, das die gesamte Welt miteinander vernetze, und ohne dieses könnte man beispielsweise kein Geld mehr von der Bank abheben. Und lachend ergänzte er: "Ohne dies wird die Deutsche Bahn nicht noch pünktlicher – oder unpünktlicher sein".

Teilnehmer beim Silbersalz-Festival in Halle.
Matthias Maurer und Volker Schmid vom Team Weltraum. Bildrechte: MDR/Patrick Klapetz

Ganz so "kampflustig" wie das Team Tiefsee ist der Astronaut dann doch nicht: "Der Blick von außen verändert uns Astronauten. Wir erkennen, dass all dies, was hier unten auf der Erde passiert, nur ganzheitlich zu sehen ist. Es kann nicht nur die Raumfahrt oder die Weltmeere sein. Es muss alles zusammen sein." 

Weltraumforscher benötigten das Wissen aus der Tiefsee auch für ihre Forschung im All – besonders für Reisen zum Mars. Denn in der Tiefsee altern Lebewesen langsamer und das Wissen dazu würde bei einer Reise von 500 Tagen sehr hilfreich sein. "Du bist zu nett, Matthias!", beschwerte sich Boetius und erntete die nächsten Lacher.

Die Suche nach Leben in fremden Ozeanwelten, im Sonnensystem und auf der Erde

Die Geo- und Weltraumwissenschaftlerin Lena Noack entführte das Publikum zu den Jupitermonden wie Europa und dem Saturnmond Enceladus. "Da gibt nämlich Ozeane, da kann man ganz viel Tiefsee erforschen", stichelt sie in Richtung der Tiefseeforscher. Außerdem erklärte sie, wie man mögliches Leben außerhalb des Sonnensystems finden kann.

"Jetzt bring ich euch zu etwas zurück, was wirklich existiert", nimmt Colin Devey vom Team Tiefsee die Vorlage Noacks auf. Durch die Plattentektonik auf der Erde würden die Lebensräume erzeugt, die wir auf der Erde finden. Diese sei für die Entstehung von Leben "absolut wichtig", sagt Devey. Er untersucht die Dynamik des Ozeanbodens sowie hydrothermale und magmatische Systeme. 

Dann überrascht er: "Man nennt uns auch Ozeanforscher. Ich hasse den Ozean! Das Zeug ist im Weg, weil: Ich will den Meeresboden untersuchen." Da mussten selbst seine Teamkolleginnen lachen. Sein Einwand ist verständlich, denn um den Meeresboden zu untersuchen, benötigt es Sonar-Geräte. Dennoch, oder vielleicht deshalb sind über 80 Prozent der Weltmeere unerforscht. Planetenerforschung ist gut, "aber zu Hause anfangen", fordert er. 

Aber warum ist es so schwer, die Meeresböden zu erforschen, wollte Maurer wissen. "Es ist dieses blöde Wasser", antwortet Devey. Es gibt Methoden, doch diese liefern keine eindeutigen Antworten. Man muss tatsächlich dort hinunter. "Und weshalb wir das bisher nicht gemacht haben: Wenn wir eure Budgets hätten …" Der Beifall war auf der Seite der Tiefseeforscher.  

Zeit für großes Leben und weite Reisen

Dann war die Ökosystem- und Fischereiwissenschaftlerin Helena Herr an der Reihe: "Wale sind die größten Lebewesen, die je auf der Erde gelebt haben … ich sollte sagen: im Sonnensystem und darüber hinaus. Wale werden 33 Meter lang, 120 Tonnen schwer, Walkälber kommen schon mit sieben bis acht Meter auf die Welt …" Schwer fällt es Herr nicht, das Publikum auf ihre Seite zu holen. 

Sie wirft aber auch ein: "Warum Wale, wenn es hier eine Tiefsee-Debatte ist? Silbersalz hat mir versichert: Na ja, genau genommen ist die ISS ja auch nicht im Weltall." Dem Publikum gefällts und zum nächsten Hinweis an das Team Weltall ist es nicht weit: Um den Wanderweg der Wale nachzuverfolgen, nutzten sie nämlich die Forschung aus dem Weltraum als Dienstleistung. 

Letztendlich geht es immer um Forschung. "Dort, wo wir arbeiten, ist es dunkel. Unser Job ist es: Licht hereinzubringen, zu lernen, zu entdecken, zu forschen", verdeutlicht der Raumfahrtingenieur Volker Schmid vom DLR in seiner Rede. 

"Wir brauchen neue Antriebe. Mit Raketen kann man zum Mars fliegen. Das kostet Zeit und wir müssen vieles noch erforschen. Wir brauchen viel elektrischen Strom für Schutzschild-Technologien – die haben wir nicht." Wir werden da möglicherweise nicht ohne nukleare Energiequelle hinkommen." 70 Prozent der Explorationskosten machen den Transport aus. Nuleare Antriebe oder das Starship von SpaceX könnte laut Schmid ein Gamechanger werden. 

Wissbegieriges Publikum

Bei der anschließenden Fragerunde des Publikums ging es beispielsweise um Ressourcen-Gewinnung auf dem Mond und der Tiefsee. Boetius konnte hier noch einmal punkten: "Wale wurden früher als Raketenschmiermittel genutzt. Ihr schuldet uns also noch was."

Silbersalz-Festival in Halle.
Die Fragerunde des Publikums bei der Debatte: Weltraum vs. Tiefsee. Bildrechte: MDR/Patrick Klapetz

Eines der anwesenden Kinder wollte wissen, warum Wale so tief tauchen können, wir Menschen aber von dem Wasserdruck zerquetscht würden. "Ein Problem ist, dass wir Menschen nicht mit unserem eigenen Luftvorrat auskommen und mit Pressluft heruntergehen", so Herr. "Wale haben da ganz, ganz viele Anpassungen. Sie haben eine Lunge, die kollabieren kann und danach wieder auseinandergeht, sie haben verschiedene Möglichkeiten Sauerstoff zu speichern ...". Zerquetscht würde letztendlich nur alles mit Luftröhren - was bei den Walen mit ihrer angepassten Lunge eben nicht passiere. 

Teilnehmer beim Silbersalz-Festival in Halle.
Unentschieden! Sowohl Team Tiefsee als auch Team Weltraum haben gewonnen. Bildrechte: MDR/Patrick Klapetz

Abschließend wollte das Team Tiefsee vom Weltraumteam wissen, was sie machen würden, wenn sie als Astronauten einem Wal im All begegnen würden. "Wir würden feiern, den Champagner aufmachen", freut sich Noack und mit ihr auch das Publikum. Die Veranstaltung endete mit einem klaren Unentschieden für beide Teams – dank Applausometer. 

MDR WISSEN hat die Veranstaltung gestreamt:

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