Scholz löst mit Mindestlohnforderung von 15 Euro Debatte aus
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14. Mai 2024, 21:02 Uhr
Der Vorstoß von Bundeskanzler Olaf Scholz für eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro stößt bei Ökonomen und in der Politik auf wenig Gegenliebe. Ein Kieler Wirtschaftsexperte zweifelt an einem "armutsfesten" Mindestlohn. CDU/CSU verweisen auf die Verantwortlichkeit der Mindestlohnkommission.
- Scholz fordert eine Anhebung des Mindestlohn und kritisiert die Mindestlohnkommission
- Wirtschaftsexperte bezweifelt "armutsfesten" Mindestlohn
- Kritik am Vorstoß des Bundeskanzlers kommt vom politischen Partner FDP und aus der Opposition
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich für eine Erhöhung des Mindestlohns auf schrittweise 15 Euro in Deutschland ausgesprochen. Damit löste der SPD-Politiker teils heftige Kritik beim Koalitionspartner FDP, der oppositionellen Union und Deutschlands Arbeitgebern aus. Gewerkschaften und Sozialverbänden begrüßten die Ankündigung.
"Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben", sagte Scholz dem Wochenmagazin "Stern". Gleichzeitig übte er Kritik an der Mindestlohnkommission. "Die Arbeitgeber haben nur auf einer Mini-Anpassung beharrt." Außerdem hätten sie mit der Tradition gebrochen, einvernehmlich zu entscheiden. "Das war ein Tabubruch", sagte Scholz. "Die Kommission sollte zu einem einheitlichen Verfahren zurückkehren." Aktuell ist vorgesehen, den Mindestlohn im kommenden Jahr von derzeit 12,41 Euro auf 12,82 Euro anzuheben.
Zweifel an "armutsfestem" Mindestlohn
Ökonomen kritisieren die von Scholz angestoßene Diskussion. Der Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, sprach von einer fortlaufenden statt beendeten Politisierung durch die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro im Oktober. "Ein nach politischer Opportunität geführter Überbietungswettlauf im Wahlkampf wird der Rolle des Lohnes als Preissignal auf dem Arbeitsmarkt nicht gerecht, und die Tarifautonomie wird weiter zurückgedrängt", sagte er.
Die Argumente gegen den Mindestlohn würden weiterhin schwer wiegen. "Insbesondere ist er als sozialpolitisches Instrument zu wenig zielgenau", sagte Kooths. Längst nicht alle Mindestlohnbezieher seien bedürftig. Ein "armutsfester" Mindestlohn bleibe daher eine Schimäre.
Die Argumentation, die Mindestlohnregulierung hätte bislang keine negativen Arbeitsmarkteffekte gezeitigt, sei so nicht haltbar. "Etwa die Hälfte der hierzu vorliegenden Studien zeigt Beschäftigungseinbußen, wobei die Bandbreite groß ist und bis zu 260.000 Stellen reicht", sagte Kooths. Hinzu kämen noch negative Effekte durch die Arbeitsreduzierung.
FDP weist Mindestlohn-Vorstoß zurück
Aus der FDP wird auf die Aufgabe der Mindestlohnkommission verwiesen. Fraktionsvorsitzender Christian Dürr unterstrich die Kommission als entscheidendes Gremium, das auf Basis von Daten entscheiden müsse. "Wir sind richtigerweise in einer sozialen Marktwirtschaft und nicht Planwirtschaft. Und deswegen halte ich es für richtig, dass die Mindestlohnkommission das Ganze macht, und dass das Ganze kein politischer Spielball wird", sagte er.
Deutliche Kritik kam auch aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. "Die richtige Lohnfindung ist keine Aufgabe der Politik, sondern der Tarifpartner", sagte ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei. Wenn man das Gefühl habe, dass in der Mindestlohnkommission keine sachgerechten Lösungen herauskämen, dann könne man gegebenenfalls über eine Anpassung der Mechanismen nachdenken. "Was aber mit Sicherheit nicht funktioniert, ist, dass man regelmäßig den Mindestlohn politisch, sozusagen im luftleeren Raum festlegt."
Der Mindestlohn war im Oktober 2022 auf Basis einer politischen Entscheidung auf zwölf Euro pro Stunde angehoben worden. Anschließend sollte wieder wie gehabt die Mindestlohnkommission jährlich über weitere Erhöhungen entscheiden. Für 2024 und 2025 beschloss sie jeweils eine Anhebung um 41 Cent, wobei die Arbeitnehmervertreter von der Arbeitgeberseite überstimmt wurden.
Zustimmung von SPD und Grünen
Rückendeckung erhält Scholz von seiner eigenen Partei und den Grünen. Die Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Schmidt bezeichnete den Vorstoß des Kanzlers als "absolut richtig". "Die Anpassung des Mindestlohns in diesem und im nächsten Jahr ist viel zu niedrig angesichts der Belastungen der Beschäftigten", erklärte sie. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, sprach sich dafür aus, die Debatte "auch offensiv" zu führen und unterstützte den Vorschlag des Kanzlers.
Die Linke vermutet hinter der Forderung von Scholz hingegen ein wahlkampftaktisches Manöver. "Scholz kann als Kanzler mehr tun, als nur mediale Forderungen zu erheben. Er hat die Möglichkeit, diesen Schritt auch zu vollziehen", sagte Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Gruppe die Linke im Bundestag.
Wie die Mindestlohnkommission arbeitet
Die Mindestlohnkommission besteht nach eigenen Angaben aus einem oder einer Vorsitzenden, zwei beratenden Mitgliedern aus der Wissenschaft sowie sechs stimmberechtigten ständigen Mitgliedern - jeweils drei von ihnen sind der Arbeitnehmerseite und der Arbeitgeberseite zuzuordnen. Die Kommission wird alle fünf Jahre neu berufen.
Die Beschlüsse der Kommission werden durch die anwesenden stimmberechtigten Mitglieder gefasst (vier oder mehr). Eine einfache Mehrheit reicht aus. Die beratenden Mitglieder sind nicht stimmberechtigt. Die Stimme des Vorsitzenden kommt nur zum Einsatz, wenn sein oder ihr Vermittlungsvorschlag im Falle einer fehlenden Stimmenmehrheit fehlgeschlagen ist. In einer Patt-Situation kommt der Stimme des Vorsitzes somit das entscheidende Gewicht zu.
dpa, Reuters, afp (lik)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 14. Mai 2024 | 13:31 Uhr