Regionalwirtschaft Das stille Sterben kleiner Bio-Läden in der Lausitz

28. Januar 2024, 06:00 Uhr

In Kottmar in der Lausitz wirft ein Familienbetrieb nach mehr als 70 Jahren bestehen das Handtuch. Die Eibauer Biogärtnerei samt Ladengeschäft schließt im März. Sie ist kein Einzelfall, wie Recherchen von MDR SACHSEN zeigen.

Nach einem dreiviertel Jahrhundert geht die Geschichte des Gartenbaubetriebes Sachse zu Ende, sagt die jetzige Inhaberin Carola Zinner und hat dabei Tränen in den Augen. "Diese Entscheidung war mit Sicherheit die schwierigste. Wir haben sie uns alles andere als leicht gemacht." Es gebe aufgrund der wirtschaftlichen Situation keinen Spielraum mehr für einen Weiterbetrieb, konstatiert die Oberlausitzerin.

Bereits mehrfach war der Familienbetrieb in Eibau in schwere Fahrwasser geraten, nachdem 1950 die Gärtnerei in Walddorf am Kottmar gegründet worden war.

Stammkundschaft reicht nicht zum Überleben

Der Gärtnerfamilie war es gelungen, eigenständig zu bleiben und die sozialistische Zwangskollektivierung in der DDR zu verhindern. 1971 wurde in Eibau die erste Verkaufsstelle unter dem Namen "Sachses Blumen-Häusel" eröffnet. Auch in der Zeit der politischen Wende sowie danach hatte es der Gartenbaubetrieb wirtschaftlich nicht einfach, erinnert sich die jetzige Inhaberin. Dank treuer Kunden und viel Optimismus sei auch der Start in die Marktwirtschaft gelungen. Am Ortseingang in Eibau bei Walddorf entstand ein modernes Geschäft mit viel Glas.

Selbst in Dresden wurde zeitweise eine Filiale eröffnet. Immer wieder habe die Gärtnerfamilie versucht, mit neuen Angeboten wie Ernährungs- und Gesundheitsberatung, am Puls der Zeit zu sein. Doch auf dem Land tickten die Menschen offenbar anders.

     

"Leider konnten wir in den vergangenen Jahren neben der Stammkundschaft keine weiteren Kundinnen oder Kunden gewinnen", bilanziert Carola Zinner. Sie hatte gemeinsam mit ihrem Mann vor 13 Jahren begonnen, eine gesunde, ökologische Ernährungsweise mit regionalen Lebensmitteln als Vollsortiment mit kurzen Transportwegen in der südlichen Oberlausitz zu etablieren. Doch dann kam für die Oberlausitzer der schlimmste Fall.

Von einem auf den anderen Tag blieb die Laufkundschaft aus: "Gegen die maßgeblich durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Inflation und die dadurch abermals zurückhaltende Kaufbereitschaft, aber auch gegen das veränderte Kaufverhalten und die wachsende Konkurrenz durch neue Supermärkte und Discounter sind wir machtlos", fasst Ehemann Olaf Zinner die Probleme zusammen.

Gestiegene Kosten erschweren das Überleben

Die Gärtner hatten in den vergangenen Jahren immer stärker auf den Handel gesetzt als auf ihre Gärtnerei. Die Anbaufläche von einem Hektar sei zu klein und die Bodenqualität zu schlecht, um langfristig ein Überleben sichern zu können, sagt die Betriebschefin und verweist auf die extrem gestiegenen Energiekosten. Ja, Anwohner hätten sich bereits über nicht genutzte Gewächshäuser gewundert.

Die Probleme der Eibauer kennt auch die Gärtnerei Dienel in Herrnhut. Dort führt der Familienbetrieb aus dem benachbarten Berthelsdorf ein Ladengeschäft. "Eigentlich müssten wir in diesen Tagen mit dem Heizen beginnen, um das Frühjahrsangebot sicherstellen zu können", sagt Kistina Dienel. "Aber wir zögern aufgrund der hohen Kosten noch."

Um ihren Familienbetrieb zu erhalten, musste sie in den vergangenen Monaten die Mitarbeiter entlassen. "Wir gönnen jedem auch den erhöhten Mindestlohn. Aber aufgrund der gestiegenen Kosten können wir ihn einfach nicht mehr für jeden Mitarbeiter erwirtschaften", meint Kristina Dienel. Weiterhin verzichten die Gartenbauer mittlerweile auch auf das Bio-Label - das sei zu teuer und aufwändig für sie. Aber der Familienbetrieb setzt weiterhin auf Naturkost, ökologische Landwirtschaft und auf fair erzeugte Produkte.

Die Talsohle ist durchschritten

Die Zurückhaltung und das Preisbewusstsein der Käufer spürt auch der Gärtnereibetrieb Dienel in Herrnhut. Dazu komme die wachsende Konkurrenz durch Discounter nebenan, die ihr Bio-Sortiment ständig erweitern. Die Dienels setzen deshalb nicht nur auf ihren Laden, sondern auch auf Präsenz auf Wochenmärkten und auf ihren Lieferservice. "Das wird gerne angenommen", erzählt die Gärtnerin und gibt sich optimistisch. Kundenbindung sei auch durch Transparenz mit dem Blick in ihre Gärtnerei zu schaffen.

Das Aus für den Bio-Laden in Eibau ist kein Einzelfall. Auch in Neugersdorf schlossen sich bereits Ladentüren. Das Sterben von kleinen Geschäften findet derzeit bundesweit statt und ist mit dem Sterben der "Tante Emma Läden" vergleichbar, erklärt Michael Bauer vom Biobahnhof in Görlitz.

In und um Dresden wurden ebenfalls Bio-Geschäfte geschlossen, beispielsweise im Hauptbahnhof. Trotzdem will der Görlitzer nicht klagen: "Ich glaube, die Talsohle haben wir durchschritten. Wir registrieren hier in unserem Geschäft wieder leichten Zuwachs."

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 26. Januar 2024 | 12:30 Uhr

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