Ein Mann lächelt in die Kamera.
Konrad Zahn ist nicht nur Malermeister, sondern ist auch Vorstandsmitglied der Kreishandwerkerschaft Elbe Börde. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Wertschätzung für das Handwerk Ausbilder: "Ein Handwerker ist genau so viel wert wie ein Bank-Angestellter"

11. September 2023, 04:44 Uhr

Mehr als 50 Azubis hat Malermeister Konrad Zahn seit 1975 in seinem Betrieb ausgebildet. Damals hat er mehr junge Leute ausgebildet, als er überhaupt gebraucht hat. Das Interesse war groß. Knapp 50 Jahre später ist das schon ganz anders: Die Motivation, einen Handwerksberuf zu lernen, schwindet. Das Interesse ist kaum mehr da. Konrad Zahn erzählt über seine Erfahrungen und Wünsche.

In seinem Büro in Gommern sind die Wände kunterbunt. Nicht etwa, weil Farbe die Wände verzieren, sondern hier Rechnungen, Kalender, Postkarten und große Urkunden die Wände fast vollständig verdecken. Mittendrin sitzt Malermeister Konrad Zahn.

Der 72-Jährige hat in seinem Betrieb mehr als 50 Azubis ausgebildet. Dass das Interesse für einen Handwerksberuf sinkt, hat er über Jahrzehnte schleichend miterlebt. Doch nicht nur das: Auch die Motivation der Azubis schwinde immer mehr, sagt er.

MDR SACHSEN-ANHALT: Herr Zahn, seit 1975 bilden Sie Azubis in Ihrem Malerbetrieb aus. Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Motivation der Auszubildenden über die Jahre verändert?

Konrad Zahn: Die Motivation der Auszubildenden von Mitte der 1970er-Jahre bis heute hat sich gewaltig verändert. Damals war die Ausbildung für die jungen Leute wichtig, sie wollten noch arbeiten. Da war es auch kein Problem, wenn sie mal sechs Tage in der Woche gearbeitet haben. Sie wollten einen Beruf erlernen.

Ein Mann sitzt an einem Schreibtisch in einem Büro.
Malermeister Konrad Zahn hat über 50 Azubis seit 1975 ausgebildet. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Heute sind viele junge Menschen durch die finanzielle Grundlage ihrer Eltern sicher. Jetzt ist wichtig: Viel Freizeit und viel Lebenszeit. Wenn Sie heute einen Ausbildenden fragen: 'Bitte, bleibt noch länger', das ist ganz schwierig. Früher sind die Auszubildenden, wenn die Berufsschulen nach vier Stunden zu Ende waren, anschließend zum Betrieb gekommen. Heute ist das schwer vermittelbar für die jungen Menschen.

Es gibt immer Berufsabbrecher oder Lehrlinge, die den Betrieb verlassen. Die sagen dann: 'Das ist nicht mein Ding, da habe ich keinen Bock drauf.' Das gab es in den 1970er Jahren und später nicht. Von den mehr als 50 Lehrlingen, die ich ausgebildet habe, sind fast alle in dem Beruf geblieben. Vier Lehrlinge sind heute selbständig, haben ihren Meister gemacht und einen selbständigen Malerbetrieb.

Was sollte Ihrer Meinung nach passieren, damit sich junge Menschen wieder für eine Ausbildung im Handwerk interessieren?

Da muss man in der Schule und bei den Eltern anfangen. Das Grundwissen von Mathematik, Physik und Chemie müssten besser vermittelt werden. Und man müsste den jungen Menschen beibringen, wie wichtig es ist, dass sie mit ihrem Beruf ihren Lebensunterhalt verdienen müssen.

Man sollte aber auch die finanziellen Reize erhöhen. Ganz schlimm ist es natürlich für die Berufsausbildung mit der Anhebung des Mindestlohns. Denn die Berufsanfänger haben weniger Geld als einer, der aus der Schule rauskommt. Wer als Hilfsarbeiter anfängt, hat mit dem Mindestlohn mehr Geld in der Tasche, als ein Lehrling, der eine Lehre beginnt. Das ist aus meiner Sicht keine gute Entscheidung.

Wer als Hilfsarbeiter anfängt, hat mit dem Mindestlohn mehr Geld in der Tasche, als ein Lehrling, der eine Lehre beginnt.

Konrad Zahn Malermeister aus Gommern

Warum ist so ein Mindestlohn für Azubis nicht drin, was würde das für den Ausbildungsbetrieb bedeuten?

Setzen wir mal bei 14 oder 15 Euro die Stunde an, und rechnen das mal hoch. Dann ist das eine Summe, die der Ausbildungsbetrieb erstmal finanzieren muss und die muss er auf die Kunden umlegen. Der muss aber auch bereit sein, die Leistung von dem Ausbildungsbetrieb zu bezahlen.

Ein Lehrling geht aber alle vier Wochen für zwei Wochen zur Schule. Dann kommt der Urlaub dazu. Der Lehrling ist etwa 30 bis 40 Prozent der Jahresarbeitszeit im Handwerksbetrieb. In dieser Zeit müsste er das verdienen, was er für die gesamte Jahresarbeitszeit an Lohn erhält.

Urkunden hängen an einer Wand.
Ehrenurkunden und Meisterbriefe zieren das Büro von Konrad Zahn. Er lebt für seinen Beruf und will das Handwerk wieder mehr ins Bewusstsein junger Menschen holen. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Durch den Fachkräftemangel spürt man jetzt schon, wie wichtig neue Azubis in den Handwerksbetrieben sind. Was bedeutet es denn für Sachsen-Anhalt, wenn da keiner nachrückt?

Weniger Azubis im Handwerk bedeutet für Sachsen-Anhalt, dass in den nächsten Jahren die Menschen länger auf ihre Handwerksleistungen warten müssen. Weniger Azubis bedeutet: weniger Handwerker.

Viele Handwerker, die vor zirka 30 bis 50 Jahren die Berufsausbildung begonnen haben, gehen zur Zeit in den wohlverdienten Ruhestand. Da haben wir aber noch über den Bedarf ausgebildet. Jetzt, wo weniger Auszubildende da sind, stehen folglich weniger Handwerker für das Abarbeiten der Wünsche der Bevölkerung zur Verfügung.

Wie war das, als Sie angefangen haben, auszubilden?

Wir haben zu der damaligen Zeit auch teilweise über den Bedarf ausgebildet. Damals waren es viel mehr Jugendliche, die ins Handwerk wollten. Die sind praktisch neben dem Facharbeiter hergelaufen und wir wussten, die bleiben nicht, weil man einen bestimmten Stamm an Mitarbeitern hatte. Man hat dennoch ausgebildet, weil die Bereitschaft und das Interesse für das Handwerk vorhanden waren.

Wenn wir nur Leute haben, die in den Büros arbeiten und keine die Dienstleistungen erfüllen wollen, wird es schwierig.

Konrad Zahn Malermeister aus Gommern

Ihren Malerbetrieb haben Sie an Ihren Sohn weitergeben können, sodass sie den Ruhestand einläuten können. Bei anderen sieht das leider nicht so rosig aus. Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Handwerks?

Wir versuchen natürlich, die jungen Leute wieder zurückzuholen. Die Wertschätzung des Handwerks ist aber nicht so da. Das Bewusstsein muss aber da sein, dass ein Handwerker in der Wertschöpfungskette bei den Menschen genauso viel wert ist, wie ein Mitarbeiter in einer Bank oder Versicherung, als Schulleiter, als Angestellter oder Beamter. Das wünsche ich mir.

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Denn wir leben in einer Symbiose. Nur gemeinsam, wenn wir uns alle ergänzen, hat die Gesellschaft ein Recht, weiterzubestehen. Wenn wir nur Leute haben, die in den Büros arbeiten und keine die Dienstleistungen erfüllen wollen, wird es schwierig.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Zahn.

Die Fragen stellten Maximilian Fürstenberg und Beatrix Heykeroth.

Das Thema bei FAKT IST!

Um den Fachkräftemangel im Handwerk sowie Ursachen und Lösungswege geht es am Montag (11. September 2023) auch bei "Fakt Ist" aus Magdeburg. Sehen Sie die Sendung ab 20:30 Uhr im Livestream auf mdr.de oder um 22:10 Uhr im MDR-Fernsehen.

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MDR (Maximilian Fürstenberg)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 11. September 2023 | 19:00 Uhr

8 Kommentare

Britta.Weber vor 33 Wochen

Denkschnecke, weil viele dann irgendetwas anderes machen- ich kenne da viele Beispiele aus dem Freundes- und Bekanntenkreis. Viele gesellschaftswissenschaftliche Studienrichtungen produzieren Absolventen ohne echtes Berufsbild in der Gesellschaft.

Erichs Rache vor 33 Wochen

@Britta.Weber

" und eine Schwemme von Absolventen, vor allem in Geisteswissenschaften, für die kein Bedarf in der Gesellschaft ist."

Aus welchem Pamphlet haben Sie denn diese Passage zitiert????

Anscheinend hat Ihnen der "Lehrermangel" noch nicht gereicht

Denkschnecke vor 33 Wochen

Wenn wir in den Geisteswissenschaften eine "Schwemme" über Bedarf hätten, müsste unter den Absolventen die Arbeitslosenquote über Gebühr hoch sein. Soweit ich in den Daten der Bundesanstalt für Arbeit sehe, ist sie mit unter 5% niedriger als in der Gesamtbevölkerung.

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