Reinhard Schramm
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Streit Jüdische Landesgemeinde verlässt Runden Tisch der Religionen in Erfurt

03. November 2023, 14:39 Uhr

Die Jüdische Landesgemeinde in Thüringen will den Runden Tisch der Religionen in Erfurt verlassen. Grund ist die Einladung der Organisatoren zu einem Treffen, bei dem nicht über den Angriff auf Israel gesprochen werden sollte. Der Vorsitzende der Gemeinde Reinhard Schramm forderte deshalb ein "Minimum an Mitgefühl".

Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, hat den Austritt der Gemeinde aus einer interreligiösen Gesprächsrunde erklärt. Als Begründung für diesen Schritt verwies Schramm in einem offenen Brief an die Dialog-Mitglieder am Donnerstagabend auf eine Einladungsmail des "Runden Tisches der Religionen Erfurt".

In dieser Mail heißt es: "Mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten soll daran erinnert werden, dass wir uns - wie beim ersten Treffen im Frühjahr beschlossen - NICHT mit internationaler Politik beschäftigen werden." Man wolle sich aber dafür einsetzen, dass die internationalen Konflikte nicht auf das städtische Miteinander übergriffen, hieß es.

Schramm fordert Minimum an Mitgefühl

"Wir hatten als bisher engagierte Teilnehmer am Runden Tisch der Religionen ein Minimum an Mitgefühl mit uns Juden erwartet", kritisierte Schramm in seinem Schreiben. Aus seiner Sicht werde in der Einladung ein Schweigen über die "Pogromverbrechen der Hamas" angeordnet, "statt Bestrafung oder Ausweisung der Straftäter zu fordern". Weiter schrieb er: "Die Jüdische Landesgemeinde Thüringen verlässt mit dem heutigen Tag den Runden Tisch der Religionen in Erfurt."

Einladungsautor hofft auf Verständigung

Der Sprecher des Runden Tisches, Eckehart Schmidt, der nach eigener Aussage die Einladungsmail allein verfasst hat, erklärte im Telefonat mit der "Deutschen Presse-Agentur", dass er mehr als überrascht von Schramms Reaktion sei und sich missverstanden fühle. "Ich möchte auf keinen Fall die abscheulichen Verbrechen der Hamas verschweigen", betonte Schmidt am Freitag.

Er sei nicht der Leiter des Runden Tisches und wolle keine Vorgaben machen. "Mein Punkt war nur, dass wir auf städtischer Ebene ein friedliches Miteinander haben." Er hoffe, dass Schramm den Austritt der Jüdischen Landesgemeinde überdenke und bei dem nächsten Treffen des Runden Tisches einfach den Vorschlag mache, dass sich der Dialogkreis doch mit dem Thema beschäftige.

Auch Gedenkstätten-Leiter reagiert

Auch der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, hat sich befremdet über die Formulierung in der Einladungsmail gezeigt. Er kenne die Hintergründe des Schreibens nicht, so Wagner in einer Reaktionsmail auf Schramms Brief. "Ich muss aber bekennen, dass ich die Aufforderung der Einladenden, sich am 16.11. nicht mit dem Massaker der Hamas zu beschäftigen (auch noch in großen Lettern), sehr irritierend und in keiner Weise nachvollziehbar finde."

Ein gemeinsames Zeichen der Solidarität und der Trauer wäre das Mindeste gewesen. Zum Massaker der Hamas als Thüringer zu schweigen, gehöre sich nicht und müsse von den Juden im Freistaat als Schlag ins Gesicht wahrgenommen werden, so Wagner.

Runder Tisch erst im Frühjahr gegründet

Der Runde Tisch der Religionen Erfurt war erst im April 2023 gegründet worden. Gemeindevertreter von mehr als zehn Erfurter Religionsgemeinschaften sind Mitglieder. Vertreten sind dort unter anderem Muslime, Christen und Buddhisten. "Und eigentlich auch die Jüdische Landesgemeinde - es wäre wirklich wichtig, dass sie mit am Tisch sitzt", sagte Schmidt.

Schramm: Verhältnis der Religionen unproblematisch

Erst vor wenigen Wochen noch, kurz nach dem Angriff der Hamas auf Israel, hatte auch Reinhard Schramm betont, wie wichtig der interreligiöse Dialog sei. Das Verhältnis der Religionen in Erfurt sei unproblematisch, hatte Schramm gesagt. In der Thüringischen Landeshauptstadt gebe es bereits seit 2015 einen interreligiösen Gesprächskreis und seit 2022 einen sogenannten Runden Tisch der Religionen.

Mehr zu den Folgen des Nahost-Konfliktes

MDR (dst)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 03. November 2023 | 13:00 Uhr

27 Kommentare

mensrea vor 28 Wochen

Ich habe es schon so oft gesagt und ich sage es immer wieder: Religionen machen mehr Ärger als sie wert sind. Wir als demokratische, republikanische Gesellschaft nehmen viel zu viel Rücksicht auf Befindlichkeiten imaginärer Entitäten. Wozu das führt sieht man am 7. Oktober und auf den "Pro-Palästina"-Demonstrationen. Massaker und dann die Relativierung desselben.

hinter-dem-Regenbogen vor 28 Wochen

@Wessi:___"antisemitischen Vergehen werden von Rechtsradikalen . . . "

Was wäre am Handeln der hiesigen Regierenden anders, wenn es die AFD nicht gäbe ?
Gäbe es dann keinen NahOst-Konflikt, der auch in Deutschland ausgetragen wird - oder haben nicht doch andere Kräfte daran mitgewirkt. ?

Übrigens ist es in Deutschland nicht unter Strafe gestellt, wenn man sich in negativer Form über das Christentum verbal hermacht.
Warum also wird bei den Religionen so ein Unterschied gemacht ?

Kommen Sie mir bitte jetzt nicht mit "Tätervolk" - Wenn doch - dann verweise ich vorsorglich schon mal auf die Begrifflichkeit eines "Opfervolks" und hier insbesondere auch auf die Bilder, die uns die Massenmedien tagtäglich zukommen lassen.

PS:
Einfach ist es jedenfalls nicht ,Täter und Opfer auseinander zu halten. Und genauso funktioniert der Krieg in einer modernen Welt.

Britta.Weber vor 28 Wochen

martin, bei den meisten Sprüchen ("Allahu Akbar", "From the river to the sea", "Juden ins Gas") , die auf den Pro-Palästinenserdemos gerufen wurden, braucht man keinen Übersetze, sondern eher eine mutigen Staatsanwalt. Auch die Flaggen (Taliban, IS) sind eindeutig.

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