Instabiles Gebäude Lutherkirche in Erfurt soll bei spektakulärer Rettungsaktion angehoben werden
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16. September 2023, 12:45 Uhr
Weil der Boden absackt, ist die Lutherkirche in der Magdeburger Allee in Erfurt seit anderthalb Jahren gesperrt. Mit einem Millionenprojekt soll sie gerettet werden. Doch auch dieses Vorhaben steht auf tönernen Füßen.
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Steht man vor der Erfurter Lutherkirche, wirkt alles ganz normal. Zum Vorschein kommen die vielen Risse in den Wänden erst auf der Rückseite des Gebäudes - doch da sind sie kaum zu übersehen. Vor knapp 100 Jahren wurde das Gotteshaus auf einer ehemaligen Kiesgrube errichtet.
Über die Beschaffenheit des Bodens in dieser Region wusste man Bescheid. "Unbeachtet blieb jedoch, dass unten eine sogenannten Ton-Mergel-Schicht ist, die bei Feuchtigkeit aufquillt und sich bei Trockenheit wieder zusammenzieht", erklärt Frank Rupprecht, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates. Genau diese Bewegungen verursachen die Risse und lassen das Gebäude immer instabiler werden. Durch Klimaveränderungen und den häufigen Wechsel von trockenen und feuchten Jahren würde sich das Problem zusätzlich verschlimmern.
Problem seit Jahrzehnten bekannt
Bereits Mitte der 1990er-Jahre habe man damit angefangen, die Rissbildung mit sogenannten Gipsmarken zu überwachen. "Als einige der Marken dann einrissen, war klar: Wir müssen jetzt was tun", erzählt Rupprecht. Das erste Baukonzept sah eine Unterspritzung des Fundaments mit einem speziellen Beton vor. Unter der besonders stark betroffenen Nord-Ost-Seite sollte damit der Boden verfestigt werden. Die nötigen Finanzen für die Rettungsaktion habe man sogar bereits zusammen gehabt, erinnert sich Pfarrerin Franziska Gräfenhain.
Nach einer Probebohrung im Dezember 2021 dann die schlechte Nachricht: Das Problem ist weit größter als befürchtet, die Schäden sind längst auch im restlichen Kirchenschiff angekommen. Grund dafür sei der verbaute Ringanker, der - nicht wie normalerweise üblich - vollständig geschlossen, sondern U-förmig ist. Durch die Setzungserscheinungen des Gebäudes bewege sich der gesamte Ringanker und deshalb auch die ganze Lutherkirche mit, erklärt Rupprecht. Das ursprüngliche Rettungsvorhaben war damit erstmal vom Tisch, denn "das hätte eine Verzehnfachung der Kosten verursacht". Seit mittlerweile anderthalb Jahren sind das Kirchenschiff und der hintere Gebäudeteil nun schon gesperrt. "Da kann man schon mal den Optimismus verlieren", findet Pfarrerin Franziska Gräfenhain.
Die Erfurter Lutherkirche Bereits 1883 anlässlich des 400. Geburtstages von Martin Luther entstand in Erfurt die Idee zum Bau einer Lutherkirche zu Ehren des Reformators. Bis zur tatsächlichen Einweihung des Gotteshauses vergingen dann noch über 40 Jahre: Am 10. Dezember 1927 war es so weit. Sie wurde vom Berliner Architekt Peter Jürgensen im Art-déco-Stil errichtet. Besonderes Merkmal ist ihr 50 Meter hoher Turm.
Gebäude wie mit einem Wagenheber anheben
Doch von Aufgeben keine Spur. Jetzt wurde ein neuer Rettungsplan vorgelegt. Ähnlich wie bei einem Wagenheber soll der hintere Teil der Kirche hydraulisch angehoben werden. An den Wänden der kritischen Nord-Ost-Seite sollen Betonbalken im Boden verankert werden, die durch das Mauerwerk miteinander verbunden sind und es dadurch stabilisieren sollen. "Das ist bautechnische Ingenieurskunst" findet Frank Rupprecht. Doch die hat naturgemäß einen hohen Preis. Mehrere Millionen könnte das Vorhaben kosten. Woher das Geld kommen soll, ist noch unklar. "Es gibt schon die Zusage zur Unterstützung vom Kirchenkreis und der Landeskirche", so Rupprecht, "aber wir hoffen auch auf andere Akteure, wie den Denkmalschutz oder auf Städtebaumittel."
Dafür müssten jetzt aber erstmal weitere Informationen gesammelt werden. Kommenden Mittwoch segnet der Gemeindekirchenrat weitere Probebohrungen des Erdreichs ab. Erst danach könne man entscheiden, wie realistisch und kostenintensiv das Vorhaben wirklich ist. Gibt es grünes Licht, kann die Rettungsaktion der Lutherkirche in die nächste Runde gehen. Mit kleinen Schritten zwar, aber viel Optimismus und Glauben im Gepäck. Frank Rupprecht wünscht sich jedenfalls, dass die Kirche schon zu ihrem 100-jährigen Jubiläum im Jahr 2027 die Pforten wieder öffnen kann.
MDR (dg)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 15. September 2023 | 21:30 Uhr
martin vor 31 Wochen
Meines Wissens wurde die Kirche ja nicht nur für Gottesdienste genutzt, sondern aufgrund ihrer Akustik bspw. auch für Konzerte.
Die Frage "lohnt sich die Sanierung" ist sicher berechtigt - auch wenn sie bei einer derartigen Gemengelage sicher nicht einfach zu beantworten sein wird. Aber ich halte es auf jeden Fall für "lohnenswert", dass jetzt erst einmal eine gründlichere Untersuchung und Kostenermittlung vorgenommen wird.
Wenn man dann die Kosten kennt, wird man sich auf die Suche nach einer Finanzierbarkeit begeben müssen.
martin vor 31 Wochen
Das Hoffen auf die anderen Akteure, die ja auch ein Interesse am Erhalt des Gebäudes haben (setze ich mal voraus), bedeutet ja nur, dass die Kirche auf eine MITfinanzierung hofft.
Heinrich R. vor 32 Wochen
...hoffen auch auf andere Akteure, wie den Denkmalschutz oder Städtebaumittel...
Warum nicht auf einen Bruchteil der jährlichen hunderte Millionen-Zahlungen an die Kirche zurückgreifen?