Ein Ausbilder beobachtet die Arbeit eines Praktikanten beim sägen eines Kupferrohrs.
Für viele Berufe gibt es keine Meisterpflicht mehr. Was bedeutet das für das Handwerk und die Auszubildenden? Bildrechte: Colourbox.de

Hintergrund Meisterpflicht im Handwerk: Ist das noch zeitgemäß?

15. September 2023, 05:00 Uhr

Ob in der Autowerkstatt, dem Friseurgeschäft oder der Fleischerei - der Meisterbrief gilt als Gütesiegel des Handwerks. Für die Kunden signalisiert er Qualität und Zuverlässigkeit. Doch die Meisterpflicht im Handwerk gilt längst nicht mehr in allen Berufen. MDR SACHSEN hat bei der Handwerkskammer in Leipzig nachgefragt, welche Vor- und Nachteile eine Meisterpflicht hat - und wie man eigentlich Meister seines Handwerks wird.

Was ist die Meisterpflicht und seit wann gibt es sie?

Handwerksberufe unterliegen schon seit geraumer Zeit gewisser Zulassungsbeschränkungen, erzählt Andrea Wolter von der Handwerkskammer Leipzig (HWK). In (West-)Deutschland gibt es seit 1953 ein Gesetz zur Ordnung des Handwerks. Darin wurde der Meisterbrief grundsätzlich zur selbstständigen Ausübung eines Handwerks verlangt - die sogenannte Meisterpflicht. Für einen Meistertitel würden verschiedene Sachen geprüft, so Wolter: neben Fachpraxis und Theorie auch Betriebswirtschaft, juristisches Wissen und Arbeitspädagogik.

Warum wurde die Meisterpflicht in einigen Handwerksberufen abgeschafft?

Im Zuge der sogenannten Agenda 2010 wurde im Jahr 2004 der Handwerkermarkt dereguliert. Das Ziel der damaligen Bundesregierung: Bessere Grundlagen schaffen, damit mehr Menschen sich selbständig machen können. "Das hat auch geklappt", sagt Wolter. Es hätten sich viele neue Betriebe gegründet. "Allerdings war das nicht nachhaltig, es gab viele An- und Abmeldungen von Handwerksbetrieben und das Preisdumping hat alteingesessenen Betrieben geschadet", erzählt sie. Außerdem habe die Qualität gelitten und ein Großteil der Ausbildungsleistung fiel weg.

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Wie sieht die Regelung im Handwerk derzeit aus?

Im Jahr 2020 wurde die Meisterpflicht in zwölf Gewerken wieder eingeführt. Damit gilt sie derzeit laut HWK in 41 von 94 Berufen. Für Betriebe, die nach 2004 gegründet wurden und sich etabliert hatten, habe es eine Bestandsschutzregelung gegeben, sagt Wolter. Die Pflicht, einen Meistertitel zur Selbständigkeit vorweisen zu müssen, orientiert sich vor allem an der "Gefahrgeneigtheit" des Berufs, sagt die HWK. Das heißt, sie gilt vor allem in Berufen, in denen Fehler schwere Konsequenzen haben können, wie beispielsweise bei Elektroinstallationen oder Kfz-Mechanikern.

Brauche ich einen Meistertitel, um neue Handwerker ausbilden zu dürfen?

Nein, nicht unbedingt, sagt die Handwerkskammer. Die weitläufige Meinung sei, dass allein der Meistertitel zur Ausbildung qualifiziert. Allerdings bestehe auch die Möglichkeit, nach bestandener Gesellenprüfung und ausreichender Qualifikation einen Ausbilderschein zu absolvieren. "Wir sehen aber, dass in den meisterpflichtigen Berufen deutlich mehr Menschen ausgebildet werden, etwa 90 Prozent aller Auszubildenden", so Andrea Wolter.

Wie kann der Meistertitel attraktiver gemacht werden?

Laut Handwerkskammer ist eine Abschaffung der Meisterpflicht keine Lösung, um das Handwerk zukunftsfähig zu machen. Trotzdem müsse sich etwas tun, denn allein in Leipzig müssten in den nächsten Jahren 2.000 Meisterstellen neu besetzt werden. Der Meistertitel muss attraktiver gemacht werden, fordert Andrea Wolter.

"Viele junge Menschen wünschen sich weniger Bürokratie, möchten weniger am Schreibtisch sitzen", sagt sie. Man müsse Wege finden, Menschen und Betriebe dahingehend zu entlasten. Außerdem würde finanzielle Unterstützung für das Meisterstudium und die Selbstständigkeit danach helfen. "Das Einrichten einer Werkstatt oder eines Ladens kostet viel Geld, dafür braucht es zum Beispiel bessere Kreditbedingungen", so Wolter.

MDR (ben)

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