
Der 1. Mai in der DDR Zwischen Politparade und Volksfest
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30. April 2023, 12:00 Uhr
Die Teilnahme an den Mai-Demonstrationen war Pflicht in der DDR. Mit einer Mischung aus Druck und Verlockungen versuchte der Staat, Massen zu mobilisieren. Anfangs gab es für Teilnehmer gratis Bockwurst, später sogar 5 Mark Prämie. Gegen Ende der DDR bekam der politische Feiertag mehr und mehr Volksfest-Charakter mit Rummel und Imbissbuden.
Die Teilnahme an den Mai-Demonstrationen war republikweit gewissermaßen moralisch und politisch verpflichtend für alle DDR-Bürger. Der Partei- und Staatsführung ging es dabei in erster Linie um die Bestätigung ihres Führungsanspruches, aber auch um die Mobilisierung der Arbeitskraft. So wurden bei Mai-Demonstrationen in der DDR im Unterschied zu den Veranstaltungen im Westen Versprechen eingefordert, noch besser und härter zu arbeiten.
Die SED wollte, dass sich die "Massen" an den Demonstrationen beteiligten. Um dies zu erreichen, setzte sie auf eine Mischung aus Druck und Verlockungen. Betriebe mussten mit ihrer Belegschaft geschlossen zu den Kundgebungen gehen. Kollegen, die sich weigerten, machten sich verdächtig.
Es wurde immer eine Liste darüber geführt, wer sich diesem Bekenntnis zum Arbeiter- und Bauernstaat entzog. Denn die Feinde des Sozialismus mussten ja enttarnt werden.
Wer aber mitmarschierte, wurde belohnt, wie Heinz Eggert gerade über die Frühzeit der DDR berichtete: "Für die Teilnehmer der Demonstrationen gab es an diesen Tagen immer Sonderzuteilungen in der sonst an Lebensmitteln sehr armen Zeit. Auch ich ließ mir als Kind wiederholt die Belohnung einer zugeteilten Bockwurst schmecken, die nicht von der Lebensmittelkarte abgezogen wurde." In späteren Jahren ging die SED zu direkten Zahlungen über, um sich der massenhaften Teilnahme ihrer Bürger an den Kundgebungen zu versichern. Jeder Betriebsangehörige erhielt nach Ende des Umzuges fünf DDR-Mark – wofür man sich in etwa zehn Gläser Bier leisten konnte. Was viele auch entsprechend nutzten.
Diese Berliner Mai-Paraden wurden von den beteiligten Truppenteilen an ihren Standorten wochenlang minutiös vorbereitet, was großen logistischen und zeitlichen Aufwand erforderte. Am Maitag rollten dann Panzerkolonnen der NVA an der hochrangig besetzten Ehrentribüne vorbei, Raketen wurden präsentiert, und als Höhepunkt und Abschluss der Veranstaltung marschierten Einheiten der "Betriebskampfgruppen" in Uniform auf - mit der Kalaschnikow vor der Brust.
Gleiches Schema allerorten
Kurz vor dem Mai-Feiertag wurden im Gebäude des Staatsrates in Berlin alljährlich Auszeichnungen verliehen. Dekoriert wurden verdiente Arbeiter, aber auch Kulturschaffende und Angehörige anderer gesellschaftlicher Organisationen. Später trug man lediglich eine rote Nelke aus Papier, die der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) für 50 Pfennige verkaufte.
Der offizielle Beginn der Feiern am 1. Mai lief in allen Orten nach dem gleichen Schema ab: Die Teilnehmer fanden sich frühmorgens im Betrieb oder bei SED-Organisationen wie FDJ oder Jungen Pionieren ein. Transparente, überdimensionale Bilder der DDR-Politprominenz und Plakate mit den Losungen wurden verteilt. Dann begann der (mancherorts bis zu fünf Stunden dauernde) Zug entlang der Demonstrationsstrecke, der schließlich an der Ehrentribüne vorbeiführte. Dort saß die örtliche SED-Prominenz neben Vertretern der "Massenorganisationen" und winkte den Demonstranten zu. Über Lautsprecher wurden die Gruppen vorgestellt, oft mit Parolen über besondere Leistungen wie Sonderschichten oder der Übererfüllung von Planvorgaben
Quelle der Zitate:
- Heinz Eggert, in "Sächsische Zeitung", 30.04.2010
- Axel Krause, in "Leipziger Volkszeitung", 10.12.2004
Über dieses Thema berichtet MDR Aktuell auch im TV: 01.05.2019 19:30 Uhr
(zuerst veröffentlicht am 20.04.2011)