Geschichte

"Was ist das für ein schönes Lied!"Wie Peter Maffay "Über sieben Brücken" entdeckte

27. März 2025, 17:15 Uhr

2025 feiert die Ost-Berliner Rockband Karat ihr 50-jähriges Bestehen. Der MDR würdigt die Bandgeschichte mit einer Dokumentation. "Über sieben Brücken" ist längst eine Art Volkslied. 1978 wurde der Song erstmals von Karat intoniert. Aber wirklich berühmt wurde "Über sieben Brücken" in der Interpretation des Sängers Peter Maffay. 1980 covert Peter Maffay nämich den Song, der bis heute zu seinen erfolgreichsten gehört. Doch wie kam es eigentlich dazu?

2025 gibt es die Ost-Berliner Rockband seit einem halben Jahrhundert. Über die 50-jährige Bandgeschichte gibt es eine MDR-Dokumentation. Der Eintritt der Band 1975 in die Rock- und Popszene der DDR ist ein Senkrechtstart. Nach einigen erfolgreichen Titeln wird die Band mit dem Lied "Über sieben Brücken" zur beliebtesten Band der DDR - und zum lukrativen West-Export. Die Alben der Ost-Berliner werden im Westen mehrfach vergoldet. Als einzige DDR-Band tritt KARAT sogar bei "Wetten daß…?" auf. Im eigenen Land werden die Musiker mit Kunstpreisen und dem DDR-Nationalpreis geehrt.

Ostrock wird neu entdeckt

Anfang der 1990er-Jahre droht die ostdeutsche Rock- und Popszene sang- und klanglos unterzugehen: Statt vor Tausenden spielt auch Karat plötzlich vor nicht mal mehr hundert Leuten. Erst Mitte der 1990er-Jahre entdecken die Ostdeutschen die Rock- und Pophelden ihrer Jugend wieder.

Tod von Herbert Dreilich

Claudius Dreilich (li., Gesang) und Martin Becker (re., Keyboards)
Bildrechte: IMAGO / Andreas Weihs

Als Herbert Dreilich - jahrzehntelang die Stimme der Band - 2004 im Alter von 62 Jahren stirbt, steht sein Sohn Claudius vor der wichtigsten Entscheidung seines Lebens: Manager in Shanghai werden oder als Sänger von Karat in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Er entscheidet sich für die Musik. Der Sohn füllt die Lücke in der Band, die der Vater hinterlassen hat - vielleicht ein einzigartiges Phänomen in der deutschen Rockszene.

Cover-Song: Über sieben Brücken

1980 covert Peter Maffay den Song "Über sieben Brücken", der bis heute zu seinen erfolgreichsten gehört. Doch wie kam es eigentlich dazu?

Eines schönen Tages, irgendwann im Frühjahr 1980, hörte Peter Maffay zufällig ein Lied im Radio, das ihn sofort begeisterte und nicht mehr losließ: "Und ich hab gesagt: Was ist das für ein schönes Lied! Wer hat das gesungen? Aber das konnte mir in meinem Bekanntenkreis niemand sagen", erzählte Maffay 2014 dem MDR-Hörfunk. Er recherchierte weiter und erfuhr schließlich, dass das Lied von Karat, einer Band aus der DDR, stammt. Der Titel: "Über sieben Brücken".

Ein Lied im Abspann eines Fernsehfilms

Zwei Jahre zuvor, an einem Sonntagabend im April, hatte das DDR-Fernsehen einen Spielfilm gesendet: "Über sieben Brücken musst du gehn". Der Film erzählte die Geschichte einer traurigen Liebe zwischen einem polnischen Mann und einer Frau aus der DDR. Am Ende des Films, über dem Abspann, lief ein Lied: "Über sieben Brücken musst du gehn, / sieben dunkle Jahre überstehn, / siebenmal wirst du die Asche sein, / aber einmal auch der helle Schein..." Noch am Abend riefen beim Fernsehen der DDR in Berlin-Adlershof Zuschauer an und fragten, wie das Lied heißt und wo sie die Schallplatte kaufen könnten. Sogar Leute aus dem Westen befanden sich unter den Anrufern.

Welthit von Karat

Karat mit der Besetzung (v.l.n.r.) Ulrich "Ed" Swillms (Keyboard), Hans-Joachim Neumann (Gesang), Herbert Dreilich (Gitarre/Gesang), Henning Protzmann (Bass), Bernd Römer (Gitarre) und Michael Schwandt (Schlagzeug), aufgenommen 1976 in Ost-Berlin. Bildrechte: picture alliance / dpa | Günter Gueffroy

Den Text des Liedes schrieb der Leipziger Schriftsteller Helmut Richter, die Musik Ulrich "Ed" Swillms, Keyboarder der Ost-Berliner Band Karat. Als Richter den Song zum ersten Mal im Tonstudio hörte, prophezeite er überschwänglich: "Das wird ein Welthit!" Noch 1978 gewann Karat beim Internationalen Schlagerfestival in Dresden mit "Über sieben Brücken" den "Grand Prix". 1979 erschien dann die LP "Über sieben Brücken musst du gehn" beim DDR-Plattenlabel "Amiga" und war umgehend vergriffen. Zeitgleich wurde die LP unter dem Titel "Albatros" auch in der Bundesrepublik veröffentlicht. Mehr als 800.000 Stück wurden binnen kurzer Zeit verkauft.

Maffay will "Über sieben Brücken" singen

Peter Maffay und Karat-Sänger Herbert Dreilich im Duett im Jahr 2000 Bildrechte: IMAGO

1980 reiste Karat zu einem Konzert nach Wiesbaden. Peter Maffay machte sich ebenfalls auf den Weg in die hessische Landeshauptstadt. Einige Monate waren seit dem Tag vergangen, als er im Radio "Über sieben Brücken" gehört hatte. Maffay wollte die Musiker aus der DDR unbedingt treffen. "Wir haben uns in einem verräucherten Club kennengelernt. Und das war ja keine alltägliche Geschichte - eine ostdeutsche Band und ein westdeutscher Sänger", erinnert sich Maffay im MDR-Gespräch. "Aber das war eine schöne Begegnung, die anfangs etwas angespannt war, denn ich wusste nicht, wem ich da begegne, und die wussten nicht, wie ich ticke. Aber es war dann sehr schnell sehr gelöst." Und Maffay traute sich schließlich, mit seinem Anliegen herauszurücken: "Habt Ihr was dagegen, wenn ich den Song 'Über sieben Brücken' selber singe?" Karat-Sänger Herbert Dreilich sagte nur: "Mach das!"

Eine Art Volkslied

Peter Maffay nahm nach dem Treffen mit Karat schnell eine eigene Version des Karat-Songs auf, die er mit einem ebenso markanten wie einprägsamen Saxophon-Solo versah. Komponist "Ed" Swillms war begeistert. Noch 1980 veröffentlichte Maffay seine Version von "Über sieben Brücken" auf dem Album "Revanche", das sich mehr als zwei Millionen Mal verkaufte. Da das Kulturministerium der DDR Karat Anfang der 1980er-Jahre untersagt hatte, im bundesdeutschen Fernsehen aufzutreten, war nun fast ausschließlich die Interpretation Maffays präsent. Und der machte das Lied bei zahlreichen Konzerten auch im Ausland bekannt. Das alles führte schließlich dazu, dass viele im Westen meinen, "Über sieben Brücken" sei sein Lied. Nach 1990 sangen Peter Maffay und Herbert Dreilich einige Male gemeinsam ihren berühmten Song. Peter Maffay sagt heute: "Ich hab gespürt, mit diesem Lied hat jemand etwas geschaffen, was wirklich gültig ist." Eine Art Volkslied, das uns alle überdauern wird.

Andere Cover-Versionen aus dem Osten

Lieder aus dem Osten, die im Westen gecovert wurden, waren nicht besonders häufig, aber gleichwohl gab es sie. Der Ost-Berliner Sänger und Moderator Wolfgang Lippert landete 1983 mit seinem Song "Erna kommt" einen großen Hit in der DDR. Die besungene Erna ist Lipperts Großmutter, bei der er aufgewachsen war. Ein Jahr später schnappte sich der bundesdeutsche Moderator und gelegentliche Sänger Hugo Egon Balder den Song und brachte ihn in einer Cover-Version heraus. Auch Balder war mit dem "Erna"-Song erfolgreich - er stieg in den Charts auf einen beachtlichen 19. Platz. Ein weiteres Beispiel: 1969 veröffentlichte die ungarische Band Omega ihren Song "Gyöngyhajú lány" (Das Mädchen mit der Perlenkette). Der Song wurde ein Welterfolg. Die Scorpions aus Hannover entdeckten 1995 den Hit für sich. Sie waren in den 1970er-Jahren als Vorband von Omega aufgetreten und bezeichnen die Budapester Musiker als ihre frühen Vorbilder. Später war es dann aber umgekehrt - da spielte Omega als Vorband der Scorpions. Jedenfalls machten die Scorpions aus "Gyöngyhajú lány" die Cover-Version "With Dove" und feierten mit ihr einen beachtlichen Erfolg.

Über dieses Thema berichtete der MDR im TV:MDR um 2 | 21.06. 2019 | 14:00 Uhr

Eine frühere Version des Artikels erschien 2019 und wurde umfangreich 2025 ergänzt.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | 50 Jahre Karat | 30. März 2025 | 20:15 Uhr

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