AuszeichnungKristine Bilkau gewinnt mit "Halbinsel" Preis der Leipziger Buchmesse
Am Donnerstagnachmittag ist der Preis der Leipziger Buchmesse verliehen worden. Die Schriftstellerin Kristine Bilkau erhielt für ihren Roman "Halbinsel" die Auszeichnung in der Kategorie Belletristik. Das Werk über das konfliktreiche Aufeinandertreffen eines Mutter-Tochter-Duos mit seiner sensiblen Erzählweise hat die Jury überzeugt. In der Kategorie Sachbuch wurde die russische Autorin Irina Rastorgueva ausgezeichnet und Thomas Weiler aus Leipzig erhielt den Preis für die beste Übersetzung.
- Die Gewinner des Preises der Leipziger Buchmesse stehen fest: Für den besten Roman wurde Kristine Bilkau ausgezeichnet.
- Irina Rastorgueva wurde für ihre Analyse zu russischen Propaganda-Narrativen in der Sachbuch-Kategorie geehrt.
- Thomas Weiler erhielt den Preis für die Übersetzung eines belarusischen Sachbuches über NS-Kriegsverbrechen.
Der diesjährige Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik geht an Kristine Bilkau für ihren Roman "Halbinsel". Unter großem Publikumsandrang in der Glashalle des Messegeländes wurde außerdem die russische Autorin Irina Rastorgueva für ihr Sachbuch für "Pop-up-Propaganda. Epikrise der russischen Selbstvergiftung" ausgezeichnet. Thomas Weiler hat für seine Übersetzung des belarusischen Buches "Feuerdörfer. Wehrmachtsverbrechen in Belarus – Zeitzeugen berichten" ebenfalls eine Auszeichnung erhalten.
Sensibler Roman von Bilkau
Der Roman "Halbinsel" sei ein "sensibel gebauter Roman über emotionale Altlasten, über Großzügigkeit und das Geschäft mit dem Klima-Gewissen", urteilt die Jury des Buchpreises. Im Buch treffen eine Mutter und ihre vom Leistungsdruck ausgebrannte Tochter aufeinander und fördern vergessene Konflikte zutage. "Ihr Roman beunruhigt mit seinen leisen und lauten Fragen an unsere Gesellschaft", hob Jurymitglied Cornelia Geißler in ihrer Laudatio hevor.
"Es ist eine Verarbeitung dessen, das uns alle umgibt, was auf der Welt passiert. Die Krisen und die Art und Weise wie wir über Krisen sprechen.
Kristine Bilkau, Schriftstellerin
Kristine Bilkau appellierte angesichts des "atemlosen Jahrzehnts" voller Krisen und Konflikte: "Wir schulden es den Jüngeren, den Kindern, Teenagern und jungen Erwachsenen, uns besser um diese Welt zu kümmern."
"Es ist eine Verarbeitung dessen, das uns alle umgibt, was auf der Welt passiert. Die Krisen und die Art und Weise wie wir über Krisen sprechen", sagt Bilkau bei MDR KULTUR über ihre Inspiration zum Schreiben. Sie interessiere vor allem, wie die Gesellschaft mit Krisen umgeht, wie die Menschen über die Konflikte sprechen.
Die Schriftstellerin wurde 1974 geboren, studierte Geschichte und Amerikanistik. Ihr Romandebüt "Die Glücklichen" erschien 2015 und wurde mit mehreren Literaturpreisen prämiert. 2022 schaffte sie es mit "Nebenan" auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
Die Propaganda-Narrative des Kremls
Sachbuch-Gewinnerin Irina Rastorgueva, so die Buchmesse-Jury, seziere in ihrem Werk "Pop-up-Propaganda. Epikrise der russischen Selbstvergiftung" die russische "Gesellschaft, indem sie die Sprache analysiert". Aus der Sicht von Juror Kais Harrabi lasse das Buch den Leser "regelrecht körperlich spüren", wie die Propaganda funktioniere, aber erschaffe auch eine Vision vom Ende des Putinismus. Es sei "ein gefährliches Buch mit einer messerscharfen Analyse" – für die Freiheit.
Das ist sehr gefährlich. Man kann denunziert werden von Verwandten, Bekannten oder Kollegen.
Irina Rastorgueva, Autorin
Irina Rastorgueva war von der Preisvergabe sichtlich überrascht und hatte keine Rede vorbereitet. Auf der Bühne rief sie dazu auf, für Frieden und Freiheit in Europa einzustehen und die Ukraine im Kampf gegen Russland zu unterstützen.
Auf die Frage, ob man sich als Andersdenkender noch gegen den Hass der staatlichen Propaganda wehren kann, antwortet sie bei MDR KULTUR skeptisch: "Ich glaube, innerhalb Russlands gar nicht, das ist sehr gefährlich. Man kann denunziert werden von Verwandten, Bekannten oder Kollegen."
Rastorgueva wurde 1983 im russischen Juschno-Sachalinsk geboren und arbeitete als Journalistin, Universitätsdozentin und Grafikerin. Seit 2017 lebt sie in Berlin – auch aus Angst vor staatlicher Verfolgung in ihrer Heimat. Bereits im 2022 erschienen Buch "Das Russlandsimulakrum" setzt sie sich kritisch mit der politischen und gesellschaftlichen Situation in Russland auseinander.
Bester Übersetzer kommt aus Leipzig
In dem von Thomas Weiler übersetzten Sachbuch "Feuerdörfer. Wehrmachtsverbrechen in Belarus – Zeitzeugen berichten" der Autoren Ales Adamowitsch, Janka Bryl und Uladsimir Kalesnik schildern Überlebende die NS-Verbrechen in der damaligen sowjetischen Teilrepublik. Vor dem Hintergrund heutiger Kriege und antidemokratischer Tendenzen sei das Werk erschreckend aktuell, urteilt die Jury der Leipziger Buchmesse.
Man muss als Übersetzer Mittel und Wege finden, um nicht verbrannt zu werden von diesen Inhalten."
Thomas Weiler, Übersetzer
Weiler mache diese unvorstellbaren Aussagen, so Juror Thomas Hummitzsch, nun erstmals einer deutschen Leserschaft zugänglich. Seine am gesprochenen Wort orientierte Übersetzung habe sich ganz den Erinnerungen der Menschen verpflichtet. "Er gibt der Fassungslosigkeit Raum, wenn die monströse Vergangenheit ihnen die Sprache verschlägt" und hole das Leid der Menschen aus dem Vergessen.
Obwohl das Buch vor 50 Jahren erschien, sei es in Deutschland nie zur Kenntnis genommen worden, so Weiler bei seiner Dankesrede: "Ich hoffe, dass die Übersetzung dazu beiträgt, dass man viele Dinge anders einordnen kann."
"Für die Übersetzung muss ich in jede Figur hineinschlüpfen und versuchen, aus ihr heraus zu sprechen", sagt Thomas Weiler bei MDR KULTUR über die Herausforderung einen Text zu übersetzen, der so viel Leid schildert: "Da kommt man diesen Personen sehr nahe und muss als Übersetzer Mittel und Wege finden, um nicht verbrannt zu werden von diesen Inhalten."
Weiler wurde 1978 geboren und übersetzt seit 2007 Belletristik, Lyrik und Kinderbücher aus dem Polnischen, Russischen und Belarusischen. Er wurde dafür unter anderem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis, den Karl-Dedecius-Preis und dem Paul-Celan-Preis ausgezeichnet. Weiler lebt in Leipzig.
Der begehrte Preis der Leipziger Buchmesse
Der Preis der Leipziger Buchmesse gilt als einer der renommiertesten Literaturpreise Deutschlands und wird seit 2005 jährlich im Rahmen der Messe verliehen. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 20.000 Euro pro Kategorie dotiert.
Quelle: Leipziger Buchmesse, MDR KULTUR, Redaktionelle Bearbeitung: tis
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 27. März 2025 | 18:00 Uhr