Dauerausstellung im Schumann-HausClara und Robert Schumann: Vorreiterinnen der Gleichberechtigung?
Die Ehe von Clara und Robert Schumann ist in vielerlei Hinsicht besonders gewesen für das 19. Jahrhundert. Das Schumann-Haus rückt die Beziehung der beiden daher in den Fokus ihrer Dauerausstellung. Und fragt mittels einer Augmented Reality App, wie es um Gleichberechtigung in (Künstler)ehen heute steht. MDR KLASSIK-Reporterin Lisa Paschold hat sich die Ausstellung angesehen.
In der Inselstraße 18 in Leipzig verbrachten Clara und Robert Schumann ihre ersten vier Ehejahre. Heute befindet sich dort das Schumann-Haus – eine Mischung aus Museum, Ausbildungsstätte und Veranstaltungsort. Es soll das Erbe der beiden Musizierenden lebendig halten. Das im klassizistischen Stil errichtete Haus befindet sich mitten im Graphischen Viertel, ein damals aufstrebender Stadtteil, der sich gerade zum Zentrum des Buchgewerbes entwickelte. Über die Kutscheneinfahrt gelangt man in die ehemalige Wohnung und taucht sofort hinein, mitten in das Leben des berühmten Künstlerpaars.
Eine Ehe auf Augenhöhe?
Als sich 2019 Clara Schumanns Geburtstag zum 200. Mal jährte, stellte sich das Schumann-Haus konzeptionell völlig neu auf. Die Ausstellung "Experiment Künstlerehe" rückt die Ehe der beiden Musizierenden in den Fokus. Der Grund dafür ist für Museumsleiter Gregor Nowak einfach: es ist die spannendste Geschichte von all denen, die man über die beiden erzählen könnte. Denn die beiden beeinflussten sich nicht nur maßgeblich in ihrem künstlerischen Schaffen, sondern wagten zudem den revolutionären Versuch, im 19. Jahrhundert eine Ehe auf Augenhöhe zu führen.
Die Nachwelt soll uns ganz wie ein Herz und eine Seele betrachten.
Robert Schumann
Vieles ist besonders an dieser Ehe für die damalige Zeit: Als die beiden heiraten, ist Clara bereits eine bekannte Pianistin, während Roberts Kompositionen weitgehend erfolglos bleiben. Clara wird zur Hauptverdienerin in der Familie – und hilft damit auch ihrem Mann.
Robert, der aufgrund einer verletzten Hand selbst nicht spielen kann, profitiert von ihrer Bekanntheit und komponiert zudem sowieso am liebsten zuhause, ohne den Zwang, Geld verdienen zu müssen. Dennoch versucht Robert, eine Hierarchie im Sinne des Patriarchats aufrechtzuerhalten. Gleichberechtigt seien sie daher nie gewesen, erklärt die Kuratorin der Ausstellung, Beatrix Borchard. Aber sie wagten den Schritt in die richtige Richtung:
Die Konflikte wurden ja angesprochen, insbesondere in ihren Ehetagebüchern. Daraus kann man heute lernen: es gibt nur den Weg, Dinge offen zu besprechen. Wenn sich einer dem anderen unterordnen muss, recht es sich immer irgendwann.
Beatrix Borchard, Kuratorin der Dauerausstellung
Interaktiv und nahbar
Die Ausstellung versucht die verschiedenen Facetten ihrer Ehe in den historisch-authentischen Räumen differenziert und nahbar zu zeigen. Im so genannten Ehe-Experimentierraum beispielsweise projizieren sechs Beamer ästhetische Kurzfilme mit Auszügen aus den Ehetagebüchern sowie ihrer gemeinsamen Komposition "Der Liebesfrühling". So wird mit allen Sinnen erfahrbar, was es für die beiden bedeutete, ihre Leidenschaft füreinander wie für die Musik mit Familienplanung und Rollenvorstellungen vereinen zu müssen. Jeder Raum ist für sich besonders, beeindruckt durch seine visualisierte und interaktive Gestaltung und lädt dazu ein, ganz ins Leben der Schumanns einzutauchen.
Gleichberechtigung damals und heute – die Augmented Reality App
Seit Anfang dieses Jahres ergänzt eine eigen konzipierte Augmented Reality App die Ausstellung, die den interaktiven Charakter nochmal auf eine andere Stufe hebt. Am Empfang kann man sich ein hauseigenes Tablet ausleihen und es sich damit im Schumann-Saal bequem machen – der Ort, an dem Clara und Robert früher ihre Gäste empfingen oder eigene Konzerte spielten. Die App blickt auf die Gegenwart und fragt, wie gleichberechtigt es in heutigen Künstlerehen zugeht. Dafür gleichen heutige Musikerinnen und Musiker die Ehe der Schumanns mit ihren eigenen Erfahrungen ab. Kleine Animationsfilme führen in die verschiedenen Schwerpunkte "Rollen", "Kinder und Karriere" sowie "Künstlerpaare" ein. Zu allen gibt es eine Liste an thematisch passenden Fragen. Mit der App kann man die Gesprächspartner in den Raum projizieren und antworten lassen, es entsteht das Gefühl, sie würden lebendig gegenüber sitzen.
Ich finde es einen spannenden Ansatz, die junge Generation da mitzunehmen und zu fragen: Wie funktioniert Gleichberechtigung, wie funktioniert sie nicht, was ist besonders im Künstlerwesen.
Gregor Nowak, Leiter Schumann-Haus
Dieses besondere Erlebnis soll künftig auch außerhalb des Schumann-Hauses möglich sein. Die App ist bald auch für den privaten Gebrauch erhältlich, vor allem soll sie in Schulen genutzt werden. Eine sehr schöne Möglichkeit, denn durch die App wird klar: Es gibt viel zu besprechen.
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Dieses Thema im Programm:MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 29. Juli 2023 | 09:10 Uhr