Festtage: Wagner 22"Dass Leipzig die Geburtsstadt Richard Wagners ist, darum werden wir weltweit beneidet!"

19. Juni 2022, 00:00 Uhr

An sein Geburtshaus erinnern heute nur noch eine Gedenktafel und die angedeutete Fassade des einstigen "Hauses zum Roten und Weißen Löwen" auf der Shopping-Mall – Leipzig und Richard Wagner haben sich seit jeher miteinander schwer getan. Hier wurde er getauft, hier blieb er sitzen, verspielte die Witwen-Rente seiner Mutter, hier kam seine C-Dur Sinfonie heraus, "Die Feen" hingegen (seine erste vollendete Oper) wurden abgelehnt. Nun wagt sich die Leipziger Oper an die Aufführung aller 13 Opern Wagners.

von Bettina Volksdorf, MDR KLASSIK

Die Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur Dr. Skadi Jennicke weiß um den Standort-Vorteil Leipzigs. Und sie weiß um das Image der Stadt! Denn beim Label "Musikstadt Leipzig" denken die meisten an Bach, Mendelssohn-Bartholdy, Clara und Robert Schumann, eventuell noch an Grieg und Mahler – kaum aber an Hanns Eisler und Richard Wagner, die beide an der Pleiße geboren wurden.

Wagner-Stadt Leipzig

Im Umfeld des 200. Geburtstags Wagners (2013) ist ein von der Stadt begründetes Kuratorium sowie die Richard-Wagner-Stiftung Leipzig angetreten, um das zu ändern. Der Ruf der "Wagner-Stadt" sollte mit Nachdruck in die Welt getragen werden. Geschafft hat das bislang vor allem einer: Ulf Schirmer, seines Zeichens Generalmusikdirektor und Intendant der Oper Leipzig. Der nahm den Impuls von 2013 auf und baute den Spielplan der Oper strategisch so auf, dass er nun – in seiner letzten Spielzeit und wenige Wochen bevor er aus dem Amt scheidet – mit "Wagner 22" punkten kann.

Das dreiwöchige Festival

Das heißt, dass vom 20. Juni an alle 13 Wagner-Opern aufgeführt werden – einschließlich der Frühwerke "Die Feen", "Das Liebesverbot" und "Rienzi". Das ist besonders, wenngleich nicht sonderlich innovativ. Zudem kam Wolfgang Sawallisch schon 1983 auf diese Idee, allerdings wurden die Wagner-Opern damals im Laufe einer ganzen Spielzeit an der Münchner Staatsoper gezeigt.

Leipzig aber zieht das binnen gut drei Wochen durch, denn so könnten die Besucher am besten die Entwicklung des Komponisten mitverfolgen, meint Ulf Schirmer und en passant gehe es dabei auch um eine Entmythologisierung Wagners, der selbst stets so getan habe, als sei er als Genie vom Himmel gefallen.

Dass Schirmers Pläne aufgehen, belegen die 100%-ige Auslastung vor Beginn des Festivals, die internationale Nachfrage (das erste Ticket wurde nach Australien verkauft) und die Tatsache, dass allein 450 Festivalpässe verkauft wurden – das heißt 450 Gäste werden sämtliche 13 Vorstellungen (für die man zwischen 853 und 2360 Euro berappen muss) besuchen: Echte Wagnerianer kennen da kein Pardon!

Umgang mit problematischen Aspekten bei Wagner

Flankiert werden die Opern-Aufführungen durch eine Fülle an Veranstaltungen, die unter anderem dem Liedschaffen, dem Klavierwerk, der Wagner-Stimme, Wagner als Linkshegelianer sowie der Wagner Rezeption in Leipzig gewidmet sind. Letzteres ist ein auch im Leipziger Stadtrat kontrovers diskutiertes Thema, denn wie umgehen mit dem berühmten "Sohn der Stadt", der zugleich ein Antisemit sondergleichen war? 

Immerhin widmen sich das Stadtmuseum, die Universität und der Richard-Wagner-Verband Leipzig dem Verhältnis von Wagner und Mendelssohn-Bartholdy in einer Ausstellung.

Ulf Schirmer kann zudem darauf verweisen, dass der Probensaal der Oper kürzlich in "Gustav Brecher Probebühne" umbenannt und Stolpersteine des Erinnerns an diesen, seinen Vorgänger im Amt (1923 – 1933) gelegt wurden. Brecher plante 1933 einen ähnlichen Wagner-Aufführungszyklus an der Oper Leipzig, wurde vor dessen Umsetzung jedoch von den Nazis vertrieben. Wenige Jahre später nahm er sich aus Angst vor den deutschen Besatzern in Belgien das Leben.

LinkshegelianerIn der Mitte des 19. Jahrhunderts waren Linkshegelianer (auch genannt Junghegelianer) eine Gruppe deutscher Intellektueller. Zu den wichtigsten Vertretern gehörten einige Schüler des Philosophen Hegel.

Schwelgen, aber mit kritischem Blick

Leipzig feiert Richard Wagner, den Erneuerer und Visionär des Musiktheaters mit den Slogans "3 Wochen Unendlichkeit", "3 Wochen Schwelgen", "3 Wochen Rausch" und zweifelsfrei wird dieser Aufführungszyklus aller Wagner-Opern in der Reihenfolge ihrer Entstehung auch einen Sog entwickeln.

Doch sollte man dabei nicht den Boden unter den Füßen verlieren, denn um Wagner zu rezipieren und kritisch zu reflektieren, braucht es einen klaren Kopf und historische Fakten – auch und gerade in der Geburtsstadt des Komponisten!

Mehr über große Komponisten

Dieses Thema im Programm:MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 20. Juni 2022 | 07:10 Uhr

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