Kommentare im NetzWie geht der MDR mit Hate Speech um?

14. März 2025, 13:18 Uhr

Drohungen, Verherrlichung von Gewalt, das Verbreiten von Fake News, rassistische Äußerungen und Beleidigungen: Wer online durch die Kommentarspalten scrollt, ist vermutlich selbst schon mal auf derartige Hasskommentare gestoßen. Während die meisten User an dieser Stelle weiterscrollen, blicken Online-Moderatorinnen und -Moderatoren hier genauer hin.

von Susann de Luca

In Kommentarspalten wird es oft emotional und persönlich

In der vermeintlichen Anonymität des Internets lassen sich Wut, Ärger und Hass besonders gut abladen, weil einem hier Gegenreaktionen und mögliche Konsequenzen so gut wie immer erspart bleiben. Was die ausgeübte digitale Gewalt in Form der niedergeschriebenen Worte beim Gegenüber auslöst, wird dabei oft nicht bedacht.

Im Sinne einer respektvollen digitalen Debattenkultur – um Hassrede, Hetze, Extremismus, Diskriminierungen und Ausgrenzungen möglichst wenig Raum zu geben –, werden Userbeiträge auf den Internetseiten und den Social-Media-Kanälen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) moderativ betreut und Kommentare mit Blick auf die Richtlinien des MDR geprüft.

Hasskommentare richten sich gegen den MDR, die Inhalte und andere Nutzer

Als Online-Moderator bei MDR Thüringen weiß Philipp Hasskommentare oder beleidigende Äußerungen in drei Kategorien einzuteilen: Da gibt es "einerseits Kommentare, die gegen uns als MDR gerichtet sind, andererseits Kommentare, die sich gegen die Themen und Personen der Beiträge richten, gegen die Politiker – und andererseits die Hasskommentare, die sich die Nutzer untereinander zuwerfen in der Community", berichtet er. "Manchmal ist es auch geballt in einem Kommentar, auch Ausländerfeindlichkeit. Das ist in Thüringen wirklich ein bestimmendes Thema, auf das wir immer eingehen müssen", ergänzt Social-Media-Redakteurin Theresa.

Beiträge zu Themen wie Gleichberechtigung, Zivilcourage, politische Bildung an den Schulen, Landespolitik, Stellenabbau bei Unternehmen, aber auch ein kurzer Social-Media-Post zum Thema Fasten vermögen mitunter allesamt emotionale Reaktionen bei Usern auszulösen. Eine Rückmeldung zu einem Thema oder eine Reaktion auf einen anderen Leser-Kommentar sind dank Smartphone und Co. schnell verfasst und abgesendet.

Allein im Januar 2025 kamen so pro Woche auf allen Kanälen, auf denen MDR Thüringen präsent ist, rund 7.000 Kommentare an.

Ziel der Online-Moderation ist eine konstruktive Debatte

Wie und wann Social-Media-Redakteurinnen und -redakteure in Diskussionen eingreifen oder sie laufen lassen, entscheiden die Online-Moderatoren beim MDR in Eigenverantwortung – auch welche Kommentare nach MDR-Richtlinie beleidigend sind oder nicht. Im Vieraugenprinzip verständigen sie sich allerdings, wenn es um Grenzfälle geht.

Das Bestreben der MDR-Community-Managerinnen und -manager ist dabei stets, eine konstruktive Debatte in den MDR-Kommentarspalten zu fördern und Nutzerdiskurse mit Argumenten zu versachlichen und emotionsgeladene Diskussionen zu deeskalieren.

Man ist hier nur Mitarbeiter und letztendlich ist der MDR allgemein gemeint und niemand weiß, wer hier sitzt und das bearbeitet. Aber trotzdem nimmt man sich das zu Herzen.

Philipp, Kommentarbetreuer bei MDR Thüringen

Die redaktionelle Betreuung bedeutet somit einen enormen Aufwand an Ressourcen und Zeit. Sie stellt täglich Herausforderungen für die Kommentarbetreuenden dar:

"Im Onlineraum ist die Hemmschwelle nicht so groß und das geht einem schon sehr nah. Dann sagt man, okay, man ist hier nur Mitarbeiter und letztendlich ist der MDR allgemein gemeint und niemand weiß, wer hier sitzt und das bearbeitet. Aber trotzdem nimmt man sich das zu Herzen, auch wenn man weiß, dass es nicht so ist", gibt Philipp einen Einblick in seine Arbeit.

User erwarten moderierte Kommentarspalten bei den Öffentlich-Rechtlichen

"Wenn man sich tagein, tagaus mit Hass im Netz beschäftigt, das macht was mit einem. Das hat mit emotionaler Erschöpfung zu tun. Die Arbeit als Moderatorin oder als Moderator sollte man kein Leben lang machen, oder jedenfalls abwechselnd mit anderen Tätigkeiten", so die Einschätzung von Dr. Martin Johannes Riedl von der School of Journalism and Media der University of Tennessee, Knoxville im Gespräch mit MEDIEN360G.

Dr. Martin Johannes Riedl befasst sich in seiner Arbeit mit Plattform-Governance und Content-Moderation, digitalem Journalismus sowie der Verbreitung falscher und irreführender Informationen in sozialen Medien. Bildrechte: privat

Der Assistant Professor befasst sich in seiner Arbeit unter anderem mit Platform Governance und Content Moderation. Moderierte Kommentarspalten in den Medien hält er für wichtig. Das entspreche zudem der heutigen Erwartungshaltung von Usern an Medienunternehmen, insbesondere der an die Öffentlich-Rechtlichen.

Dazu äußert Martin Johannes Riedl weiter: "Ich persönlich finde, dass es von großen Nachrichtenunternehmen zu erwarten ist, dass sie mit ihren Nutzern in Dialog treten. Das führt dazu, dass sie nicht vom Elfenbeinturm herunter berichterstatten, sondern mehr in die Verantwortung gezogen werden. Aber man muss schon aufpassen, dass man User und Userinnen nicht in den Regiestuhl setzt und die dann machen, was sie wollen." Und er betont: "Es muss immer ein respektvoller Umgang miteinander sein."

"Generell kommt auch positives Feedback über die Berichterstattung und die Möglichkeit, zu kommentieren", resümiert Philipp aus dem Social-Media-Team von MDR Thüringen. "Das ist für uns auch ein gutes Gefühl zu sagen, okay, wir geben den Raum und der Raum wird genutzt [...] Die Nutzer sind in großen Teilen auch dankbar dafür." Auch Theresa bestätigt: "In diesem ganzen Alltag an Kommentaren ist es auch mal schön, einen Lichtblick zu sehen, wenn uns User und Userinnen auch mal ein Lob aussprechen."

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