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StaatsreformInitiative fordert Bürokratieabbau im Sozialstaat

17. März 2025, 08:16 Uhr

Zwei ehemalige Bundesminister, ein früherer Präsident des Bundesverfassungsgerichts und eine Medienmanagerin: Gemeinsam wollen Thomas de Maizière, Peer Steinbrück, Andreas Voßkuhle und Julia Jäkel eine Staatsreform anregen. Ihre "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" hat nun einen ersten Zwischenbericht vorgelegt. Unter anderem fordern sie Bürokratieabbau im Sozialstaat.

Peer Steinbrück, SPD-Politiker und ehemaliger Bundesfinanzminister, erklärt bei MDR AKTUELL, vor welchen Herausforderungen die "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" steht: "Fünf Bundesministerien, die zuständig sind für 170 Sozialleistungen, die abgewickelt werden von 30, wenn Sie so wollen, Bewilligungsstellen, und dann natürlich nochmal in 16 Ländern und in rund 400 kommunalen Gebietskörperschaften teilweise auch noch unterschiedlich gehandhabt werden. Das heißt, wir haben es mit einer Überkomplexität des deutschen Sozialstaats zu tun."

Diese Überkomplexität gelte es abzubauen, sagt Steinbrück. Darum will die Initiative eine Verschlankung bei den Regelleistungen: Nur noch ein Bundesministerium soll zuständig sein.

Bündelung der Zuständigkeiten birgt auch Probleme

Winfried Süß leitet am Zentrum für Zeithistorische Forschung die Abteilung "Regime des Sozialen" und beschäftigt sich mit der Geschichte des Sozialstaats. Von dem Vorschlag der Initiative hält er wenig: "Das ist der nicht besonders geglückte Versuch, eine einfache Antwort auf komplizierte Fragen zu finden. Die Idee ist nicht neu, es gibt seit über 100 Jahren immer wieder Vorschläge, das zu machen." Auch in anderen Ländern gebe es das eigentlich nicht, so ein Ministerium, das alle Bereiche der Sozialpolitik abdeckt. Und das habe auch ganz gute Gründe.

Durch eine Verteilung der Zuständigkeiten gebe es mehr Expertise in den einzelnen Bereichen, sagt Süß. Zudem würden die Probleme so bloß in ein Ministerium verlagert. Und der Forscher findet es auch problematisch, wenn ein einzelner Minister die riesigen Summen der verschiedenen Sozialleistungen verwalten würde.

Reform soll für mehr Bürgerfreundlichkeit sorgen

Andreas Peichl dagegen begrüßt den Vorstoß. Er leitet das ifo Zentrum für Makroökonomik und Befragungen. Das aktuelle System sei viel zu kompliziert, findet er. Viele, denen es zustehe, bezögen ihre Leistungen dann gar nicht. Peichl gibt ein Beispiel der Zuständigkeiten bei der Grundsicherung: "Wir haben das Jobcenter, das für die Grundsicherung für Arbeitssuchende, also für das Bürgergeld zuständig ist. Zusammen mit der Agentur für Arbeit, die ein Teil davon ist, für die Arbeitslosen. Für die Kinder und Jugendlichen gibt es das Jugendamt oder überörtliche Träger. Und dann gibt es auch noch das Sozialamt."

Und viele Sozialleistungen seien außerdem nicht gut aufeinander abgestimmt: "Was zum Beispiel Einkommen ist, das angerechnet wird, da gibt es andere Definitionen im Bürgergeld als im Wohngeld. Und der Kinderzuschlag, der parallel zum Wohngeld gezahlt wird, der orientiert sich dann wiederum nicht an der Wohngeld-, sondern an der Bürgergeld-Definition."

Vereinfachung und Digitalisierung gefordert

Die "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" will deshalb auch einheitliche Begriffsdefinitionen bei den Leistungen. Und es soll nur noch drei Bedarfsgruppen, nämlich "Kinder und Jugendliche", "Erwachsene" und "Haushalte" geben, unter denen die verschiedenen Sozialleistungen zusammengefasst werden. Abgerufen würden die dann über eine bundesweite, digitale Plattform. Mitautor Peer Steinbrück sieht das künftige Kanzleramt in der Pflicht: "Anders werden wir diesen Sozialstaat nicht in seiner Effizienz und in seiner Effektivität verbessern können." Der werde dann immer komplexer und die Bürgerinnen und Bürger immer unzufriedener.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 17. März 2025 | 06:17 Uhr