StatistikPolizei-Bilanz 2024: Insgesamt weniger Straftaten, aber mehr Jugendgewaltkriminalität und häusliche Gewalt
In Sachsen-Anhalt ist die Zahl der Straftaten 2024 leicht gesunken. Gleichzeitig ist der Anteil tatverdächtiger Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit gestiegen. Das geht aus der polizeilichen Kriminalstatistik hervor, die das Innenministerium am Dienstag in Magdeburg vorgestellt hat. Betrugs- und Rauschgiftdelikte gingen zurück, häusliche Gewalt nahm weiter zu.
- Die Jugendkriminalität ist wie die Gesamtkriminalität rückläufig, die Zahl der Tatverdächtigen ohne deutschen Pass steigt allerdings, so Zahlen der Kriminalitätsstatistik für 2024.
- Innenministerin Zieschang hält die Entwicklung für nicht hinnehmbar. Sie fordert, wer hier Straftaten begehe, müsse Deutschland wieder verlassen.
- Die SPD kritisiert Zieschang für fehlende Akzente bei der Präsentation. Die Ministerin habe keine Erklärung geliefert, warum die Kriminalität in den Großstädten besonders hoch sei.
Während die Zahl der erfassten Straftaten in Sachsen-Anhalt zurückgegangen ist, stieg der Anteil der Tatverdächtigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit weiter an. Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei insgesamt 184.183 Delikte, begangen von 67.886 Tatverdächtigen – knapp 30 Prozent dieser Personen haben keine deutsche Staatsangehörigkeit. Gut 70 Prozent und damit die Mehrheit der Tatverdächtigen sind Menschen mit deutschem Pass.
Das geht aus der polizeilichen Kriminalstatistik hervor, die Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) am Dienstag vorgestellt hat. Ungefähr jede zweite Straftat kann in Sachsen-Anhalt nach Angaben des Innenministeriums aufgeklärt werden. Die Statistik weist für 2024 eine Aufklärungsquote von 55,3 aus. Im Vorjahr lag sie bei 55,9 Prozent.
Zieschang will Kriminalität unter Zugewanderten stärker in den Blick nehmen
20.115 tatverdächtige Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit weist die Kriminalstatistik für 2024 aus. Fast jeder dritte Tatverdächtige gehörte dieser Gruppe an. "Diese Entwicklung im Bereich der Ausländerkriminalität ist besorgniserregend", erklärte Zieschang. Der Anteil tatverdächtiger Personen ohne deutschen Pass stieg von 19,5 Prozent im Jahr 2021 auf 29,6 Prozent im vergangenen Jahr.
Diesem Anstieg müsse konsequent begegnet werden, "nicht nur durch die Verfolgung und Ahndung der verübten Straftaten, sondern auch durch Rückführungen hier straffällig gewordener Zuwanderer", so Zieschang. Auch bei Deutschen mit einer zweiten Staatsangehörigkeit müsse es bei schweren Straftaten möglich sein, ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen.
Zieschang: Hürden für Ausweisungen senken
Ausweisungen seien bislang nur möglich, wenn jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde. "Diese Hürde halte ich für eindeutig zu hoch", sagte Zieschang. Es müsse darüber diskutiert werden, ob unabhängig von der Freiheitsstrafe ausgewiesen werden könne. Ausweisungen soll es laut Zieschang dann bereits nach der zweiten vorsätzlich begangenen Straftat geben.
Dafür müsste die Rechtslage geändert werden. Hier setzt Zieschang auf die Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in Berlin. Denn die Entscheidung darüber, die Hürden für Abschiebungen zu senken, müsste auf Bundesebene getroffen werden.
Regierungspartei SPD kritisiert Innenministerin
Vom Koalitionspartner SPD kommt Kritik an Zieschangs Äußerungen zur Ausländerkriminalität. "Was wir nicht brauchen, ist eine Debatte, die pauschale Schuldzuweisungen trifft oder Ängste schürt", teilte der innenpolitische Sprecher Rüdiger Erben MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstag mit. Der weit überwiegende Teil der Menschen mit Migrationshintergrund werde nicht straffällig.
"Allerdings sind Straftäter in der Tendenz junge Männer, die soziale Probleme haben", so Erben. In dieser Gruppe gebe es einen deutlich höheren Ausländeranteil als in der Gesamtbevölkerung. Aus der polizeilichen Kriminalstatistik ergäben sich eine Reihe von Fragen, auf die man sich Antworten von der Innenministerin wünsche. "Warum ist Sachsen-Anhalt seit einigen Jahren das mit Abstand kriminalitätsbelastetste Flächenbundesland? Warum sind Halle und Magdeburg seit Jahren in den Top-10 der 'gefährlichsten deutschen Großstädte'?"
Anstieg bei Jugendgewaltkriminalität
Ein weiterer Aspekt der Kriminalstatistik ist die Jugendkriminalität in Sachsen-Anhalt. Sie ist – genauso wie die Gesamtkriminalität – rückläufig. Die Zahl der ermittelten jugendlichen Tatverdächtigen sank ebenfalls um 5,7 Prozent auf knapp 10.800. Gleichzeitig stieg der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen binnen eines Jahres um 9,6 Prozent auf fast 3.370. Im Bereich der Jugendkriminalität war somit fast jeder dritte Tatverdächtige kein deutscher Staatsangehöriger, genau: 31,2 Prozent. Sie kamen etwa aus Syrien (1.182), Afghanistan (345) und der Ukraine (287).
Auffällig ist aber ein Anstieg bei der Jugendgewaltkriminalität. Diesen gibt es seit 2021. Im vergangenen Jahr erfassten die Beamten fast 1.390 Fälle etwa von gefährlicher oder schwerer Körperverletzung und Raubdelikten – das waren 50 Fälle mehr als noch 2023. Und auch hier sind immer mehr Menschen ohne deutschen Pass als Tatverdächtige im Fokus: Die Polizei machte ein Plus von 38 Prozent aus. Jeder dritte Tatverdächtige gehörte im Bereich der Jugendgewaltkriminalität 2024 dieser Gruppe an (33 Prozent).
Die Zahlen sind für Innenministerin Tamara Zieschang ein Alarmsignal. Und so soll eine Arbeitsgruppe mit dem Titel "Bekämpfung von Jugendkriminalität in Sachsen-Anhalt" Strategien erarbeiten. Beteiligt sind Experten aus Innen-, Bildungs-, Sozial- und Justizministerium. "Kriminelle Karrieren müssen mit allen Mitteln des Rechtsstaates geahndet und beendet werden", sagte Zieschang.
Rückgang bei Enkeltrick und Schockanruf
In der neuen Kriminalstatistik macht sich zudem ein Rückgang von Betrugsdelikten und Rauschgiftkriminalität bemerkbar. Beim Waren- und Warenkredit-Betrug beispielsweise gingen die Zahlen erheblich zurück um gut 27 Prozent. Nach 11.915 Fällen im Jahr 2023 waren es jetzt nur noch 8.677.
Beim Enkeltrick und bei Schockanrufen gab es einen Rückgang um fast 76 Prozent. Die Fallzahl ging binnen eines Jahres von 1.917 auf 463 zurück.
Cannabis-Legalisierung bemerkbar
Und auch die Rauschgiftkriminalität war rückläufig: 2024 wurden 5.887 Fälle erfasst nach 8.652 im Jahr 2024. Das entspricht einem Minus von 32 Prozent. Maßgeblich für diese rückläufige Entwicklung ist die Teil-Legalisierung von Cannabis, die am 1. April 2024 in Kraft trat. Die CDU und CSU hat im Wahlkampf jedoch angekündigt, sollten sie die künftige Regierung führen, werde die Cannabis-Freigabe rückgängig gemacht.
Bei den allgemeinen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz standen im Jahr 2024 gleichwohl vorrangig Straftaten in Zusammenhang mit Cannabis und dessen Zubereitung im Vordergrund. Die Zahl dieser Fälle ging von 3.834 im Jahr 2023 auf 1.657 zurück.
Schon in der vergangenen Woche hat das Innenministerium Zahlen veröffentlicht, nach denen Ladendiebstähle in Sachsen-Anhalt im Jahr 2024 zurückgegangen sind.
Weiterer Anstieg bei häuslicher Gewalt
Angestiegen sind hingegen die Fälle von häuslicher Gewalt. Im vergangenen Jahr waren es 8.391 Fälle. Damit setzt sich ein Aufwärtstrend fort. 2020 waren es noch 6.323 Fälle häuslicher Gewalt, wie die Kriminalstatistik ausweist. Die Zahl ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen.
Die Polizei setzt in diesem Bereich verstärkt auf Maßnahmen zum Opferschutz, wie Landespolizeidirektor Mario Schwan erklärte. Die Beamten seien inzwischen sensibler und handlungssicherer im Umgang mit den Opfern. Betroffene trauten sich nun eher, Gewalterfahrungen in der Familie oder Partnerschaft anzuzeigen.
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dpa, MDR (Engin Haupt) | Erstmals veröffentlicht am 18.03.2025
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 18. März 2025 | 17:00 Uhr