Streit um BaudenkmalGieseler-Halle in Magdeburg: Ist das ein Denkmal oder kann das weg?
Magdeburg wirbt für sich als "Stadt der Moderne". Denn nach dem Ersten Weltkrieg wurden hier gezielt Architekten und Stadtplaner beauftragt, Visionen des Neuen Bauens umzusetzen. Ein wichtiges Bauwerk jener Zeit, die Hermann-Gieseler-Halle, soll nun verkauft werden. Magdeburg hat weder Geld noch ein Nutzungskonzept für den denkmalgeschützten Bau, der lange als Sporthalle genutzt worden war. Allerdings machen Bürger jetzt mobil gegen die Entscheidung.
- Die Stadt Magdeburg will die Hermann-Gieseler-Halle wegen fehlender Nutzungsperspektive verkaufen.
- Der Bürgerverein Stadtfeld setzt sich dafür ein, dass die Sporthalle künftig als soziokultureller Treffpunkt oder als Indoor-Spielplatz genutzt wird.
- Der Verein möchte verhindern, dass die Halle wie andere leerstehende Baudenkmale in Magdeburg verfällt.
Die Hermann-Gieseler-Halle steht etwas versteckt in der zweiten Reihe, ziemlich dicht an Bahngleisen und fällt allenfalls durch ihren markanten Eingang auf. Im Inneren allerdings empfängt den Besucher ein frei schwebendes Hallendach, das auf Stahlbetonstützen ruht, die der Halle eine gewisse Eleganz verleihen. In den ursprünglichen Entwürfen von Bruno Taut war in das Dach ein durchgehendes Oberlicht eingelassen, das allerding später überbaut wurde.
Die Halle gehört zum Neuen Bauen in Magdeburg und damit in das Umfeld der Bauhaus-Tradition. Diese Gebäude verleihen der Stadt ein Image und es wäre schade, wenn die Gieseler-Halle verloren ginge.
Gert Fiedler, Bürgerverein Stadtfeld
Dass nun der Magdeburger Stadtrat beschlossen hat, die Halle zu verkaufen, kritisiert Gert Fiedler vom Bürgerverein Stadtfeld: "Die Halle gehört zum Neuen Bauen in Magdeburg und damit in das Umfeld der Bauhaus-Tradition. Diese Gebäude verleihen der Stadt ein Image und es wäre schade, wenn die Gieseler-Halle verloren ginge." Dass der Stadtrat nun den Verkauf beschlossen hat, findet im Bürgerverein kein Verständnis.
Magdeburg ist knapp bei Kasse
Von Tafelsilber will Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) nicht reden, wenn sie über die Hermann-Gieseler-Halle spricht. Stattdessen verweist sie auf eine angespannte Finanzlage: "Die Kreditobergrenze ist fast erreicht, und das führt dazu, dass wir uns bei bestimmten Objekten überlegen müssen, ob es einen Nutzungszweck gibt."
Eigentlich wurde das bereits im Jahr 2016 überlegt, als schon einmal über die Zukunft der Halle debattiert wurde. Denn die weitere Nutzung als Sporthalle hätte schon damals erheblicher Investitionen bedurft. Stattdessen entschied man sich für den kostengünstigeren Neubau einer Sporthalle an anderer Stelle. Ein nüchterner Zweckbau, der wohl nie in einem Architekturführer eine Rolle spielen wird.
Mehr als 100 Jahre bewegte GeschichteUrsprünglich im Jahr 1922 als Viehmarkt- und Ausstellungshalle eingeweiht, ist die Gieseler-Halle der erste Beleg für das Neue Bauen in Magdeburg. Zu DDR-Zeiten wurde sie als Sporthalle umfunktioniert. In der Halle hat der SC Magdeburg jahrzehntelang seine Heimspiele ausgetragen. Auch Max Schmeling hat dort geboxt. Zuletzt kamen ukrainische Flüchtlinge in der Halle unter.
Zweiter Anlauf zum Verkauf der Hermann-Gieseler-Halle
Seinerzeit scheiterte allerdings ein erster Verkaufsversuch der Gieseler-Halle. Gegen die Pläne, auf dem Gelände einen Möbelgroßmarkt zu errichten, wehrte sich der Bürgerverein Stadtfeld. Letztendlich machte der Stadtrat den Verkauf rückgängig, weil die geforderten Auflagen des Denkmalschutzes nicht erfüllt wurden. Das rechnet sich der Bürgerverein Stadtfeld als Erfolg an.
Man hätte sich nun gewünscht, vor der neuerlichen Stadtratsentscheidung besser beteiligt worden zu sein, erklärt Thomas Opp, Vorsitzender des Bürgervereins: "Die Nutzung muss denkmalgerecht sein, und für uns ist es wichtig, dass die Halle öffentlich bleibt, also zugänglich ist für jedermann, der sich das anschauen möchte."
Stadtfeld ist einer der größten Magdeburger Stadtbezirke. Hier leben rund 40.000 Menschen. Es fehle an einem Begegnungszentrum mit soziokultureller Ausrichtung, sagt Opp, auch eine Nutzung als Indoor-Spielplatz wäre denkbar.
Stadt will keine Zuschüsse zahlen
Im Magdeburger Rathaus kennt man diese Ideen. Grundsätzlich sei dagegen nichts einzuwenden, so Oberbürgermeisterin Borries, aber es gehe zunächst immer wieder um die Frage, wer das finanzieren solle: "Wenn Vorschläge kommen, dass wir soziokulturelle Angebote unterbringen oder auch Sportvereinen die Möglichkeit geben, die Halle dort zu belegen, dann bringt das Folgekosten mit sich. Denn solche Angebote sind immer auf Zuschüsse der Stadt angewiesen."
Allerdings war die Entscheidung des Stadtrates nicht alternativlos. Denn in derselben Sitzung des Stadtparlaments wurde auch beschlossen, das Kulturhaus AMO zu sanieren. Die drei Buchstaben AMO stehen für Allgemeine Militärorganisation – ein sowjetisches Relikt aus der Nachkriegszeit, ein typisches Kulturhaus jener Jahre, wie es vielfach in Ostdeutschland zu finden ist. Die Hermann-Gieseler-Halle ist hingegen einmalig. Das räumt auch Oberbürgermeisterin Borries ein.
Kulturhaus AMO wird saniert
Aber der Stadtrat habe bei seiner Entscheidung durchaus Bürgernähe gezeigt, erklärt die Oberbürgermeisterin: "Wenn der Magdeburger abwägen soll, dann ist ihm das AMO am liebsten, weil viele Menschen in der Stadt, gerade auch meine Generation und älter, das Haus als tollen Treffpunkt erlebt haben." Allerdings war auch die Gieseler-Halle viele Jahrzehnte ein Treffpunkt, denn die Handballer des SCM spielten hier und auch Musiker Louis Armstrong trat auf seiner DDR-Tour in der Halle auf.
Hinzu kommt, dass auch für das AMO ein Nutzungskonzept fehlt. Derzeit ist der Saal die Ersatzspielstätte für die Magdeburger Stadthalle, die derzeit aufwändig saniert wird. Mit der Wiedereröffnung wird das AMO als Veranstaltungsort ausgedient haben. Simone Borries spricht von einem Kannibalisierungseffekt. Dennoch wird das architektonisch kaum wertvolle AMO saniert, die ungleich wichtigere Hermann-Gieseler-Halle jedoch nicht.
Baudenkmäler in Magdeburg Vandalismus ausgesetzt
Allerdings hat Magdeburg weitere historischen Gebäude, die auf eine Nutzung warten, so zum Beispiel das Logenhaus, zentral gelegen und einst als Stadtbibliothek genutzt. Der Bürgerverein Stadtfeld hat aber eine andere Befürchtung, dass nämlich die Gieseler-Halle allmählich verfällt: "Was leer steht, ist immer in Gefahr. Ich will da nur mal an den Kristallpalast erinnern. Man sollte also nicht zu lange warten", erklärt Vereinsvorsitzender Thomas Opp.
Der Kristallpalast war einst ein beliebter Ballsaal in Magdeburg. Nach drei Jahrzehnten Erbstreitigkeiten erinnert das Gelände nun an eine überwucherte Dschungelruine. Dieses Schicksal sollte der Hermann-Gieseler-Halle erspart bleiben.
Redaktionelle Bearbeitung: vp
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 14. Oktober 2024 | 06:15 Uhr