WirtschaftAutomobilindustrie drängt zum Handeln: "Alles, was Wachstum bringt, brauchen wir jetzt"

21. März 2025, 13:34 Uhr

Die Autobranche in Sachsen-Anhalt steht unter Druck. Zuletzt sind zwei Zulieferer aus dem Harz in die Insolvenz gerutscht. Bei einem Branchen-Treffen in Barleben wurden Forderungen an Union und SPD laut. Innerhalb der kommenden Wochen soll zudem ein geplanter Auto-Gipfel stattfinden.

Die Autobranche gerät auch in Sachsen-Anhalt zunehmend unter Druck. Anfang des Monats ging die Firma Boryszew Kunststofftechnik in Gardelegen mit 500 Mitarbeitenden insolvent – großer Kunde war hier Volkswagen.

Das jüngste Beispiel: Im Harz sind bei zwei Automobilzuliefer-Unternehmen insgesamt rund 370 Jobs in Gefahr. Es geht um Unternehmen der Schlote-Gruppe, in der weitere Firmen in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht sind. Das betrifft zum einen das Schlote-Werk für Alu-Teile in Harzgerode. Dort produzieren 120 Beschäftigte – auch als Zulieferer für Volkswagen. Zum anderen wackelt die Getriebe- und Antriebstechnik GmbH in Wernigerode. Dort fertigen etwa 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bauteile für VW und BMW.

Für die beiden Unternehmen in Sachsen-Anhalt sowie für zwei weitere Unternehmen der Schlote-Gruppe laufen nun Insolvenzverfahren. Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter sind laut Insolvenzverwalter für drei Monate gesichert. Das Land Sachsen-Anhalt will nun bei einem Auto-Gipfel über die Situation der Zulieferbetriebe sprechen.

Branchen-Treffen der Automobilindustrie in Barleben

"Die Lage der Branche ist wirklich schwierig", sagte Wirtschaftsstaatssekretärin Stefanie Pötzsch am Donnerstag bei einem Branchen-Treffen in Barleben. Innerhalb der kommenden Wochen will sich die Politik mit den wichtigsten Unternehmen und Verbänden im Land treffen, um über Probleme und Chancen der Branche zu beraten.

Hildegard Müller beim Auto-Gipfel in BArleben
Hildegard Müller sprach beim Auto-Gipfel in Barleben. Bildrechte: MDR/Max Hensch

"Die Sorge vor dem, was kommt, ist spürbar", sagt Hildegard Müller zu Beginn ihres Vortrags bei der Automotive-Konferenz in Barleben. Die CDU-Politikerin und Chefin des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA) glaubt, die Tiefe der Krise in der Autobranche sei vielen noch nicht klar genug, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Die großen deutschen Produzenten wie VW, Audi oder BMW schreiben grüne Zahlen, sie sind profitabel. Doch die Gewinne sind zuletzt drastisch eingebrochen. Vor allem in China, wo der Konkurrenzdruck groß ist, stockt der Absatz. Mit den schlechter werdenden Zahlen begründen die Konzerne den Abbau tausender Stellen – auch in Deutschland.

Müller meint, die Produktion von Autos in Deutschland sei momentan nur bedingt wettbewerbsfähig. "Unsere Energiepreise sind drei bis fünf Mal höher als bei anderen Wettbewerb-Standorten", so die VDA-Präsidentin. Günstige E-Autos hierzulande zu produzieren sei so kaum möglich. Umfragen der Branchen-Lobby zeigten zudem ein hohe Belastung der Firmen durch Meldepflichten und andere bürokratische Hürden. Auch Versicherer und Banken seien zurückhaltend, Verträge mit mittelständischen Unternehmen zu schließen.

"Alles, was Wachstum bringt"

Mit Blick auf die Sondierungsverhandlungen von Union und SPD im Bund sagt Müller: "Alles, was Wachstum bringt, brauchen wir jetzt". In Richtung EU sagte Müller, ein Zoll-Streit mit China und den USA müsse dringend vermieden werden. Die Rückstoßeffekte für den deutschen Markt seien sehr viel größer, da Deutschland dreiviertel der produzierten Autos exportiere. Müller unterstrich, Deutschland könne und müsse wieder mehr auf Innovation setzen.

Zudem müsse die E-Mobilität weiter konsequent ausgebaut werden – und die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden. Müller machte auch klar, dass das Verbrenner-Aus perspektivisch einen Job-Verlust in Deutschland von bis zu 190.000 Stellen in der Autoindustrie bedeuten könnte. Diese Stellen müssten an anderen Bereichen gewonnen werden, etwa in der Digitalisierung oder Sicherheit der Fahrzeuge.

Angespannte Situation der Zulieferbetriebe

Laut VDA haben 75 Prozent der Unternehmen in der Autobranche Investitionen in Deutschland eingefroren oder gestrichen. Die Situation sei auch in Sachsen-Anhalt angespannt, sagt Hannes Sonntag, Vorstandsmitglied Automobilnetzwerk Mahreg. Es gebe eine große Unsicherheit, wohin die Reise gehe. Nach Angaben des Kompetenznetzwerks sind in der erweiterten Auto-Zulieferindustrie in Sachsen-Anhalt bis zu 27.000 Menschen beschäftigt. Der Großteil seien Unternehmen der Metall- oder Kunststoffindustrie oder Ingenieurdienstleister, die nur teilweise für die Automobilbranche arbeiteten.

Sonntag sagte, es werde in Zukunft auf Flexibilität ankommen, um deutsche Arbeitsplätze zu sichern. Man müsse auf verschiedene Antriebsarten eingestellt sein, auch einen Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen. Sonntag sagte, er sei sicher, dass dies in der Entwicklungs-Sparte möglich sein werde. In der Produktion müsse man die Entwicklung abwarten. Einige Firmen verlagern bereits seit mehreren Jahren Produktion ins Ausland. "Diese Jobs wird man schwer zurückbekommen", sagt auch VDA-Präsidentin Müller.

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MDR (Max Hensch, Max Schörm)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT heute | 20. März 2025 | 19:00 Uhr

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