Kein GenerationenkonfliktDresdner Rentenexperte: Deshalb hat die gesetzliche Rente eine Zukunft
"Die Rente ist sicher", sagte einst Norbert Blüm. Doch stimmt das noch? Damit das System nicht kollabiert, fließt jedes Jahr mehr (Steuer)Geld aus dem Bundeshaushalt in die Rentenversicherung als die 100 Milliarden Euro, die die Bundeswehr derzeit an Sondervermögen erhält. Rentenberater Christian Lindner hält die gesetzliche Rente trotzdem für zukunftsfähig. Mit seinen Tipps hilft er Rentnern im Osten, Verluste zu vermeiden. Die Zukunft der Rente ist auch Thema bei "Fakt ist!" im MDR FERNSEHEN.
Nach einem langen Arbeitsleben einfach entspannt in Rente gehen. Das wollen die meisten. Doch so einfach ist es in der Realität häufig nicht. Auf dem Weg in den wohlverdienten Ruhestand lauert der eine oder andere Stolperstein. "In meiner Beratung erlebe ich immer wieder, dass jemand schon in dem Alter ist, wo er Rente beziehen könnte, aber gern noch arbeiten geht. Er oder sie denkt dann, dass es nicht erlaubt ist, gleichzeitig Rente zu beziehen. Doch genau das geht", sagt der Dresdner Rentenberater Christian Lindner.
Tausende Euros futsch - wegen Unwissenheit
"Wer beispielsweise eine Nettorente von 2.000 Euro hat und ein Jahr Rente verpasst, weil er sie nicht beantragt hat, verschenkt auf diese Weise 24.000 Euro." Nur wer den frühesten Rentenbeginn mit seinem Antrag um drei Monate verfehlt habe, könne noch eine Nachzahlung bekommen, erklärt der Rentenexperte.
Magische Grenze von 45 Jahren schafft nicht jeder
Ein weiterer Dauerbrenner ist die abschlagsfreie Rente nach 45 Arbeitsjahren - je nach Geburtsjahrgang mit 63 bzw. 65 Jahren. "Menschen, die zu DDR-Zeiten eine Berufsausbildung mit Abitur gemacht haben, können 45 Jahre erreichen, weil die Zeiten angerechnet werden."
Anders sei das bei denen, die auf die Erweiterte Oberschule gegangen seien und Abitur gemacht hätten. "Hier ist es in der Regel kaum möglich. Das können nur Frauen schaffen, die im Studium zeitig ein Kind bekommen haben, weil das wiederum angerechnet wird", skizziert Lindner Fälle, die gerade in Ostdeutschland häufig auftreten.
Während einige Dinge komplex sind, lassen sich andere recht leicht lösen. "Wer kurz vor der Altersrente arbeitslos wird und dem deshalb Versicherungszeiten fehlen, der kann sich neben der Arbeitslosigkeit einen 165-Euro-Job suchen und das auf diese Weise ausgleichen", sagt Lindner.
Experte: Demographieproblem ist lösbar
Allen Unkenrufen zum Trotz hält er die gesetzliche Rente für zukunftsfähig und sieht auch keinen aufziehenden Generationenkonflikt, wenn bis 2036 rund 20 Millionen Babyboomer in Rente gehen. "Die Rentenversicherung gibt es seit ungefähr 130 Jahren. Sie hat Weltkriege, Währungsreformen und Zeiten mit hoher Inflation überstanden. Von daher ist das demografische Problem gar nicht so ein großes."
Ab 2040, wenn die Babyboomergeneration auf den Friedhof umgezogen ist, haben wir das Problem nicht mehr.
Christian Lindner | Rentenexperte
Den Generationenkonflikt gebe es nicht. Zwischen 1990 und 2010 sei die demographische Belastung durch die alternde Bevölkerung bereits viel stärker gestiegen, als das jetzt zwischen 2020 und 2040 der Fall sein werde. "Und ab 2040, wenn die Babyboomergeneration auf den Friedhof umgezogen ist, haben wir das Problem nicht mehr", sagt Lindner.
Positiv stimme ihn auch, dass frühere Prognosen über die Rentenversicherung regelmäßig zu ungünstig ausgefallen seien. "Es hat ja niemand damit gerechnet, dass die Zahl der Beschäftigten so stark steigen würde. Wir hatten allein von 2013 bis 2023 einen Beschäftigungszuwachs von fünf Millionen Menschen."
Wirtschaftsweise schlägt Alarm
Der freundliche Ausblick des Dresdner Rentenberaters steht im Kontrast zu Einschätzungen von Experten wie zum Beispiel der Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. Die hatte Anfang Februar gemahnt, dass die nächste Bundesregierung das im Wahlkampf weitgehend ausgesparte Thema Rentenreform unbedingt angehen müsse. "Wenn wir unseren Haushalt stabilisieren wollen, dann müssen wir das tun", forderte die Münchner Forscherin.
Mit jeder Verzögerung einer Rentenreform wird das immer teurer.
Monika Schnitzer | Chefin der Wirtschaftsweisen
Deutlich mehr als 100 Milliarden Euro - was dem aktuellen Sondervermögen für die Bundeswehr entspricht - kommen laut Rentenversicherung jedes Jahr aus dem Bundeshaushalt in den Rententopf, damit die Rente ausgezahlt werden kann. Das Rentensystem sei in dieser Form auf Dauer nicht finanzierbar, sagt Schnitzer.
Rente an Inflation statt an Löhne koppeln
Als einen ersten Schritt schlug sie bereits in der Vergangenheit vor, die Rentenzuwächse nicht mehr an die Lohnentwicklung, sondern an die Inflation zu koppeln. "Man ist dann weniger stark an der Wirtschaftsentwicklung beteiligt, aber die Kaufkraft bleibt zumindest erhalten", sagte Schnitzer.
Rentenberater Lindner lehnt das ab. "Das wäre auf lange Sicht eine Benachteiligung. Das hat eine Untersuchung zwischen 1960 und 2020 nachgewiesen." Demnach habe es nur zwischen dem Jahr 2000 und 2010 einen Zehnjahreszeitraum gegeben, wo die Rentenanpassung niedriger als die Inflation gewesen sei. Dabei habe auch die Finanzkrise 2007/2008 eine Rolle gespielt. "Sonst gab es immer mehr. Das würde bei diesem Vorschlag wegfallen", gibt Lindner zu bedenken.
Betriebsrente als sinnvolle Ergänzung
Obwohl Christian Lindner an eine Zukunft der gesetzlichen Rente glaubt, hält er als Ergänzung weitere Säulen wie Betriebsrenten für sinnvoll. "Betriebsrenten sind vor allem lukrativ, wenn der Arbeitgeber einen nennenswerten Anteil beisteuert und es eine Dynamisierung gibt, sodass die Rente, wenn ich sie mal beziehe, regelmäßig angepasst wird."
Kritik an Aktienrente der FDP
Wenig zielführend findet der Dresdner Rentenberater Christian Lindner die Idee der Aktienrente seines Namensvetters von der FDP. "Einen Kredit über 200 Milliarden Euro aufzunehmen und das Geld am Kapitalmarkt anzulegen, halte ich für den komplett falschen Ansatz, zumal Berechnungen ergeben haben, dass der Rentenbeitrag durch Gewinne aus diesen Anlagen um maxial 0,4 Beitragspunkte sinken würde. Das ist weitestgehend zu vernachlässigen."
Besser sei es, das Geld zu nehmen und in den Wohnungsbau zu investieren. Auf diese Weise würden Wohnungen mit vernünftigen Mieten entstehen und die Gewinne in die Rentenversicherung fließen.
Zurück zur Gagfah?
"Das gab es bereits bis in die 1990er Jahre hinein. Aufgrund von neoliberalen Vorstellungen wurde der Wohnungsbestand der Rentenversicherung jedoch Stück für Stück verkauft." Dem ein oder anderen sei vielleicht noch ein Unternehmen namens Gagfah bekannt. "Das ist später in der Vonovia aufgegangen", erklärt Lindner.
MDR (sth)/reuters/dpa
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 05. März 2025 | 20:15 Uhr