InterviewKlinikum Chemnitz: Organspenderegister läuft schleppend an
Bisher kann man das Transplantationsregister, das seit einem Jahr online ist, nicht als Erfolgsgeschichte beschreiben. Weniger als ein Prozent der Deutschen hat sich registriert, eine Abfrage ergab bisher einen Treffer. Zu den Gründen dafür hat MDR SACHSEN mit Gunnar Richter, dem Transplantationsbeauftragten des Klinikums Chemnitz, gesprochen.
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Vor genau einem Jahr, am 18. März 2024, wurde in Deutschland das zentrale Organspenderegister eingeführt. Über das Onlineportal kann jeder angeben, ob er zu einer Organspende bereit ist oder nicht. Die technischen Hürden für die Registrierung sind hoch, man benötigt dafür einen Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion oder ein Smartphone mit Ausweis-App. Mario Hille von MDR SACHSEN hat mit Gunnar Richter, dem Transplantationsbeauftragten am Klinikum Chemnitz, über das Organspenderegister gesprochen.
Mario Hille: Gab es denn die erhoffte Resonanz auf die Eröffnung des Registers?
Gunnar Richter: Leider ist die Resonanz bisher nicht ausreichend. Prinzipiell ist es eine sehr gute Sache, weil sich dort jeder mit seinem Willen eintragen lassen kann, ob man bereit ist, im Falle eines Hirntodes Organe zu spenden. Man kann dem aber auch widersprechen.
Es sind, Stand 14. März, in Deutschland von den knapp 60 Millionen Menschen, die sich registrieren könnten, nur 279.000 Menschen im Organspenderegister eingetragen. Das liegt einerseits daran, dass es noch zu wenig bekannt ist, selbst unter dem Fachpersonal. In der Bevölkerung ist es auch noch nicht ausreichend bekannt. Es ist eine gute Sache, aber es gibt viel zu wenige Registrierungen.
Gibt es auch Zahlen aus Sachsen?
Aus datenschutzrechtlichen Gründen könnten keine Zahlen für einzelne Bundesländer herausgegeben werden, hat mir das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mitgeteilt.
Wie kann man sich registrieren und wer kann sich dort registrieren?
Es kann sich jeder dort registrieren, der das 16. Lebensjahr vollendet hat. Das passiert online. Wenn man die technischen Voraussetzungen hat, dauert es fünf bis zehn Minuten. Man benötigt entweder die Online-ID über den Personalausweis oder über die Krankenkassen-App der elektronischen Patientenakte.
Sind da auch vielleicht die technischen Hürden zu hoch wie zum Beispiel der Ausweis mit Online-Funktion?
Das ist eines der Themen, die verhindern, dass sich viele Menschen registrieren. Man braucht eben diesen Ausweis mit Online-Funktion. Aber die wenigsten haben eben bisher einen solchen Ausweis. Das ist schon ein Problem, dass der Zugang gewisse Voraussetzungen erfordert.
Muss man sich auch registrieren, wenn man einen Organspendeausweis hat?
Das ist auf jeden Fall sinnvoll. Im Fall der Fälle ist der Ausweis oft nicht beim Patienten. Es gab schon mehrfach Fälle, bei denen die Angehörigen zufällig zu Hause einen solchen Ausweis gefunden haben. Wenn man einen Organspenderausweis hat, sollte man ihn direkt zur Krankenkassenkarte ins Portemonnaie legen.
Der zusätzliche Eintrag ins Organspenderegister ist einfach besser. Denn wir sind verpflichtet, die Daten dort abzurufen. Dort kann man seinem Willen Ausdruck verleihen.
Wer kommt aus ihrer Sicht als Organspender in Frage und welche Vorurteile gibt es?
Es kommt jeder Mensch in Frage, der eine schwerste Hirnverletzung hat, bei dem der Hirntod also zu erwarten oder schon eingetreten ist. Es gibt dabei keine Altersgrenze. Man kann auch mit über 90 Jahren noch Organe spenden und damit anderen Menschen helfen. Es gibt kaum medizinische Kontra-Indikationen. Es wird immer im Einzelfall geprüft.
Oft gibt es das Vorurteil, dass man vielleicht im Falle der Organentnahme noch nicht wirklich tot sei. Ich selbst mache seit 20 Jahren Hirntod-Diagnostik. Es gibt da ganz klare Richtlinien, von denen nicht abgewichen werden darf. Es handelt sich dabei auch um den gesamten Hirnfunktionsausfall, der unwiederbringlich festgestellt wird.
Wir haben eher das Problem, dass viele Patienten durchaus hirntot sind, wir aber aufgrund der strengen Richtlinien in Deutschland im Einzelfall das nicht sagen dürfen.
Wie oft haben sie im Klinikum Chemnitz diese Daten aus dem Register abgefragt?
Bisher ist das 45 Mal passiert. Das klingt sehr wenig, doch es ist ja auch eine seltene Art zu sterben. Einen Eintrag haben wir dabei allerdings bisher noch nicht gefunden. Es gab deutschlandweit innerhalb des ersten Jahres bisher eine Abfrage beim Transplantationsregister, bei der auch ein Eintrag verzeichnet war.
Es gab deutschlandweit innerhalb des ersten Jahres bisher eine Abfrage beim Transplantationsregister, bei der auch ein Eintrag verzeichnet war.
Gunnar Richter | Transplantationsbeauftragter des Klinikums Chemnitz
Bei welchen Organen sind die Wartelisten besonders lang?
Patienten, die auf eine Spenderniere brauchen, müssen mittlerweile zehn Jahre auf das Organ warten. In Ländern mit einer höheren Zustimmungsrate zur Organspende beträgt die Wartezeit dagegen nur ein bis zwei Jahre. Das ist deutlich geringer, vor allem wenn man die Lebensqualität der Betroffenen einbezieht.
Organspende in DeutschlandIm Jahr 2023 wurden in Deutschland mehr als 8.700 Spenderorgane benötigt, davon warteten mehr als 6.500 Menschen auf eine Niere, etwa 800 auf eine Leber, etwa 700 auf ein Herz, 100 auf eine Bauchspeicheldrüse und mehr als 280 auf eine Lunge.
Dem gegenüber standen 860 Organspenderinnen und Organspender, die 3.372 Organe spendeten.Bundesregierung / Pronova BKK
In anderen Ländern muss man aktiv widersprechen, um kein Organspender zu werden. Warum funktioniert das in Deutschland nicht?
Ich bin selbst Anhänger der Widerspruchslösung, weil ich denke, dass es nicht zu viel verlangt ist, wenn jeder sich einmal zu diesem Thema äußert. Ich denke allerdings, dass nur die Einführung der Widerspruchslösung den Mangel an Spenderorganen nicht ausreichend verbessern würde.
Die Bevölkerung muss darüber aufgeklärt werden, was es heißt, Organe zu spenden. Was sind Grundvoraussetzungen, bis zu welchem Alter kann man Organe spenden. Das sind alles Fragen, die noch ungenügend angesprochen werden und bei denen noch viel Unwissenheit selbst bei medizinischem Personal herrscht.
Vielen Dank für das Gespräch.
MDR (tfr)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Radioreport | 17. März 2025 | 13:00 Uhr