MigrationLandesregierung hält an Abschiebehaftanstalt fest - trotz ungeklärter Finanzierung
Die Thüringer Brombeer-Koalition hatte vor, eine eigene Abschiebehaftanstalt in Arnstadt einzurichten. Eine solche ist aber nicht mehr im Landeshaushalt enthalten. Trotzdem hält die CDU daran fest. Was zu den Hintergründen und dem aktuellen Stand bekannt ist.
Inhalt des Artikels:
Die geplante Abschiebehaftanstalt in der bisherigen Jugendarrestanstalt Arnstadt war eines der prominentesten Vorhaben der neuen Landesregierung. Schon während des Wahlkampfs vor der Thüringer Landtagswahl versprach Ministerpräsident Mario Voigt (CDU), damals CDU-Fraktionschef, eigene Abschiebehaftplätze in Thüringen.
Wir brauchen in Thüringen schnell Abschiebehaftplätze für Menschen ohne Bleiberecht.
Beate Meißner (CDU) | Ministerin für Justiz, Migration und Verbraucherschutz
Im Januar erklärte Migrationsministerin Beate Meißner (CDU): "Wir brauchen in Thüringen schnell Abschiebehaftplätze für Menschen ohne Bleiberecht. Deshalb ist es ein wichtiger Bestandteil des 100-Tage-Programms der Landesregierung, die notwendigen Vorkehrungen für deren zeitnahe Schaffung zu treffen."
Die 100 Tage sind vorbei, doch ob die "notwendigen Vorkehrungen" getroffen wurden, ist unklar. Konkrete Fragen dazu beantwortete das Ministerium nicht. Nur so viel, dass nach wie vor geplant sei, die Einrichtung im Sommer 2025 zu starten.
Finanzierung offen
Doch vor allem die Frage nach der Finanzierung ist noch offen. Denn die Mittel für die Abschiebehaftanstalt sind aus dem Haushaltsentwurf der Landesregierung gestrichen worden. Der Grund: Nur unter dieser Bedingung stimmt die Linke-Fraktion im Landtag dem Landeshaushalt zu.
Und ohne wenigstens eine Stimme aus der Opposition kann der Haushalt nicht beschlossen werden, denn die Regierungskoalition verfügt im Landtag nur über 44 der 88 Sitze. Deshalb einigten sich Brombeere und Linke auf diesen Kompromiss.
Dabei hatte die CDU immer wieder erklärt, das Projekt Abschiebehaftanstalt sei für sie nicht verhandelbar. Und auch jetzt halte die Brombeer-Koalition daran fest, erklärte CDU-Fraktionschef Andreas Bühl.
Die Landkreise haben großen Bedarf angemeldet, auf den der Freistaat nun reagiert.
Ministerium für Justiz, Migration und Verbraucherschutz
Ministerin Meißner sei ebenfalls von der Notwendigkeit der Einrichtung überzeugt, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Denn, so heißt es weiter: "Die Landkreise haben großen Bedarf angemeldet, auf den der Freistaat nun reagiert."
Thüringen plant 37 Abschiebehaftplätze für 2026
In einem ersten Schritt sollen im laufenden Jahr zunächst zehn Abschiebehaftplätze geschaffen werden, die voraussichtlich 2026 auf 37 aufgestockt werden sollen. Doch wie soll das Vorhaben umgesetzt werden?
Möglicherweise könne das Projekt über Geld aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, sagte CDU-Fraktionschef Bühl, und verwies auf die Vereinbarungen im Sondierungspapier zwischen CDU und SPD im Bund.
Kosten in Millionenhöhe für Umbau
Ob das die Lösung wäre, ist derzeit noch offen. Für die Umsetzung des Projektes braucht es Gelder in Millionenhöhe. Ganz konkret werden einem Konzept der Landesregierung zufolge Umbau und Umzug der Jugendarrestanstalt in Arnstadt mit grob zwei Millionen Euro Kosten veranschlagt.
Für die folgenden Jahre rechnet die Landesregierung mit laufenden Kosten in Höhe von rund 3,4 Millionen Euro jedes Jahr - für Personal- und Sachkosten.
Erwogen werde auch die Finanzierung über eine sogenannte außerplanmäßige Ausgabe direkt durch das Ministerium für Justiz und Migration, sagten Vertreter der Koalitionsfraktionen der Nachrichtenagentur "dpa".
Um die Einrichtung zu betreiben, soll auch Justizpersonal eingestellt werden. So sind in einer Kabinettsvorlage vom 18. März über im Haushalt festgeschriebene zusätzliche Stellen auch 18 neue Stellen im Justizvollzug genannt. Allerdings wird nicht näher darauf eingegangen, wo genau diese Stellen eingesetzt werden sollen.
Thüringen nutzt Abschiebehaftplätze in anderen Bundesländern
Die Kosten für die geplante Haftanstalt sind angesichts der angespannten Haushaltslage hoch. Zur Rechtfertigung verwies CDU-Fraktionschef Bühl darauf, dass Rot-Rot-Grün teure Abschiebehaftplätze außerhalb Thüringens gemietet habe.
Es stimmt, dass Thüringen angemietete Abschiebehaftplätze in anderen Bundesländern nutzt, da das Land seit 2014 keine eigene Abschiebehaftanstalt mehr hat. In Ingelheim in Rheinland-Pfalz hat der Freistaat einen eigenen Abschiebehaftplatz gemietet, der dauerhaft für Thüringen reserviert ist.
Dieser kostet laut dem Integrationsministerium Rheinland-Pfalz und basierend auf einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Thüringen und Rheinland-Pfalz seit Juli 2024 täglich 455,61 Euro, bei Nichtbelegung 11,50 Euro weniger. Zwischen Juli 2023 und Juni 2024 kostete der Haftplatz täglich 471,79 Euro.
Konkret zahlte Thüringen 2023 laut dem Thüringer Migrationsministerium 165.000 Euro für den Haftplatz in Ingelheim. 2024 betrugen die Kosten, so das Ministerium, 174.000 Euro.
2024 waren 29 Personen aus Thüringen in Abschiebehaft in Ingelheim
Der Platz war 2023 an 224 von 365 Tagen belegt. 2024 musste mindestens ein zusätzlicher Haftplatz in Anspruch genommen werden, so das Migrationsministerium. Die Haftplätze in Ingelheim "durch ausreisepflichtige Personen aus Thüringen" sollen im letzten Jahr an insgesamt 378 Tagen belegt gewesen sein.
2023 befanden sich laut Ministerium 14 Personen in Abschiebehaft, 2024 waren es 29 Personen.
Die Vereinbarung zwischen den beiden Bundesländern verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn die Vertragspartner dies übereinstimmend spätestens zum Jahresende erklären. Sie laufe noch bis zu einer Kündigung, hieß es aus dem Ministerium.
Linke: Millionenschwere Fehlinvestition
Eine einfache Berechnung zeigt, dass die geplanten Abschiebehaftplätze, die 3,4 Millionen jährlich kosten sollen, um einiges teurer wären als die angemieteten Plätze in Rheinland-Pfalz, für die Thüringen 2024 174.000 Euro gezahlt hat. Freilich nur dann, wenn die Zahl der Personen in Abschiebehaft ungefähr auf dem Niveau der Vorjahre bliebe.
So warnte "Die Linke" im Landtag vor einer "millionenschweren Fehlinvestition" und teurem Leerstand. Laut Brombeer-Regierung rechnet das Land jedoch mit einem steigenden Bedarf an Abschiebehaftplätzen. Hintergrund sind unter anderem die Entwicklungen auf Bundesebene. Werde mehr abgeschoben, brauche es auch mehr Abschiebehaftplätze.
Abschiebehaft muss gerichtlich angeordnet werden
Allerdings können Ausländer, die abgeschoben werden sollen, in Deutschland nur unter strengen Voraussetzungen in Abschiebehaft genommen werden. Dabei geht es unter anderem um Menschen, bei denen Fluchtgefahr besteht.
Die Haft muss von einem Gericht angeordnet und von der Strafhaft für verurteilte Täter getrennt werden. Sie ist also keine grundsätzliche Option für Menschen, die abgeschoben werden sollen, sondern ein letztes Mittel.
Die Landesregierung argumentiert aber damit, dass Ausländerbehörden auf die Beantragung von Abschiebehaft bisher teils verzichtet hätten - auch, weil der Aufwand für den Transport nach Rheinland-Pfalz zu groß gewesen sei. Eine Abfrage unter Ausländerbehörden habe ergeben, dass rund 30 parallel belegte Haftplätze benötigt würden.
Inzwischen hat auch Sachsen-Anhalt Thüringen eine Mitnutzung des für 2027 geplanten Abschiebegefängnisses in Volkstedt angeboten. "Hinsichtlich einer darüber hinausgehenden Zusammenarbeit ist Thüringen noch nie auf uns zugegangen", sagte ein Ministeriumssprecher des Innenministeriums Sachsen-Anhalt. Das Thüringer Migrationsministerium hat Fragen von MDR THÜRINGEN dazu nicht beantwortet.
Statt echte Lösungen zu finden, setzt die Landesregierung auf Abschottung und Abschreckung. Aber mehr Haftplätze bedeuten nicht - wie suggeriert - mehr Abschiebungen.
Flüchtlingsrat Thüringen
Der Flüchtlingsrat Thüringen kritisiert die geplanten Abschiebehaftplätze: "Statt echte Lösungen zu finden, setzt die Landesregierung auf Abschottung und Abschreckung. Aber mehr Haftplätze bedeuten nicht - wie suggeriert - mehr Abschiebungen." Abschiebehaft stelle einen enormen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, deshalb gebe es dafür hohe rechtliche Hürden.
Die Brombeer-Koalition ignoriert die Realität.
Katharina König-Preuss | Landtagsabgeordnete "Die Linke"
Katharina König-Preuss, Landtagsabgeordnete der Fraktion "Die Linke", wies darauf hin, dass der von Thüringen genutzte Abschiebehaftplatz in Ingelheim in den vergangenen Jahren häufig ungenutzt blieb. "Die Brombeer-Koalition ignoriert die Realität", sagte König-Preuss. Abschiebehaft sei ineffektiv, teuer und reine Symbolpolitik.
"Statt Steuergelder in Abschiebehaftplätze zu investieren, sollten diese Mittel besser in Integration, den Aufbau von Perspektiven vor Ort und gegebenenfalls Rückkehrberatung fließen."
Mehr zur geplanten Abschiebehaftanstalt
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 28. März 2025 | 18:00 Uhr