BildungspolitikDiskussion um neue Regeln bei Noten und Sitzenbleiben in Thüringen: Jenaplan-Schulen planen Protest
Das Bildungsministerium will die Regeln für eine Notenvergabe und das Sitzenbleiben in Thüringen ändern. Das Vorhaben stößt auch auf Kritik. Die Jenaplanschulen planen sogar einen Demonstration.
Inhalt des Artikels:
Die Pläne der Thüringer Landesregierung für eine überarbeitete Schulordnung stoßen in Thüringen auf Zustimmung, aber auch auf Ablehnung. Einzelne Gemeinschaftsschulen planen sogar eine Demonstration. In der Diskussion stehen dabei neue Versetzungsregeln, eine frühere Notenvergabe und das Vorhaben, Kopfnoten wieder einzuführen.
Thüringer Eltern kritisieren die geplante Wiedereinführung der Kopfnoten bis zur 8. Klasse. Die Thüringer Elternvertretung (LEV) bemängelt, dass für die Kopfnoten klare Bewertungsmaßstäbe fehlten.
Der Thüringer Lehrerverband (TLV) begrüßt dagegen Kopfnoten, wobei er auch die fehlenden Kriterien anspricht. "Die hier genutzte Skala von 1 bis 4 ist verwirrend, wenn andere Noten auf einer Skala von 1 bis 6 vergeben werden", sagt TLV-Vorsitzender Tim Reukauf. Da entstehe für Lehrer zusätzlicher Erklärungsbedarf und ein erheblicher Mehraufwand bei der Bewertung. Es sei im Wahlkampf versprochen worden, bestehende Aufgaben abzubauen.
Was sind Kopfnoten (zum Aufklappen)?
Mit Kopfnoten werden unter anderem Mitarbeit und soziales Verhalten der Schülerinnen und Schüler bewertet. Sie sind üblicherweise nicht relevant für die Versetzung der Schüler. Die Bezeichnung Kopfnoten ist darauf zurückzuführen, dass diese Noten auf dem Zeugnis oberhalb der restlichen Noten - am Zeugnis-Kopf - stehen.
Mehr zur Kritik an den Kopfnoten lesen Sie hier.
Elternvertreter: Sitzenbleiben ab Klasse 6 nicht an Gemeinschaftsschulen einführen
Elternvertreter und Lehrerverband befürworten dagegen zu großen Teilen die Pläne der Landesregierung, das Sitzenbleiben an Gymnasien oder Regelschulen wieder ab Klasse 6 zu ermöglichen.
Bisher können Kinder nach der 5. und nach der 7. Klasse auch dann in die nächsthöhere Klasse versetzt werden, wenn ihre Noten dafür eigentlich nicht ausreichend sind. Diese Möglichkeit soll gestrichen werden.
"Die Statistik gibt eindeutige Hinweise", schreibt das Ministerium. "Nach dem Abschaffen der Versetzungsentscheidungen zum Schuljahr 2011/12 sind die Wiederholerquoten in Thüringen deutlich nach oben geschnellt. In den 8. Klassen haben sie sich sogar verdreifacht." Ein Zusammenhang zur Abschaffung des Sitzenbleibens in der vorigen Klassenstufe liege nahe.
Heftige Kritik gibt es jedoch von Elternvertretern, dass die neuen Versetzungsregeln auch an den Gemeinschaftsschulen gelten sollen. In Gemeinschaftsschulen, die in Thüringen über eine größere Unabhängigkeit verfügen, lernen Kinder oft jahrgangsübergreifend. Dort können sie verschiedene Schulabschlüsse erlangen.
Die Thüringer Elternvertretung sieht durch die neuen Versetzungsregeln die Konzepte der oft jahrgangsübergreifenden Gemeinschaftsschulen in Thüringen insgesamt in Gefahr. Der jetzige Verordnungsentwurf sei ein Angriff auf die Existenz der Thüringer Gemeinschaftsschulen, heißt es.
Grund ist, dass im jahrgangsübergreifenden Unterricht die Schüler individueller lernen und dabei je nach Wissensstand auch Lehrstoff aus der nächsten oder vorherigen Klassenstufe lernen können. Damit würden mit den neuen Vorgaben hier innerhalb einer Jahrgangsstufe feste Kriterien fehlen, ab wann die Voraussetzungen für eine Versetzung vorliegen, erklärte eine Sprecherin.
Fassungslosigkeit bei Jenaplan-Schule über Änderung bei Noten
An den staatlichen Jenaplan-Schulen, die es etwa in Jena, Weimar und Erfurt gibt, reagierten Eltern überwiegend fassungslos auf die Vorgabe, dass es ab Klasse 6 Noten geben soll. Viele Eltern schicken ihre Kinder mit Bedacht an diese Schulen und verweisen auf überdurchschnittliche Prüfungsleistungen, obwohl Noten in Ziffernform erst ab der 8. Klasse erteilt werden.
Bisher können etwa an Jenaplan-Schulen die Leistungen über einen Zeugnisbrief in Worten ausführlich eingeschätzt werden - bis einschließlich der 7. Klasse. Auch der Thüringer Lehrerverband plädiert dafür, bei Montessori- oder Jenaplan-Schulen Ausnahmen zuzulassen.
Unser Ziel ist es, Schulleitungen zu stärken, indem wir klare und verlässliche Rahmenbedingungen schaffen.
Bildungsministerium
Doch das Ministerium schließt Ausnahmen etwa bei der Notengebung, die bisher auf Basis von Entscheidungen der Schulkonferenz möglich waren, in seinem Entwurf der neuen Schulordnung bislang aus. "Eigenverantwortung der Schulen bedeutet nicht Beliebigkeit. Unser Ziel ist es, Schulleitungen zu stärken, indem wir klare und verlässliche Rahmenbedingungen schaffen", begründet das Ministerium den Schritt.
Die Einführung verbindlicher Leistungsbewertungen und Versetzungsentscheidungen sorge dafür, dass Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler eine transparente Orientierung über den Lernfortschritt erhalten.
Jenaplan-Schulen planen Demonstration
Bei den Jenaplan-Schulen wird bereits Widerstand organisiert, in Weimar wurde Mittwoch eine Demonstration angemeldet. Auch die Linke in Weimar gibt sich schockiert. "Die Jenaplan-Schule hat mit ihrem pädagogischen Konzept nachweislich Erfolg", heißt es in einer Stellungnahme. Die geplante Verordnung sei ein Eingriff in den Schulfrieden und setze sich hinweg über Beschlüsse von Schulkonferenzen. Schulen müssten die Möglichkeit haben, gemäß ihrer zugelassenen Konzepte zu arbeiten.
Thüringer Bildungsminister plant neue Schulordnung
Auch die Thüringer Grünen haben die Pläne zur Änderung der Schulordnung kritisiert. "Es ist keine 100 Tage her, dass die Brombeer-Regierung einen Schulfrieden angekündigt hat - jetzt ruft die Landesregierung offenbar klammheimlich den Krieg gegen die Thüringer Gemeinschaftsschulen aus", sagte Grünen-Landessprecherin Ann-Sophie Bohm.
Die Grünen sind nicht mehr im neuen Landtag vertreten. Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, BSW und SPD geeinigt, die Gemeinschaftsschulen grundsätzlich bestehen zu lassen.
In den nächsten Tagen können sich die betroffenen Seiten, wie etwa die Landeselternvertretung, noch im Rahmen einer Anhörung beim Bildungsministerium zur neuen Schulordnung äußern. Der Thüringer Bildungsminister Christian Tischner (CDU) hatte die Änderung angeregt.
Dafür ist kein neues Gesetz nötig, sondern das Ministerium verabschiedet die Verordnung. Die neue Ordnung soll dem Vernehmen nach zum neuen Schuljahr gelten. Die abgelöste Minderheitsregierung hatte die Schulordnung nach langer Diskussion bereits einmal geändert.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Text unter anderem ergänzt um Statements des Lehrerverbandes und von Elternvertretern der Jenaplan-Schulen.
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MDR (KK/flog/rom)/dpa
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 17. März 2025 | 14:00 Uhr
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