Ein Polizeiauto steht vor dem Amtsgericht Weimar
Am Amtsgericht Weimar wurde am Donnerstag der Prozess gegen einen abgelehnten Asylbewerber fortgesetzt. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Michael Reichel

JustizAbgelehnter Asylbewerber erneut vor Gericht - Marokko: Nicht unser Staatsbürger

15. August 2024, 17:37 Uhr

Weil er einen Ukrainer versucht haben soll zu schlagen, ist am Donnerstag am Weimarer Amtsgericht ein Prozess gegen den abgelehnten Asylbewerber Tarik J. fortgesetzt worden. Dem mutmaßlichen Marokkaner werden daneben auch weitere Straftaten vorgeworfen, etwa Drogendelikte und Hehlerei. Seine Abschiebung verzögert sich indes weiter, weil Marokko seine Herkunft bestreitet.

Gegen den Mehrfachstraftäter und abgelehnten Asylbewerber Tarik J. ist ein Prozess am Amtsgericht Weimar fortgesetzt worden. Dem Mann wird versuchte Körperverletzung vorgeworfen. Laut Anklage soll er versucht haben, im Juni vergangenen Jahres einen Ukrainer zu schlagen.

Im Prozess am Donnerstag sagten Zeugen und Polizisten aus. Im Raum stand die Vermutung, dass Tarik J. sein mutmaßliches Opfer mit einer Bierflasche angreifen wollte. Dann wäre es versuchte gefährliche Körperverletzung. Dafür fehlten nach Informationen von MDR THÜRINGEN aber die Beweise. Die Beamten hatten es versäumt, Fotos am Tatort zu machen. Der Prozess soll am 29. August weitergehen.

Tarik J. werden zahlreiche weitere Straftaten vorgeworfen, darunter Drogendelikte, Hehlerei, Beleidigung und Körperverletzungen.

Sollten Asylbewerber zentral oder dezentral untergebracht werden? Wie kann Integration am besten gelingen, und was ist mit Ausreisepflichtigen? Was Linke, AfD, CDU, SPD, Grüne, FDP und BSW in ihren Programmen schreiben, lesen Sie hier.

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Die Linke will ein humaneres Asylrecht erreichen: Besondere Schutzbedarfe sollen bei Ankunft und Verteilung systematisch und frühzeitig erfasst werden. Erstaufnahmekapazitäten sollen landesweit ausgebaut werden, ebenso eine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung. Geflüchtete sollen ihren Aufenthaltsort in Thüringen frei wählen dürfen.

Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sollen nicht abgeschoben werden dürfen. Eltern oder Geschwister unbegleiteter Minderjähriger sollen einfacher nachziehen können.

Im Bundesrat will sich die Linke für eine Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes zu Gunsten eines solidarischen Einwanderungsgesetzes einsetzen. Das soll verbunden werden mit dem Abbau von Hürden beim Zugang zu Sprach- und Integrationskursen sowie in Arbeit. Der eingeschränkte Familiennachzug soll aufgehoben werden.

Die AfD meint, das Recht auf Asyl muss ausschließlich tatsächlich politisch Verfolgten vorbehalten bleiben. Eine Debatte zu Änderungen beim individuellen Rechtsanspruch auf Asyl darf aus ihrer Sicht kein Tabu sein. Die AfD will die Versorgungs- und Unterbringungsstandards für Asylbewerber senken. Ein "menschenwürdiges Existenzminimum" soll sichergestellt werden. Es soll vor allem Sachleistungen geben und möglichst wenig Bargeld. Die Gesundheitskarte für Asylbewerber will die AfD abschaffen und nur eine Mindestversorgung sicherstellen.

Die AfD will mitgeführtes Bargeld und Wertgegenstände von Asylbewerbern konfiszieren lassen und damit Versorgungskosten zum Teil abdecken.

Gewaltauffällige Asylbewerber sollen bis zur Abschiebung oder freiwilligen Ausreise in gesonderten Einrichtungen abseits von Ortschaften bzw. Abschiebehaftanstalten untergebracht werden. Grundsätzlich plant die Partei eine "Abschiebeinitiative" mit vom Land organisierten Flügen. Die Härtefallkommission für strittige Fälle soll abgeschafft werden.

Die AfD fordert den Stopp von Kirchenasyl und anderer Unterstützung für Asylbewerber sowie das Ende der öffentlichen Förderung für solche Initiativen.

In der Asylpolitik meint die CDU: Wer schutzberechtigt ist und Hilfe benötigt, dem wird geholfen. Wer keinen Schutzgrund hat oder sich nicht an die Regeln hält, der soll Deutschland nach dem Willen der CDU sofort wieder verlassen.

Unter Aufsicht einer Zentralen Ausländerbehörde sollen "Thüringer Zentren für Aufnahme und Rückführung" etabliert werden. In diesen Zentren sollen die Menschen untergebracht werden, die keine Bleibeperspektive haben. Von dort soll eine direkte Abschiebung erfolgen. Für Asylbewerber mit geringen Aussichten auf Anerkennung will die CDU beschleunigte Verfahren einführen.

In Erst- und Gemeinschaftsunterkünften will die CDU Geldleistungen vollständig auf Sachleistungen umstellen. Die Bezahlkarte für Asylsuchende soll thüringenweit eingeführt werden. Das Angebot gemeinnütziger Arbeitsgelegenheiten, zu deren Wahrnehmung Asylbewerber verpflichtet sind, soll ausgebaut werden.

Menschen aus der Ukraine sollen nach Willen der CDU nicht mehr sofort Bürgergeld, sondern zunächst Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.

Die SPD Thüringen vertritt laut Wahlprogramm eine soziale Migrationspolitik. Menschen, die Schutz benötigen, erhalten in Thüringen Asyl. Unabhängig von der Chance auf Anerkennung des Asylverfahrens sollen alle eine würdige und faire Behandlung erfahren.

Die SPD unterstützt die Arbeit kommunaler Ausländerbeiräte und Migrantenselbstorganisationen. Sie will den Zugang zu Sprachkursen und zum Arbeitsmarkt erleichtern. Der Wechsel vom Asyl in die Arbeitsmigration soll ausgeweitet werden.

Die SPD will die Bundesregelungen zum Familiennachzug und für die Arbeitserlaubnis für Geduldete vereinfachen. Kommunale Ausländerbehörden sollen zu Integrationsbehörden und Servicestellen weiterentwickelt werden. Ein Landesamt für Migration und Integration soll Fachkompetenzen und Expertise bündeln und auch für den Arbeitsmarkt positive Effekte erzielen.

Die Grünen verteidigen das Grundrecht auf Asyl. Sie treten für eine menschenwürdige dezentrale Unterbringung von Geflüchteten ein und den bedarfsgerechten Ausbau und die Modernisierung der Erstaufnahme. Sie wollen für nach Deutschland Geflüchtete von Beginn an Zugang zu Sprach- und Integrationskursen, Beratung und eine möglichst schnelle Teilhabe am Arbeitsmarkt. Sie verlangen ein bedingungsloses Recht auf Bildung zum Nachholen von Schulabschlüssen.

Kommunen sollen entlastet werden, etwa durch eine schnellere Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen. Im Programm wird die Einführung eines stichtagsunabhängigen "Spurwechsels" von der Asyl- in die Erwerbsmigration und die Ausweitung des Chancenaufenthaltsrechts gefordert. Die Grünen wollen das Konstrukt sicherer Herkunftsländer abschaffen und die Abschiebung in Krisenregionen oder Länder mit massiven Menschenrechtsverletzungen stoppen. 

Die FDP bekennt sich zum Recht auf Asyl. Sie möchte die Asylverfahren allerdings beschleunigen. Menschen, die nach Deutschland kommen, sollen schnell erfahren, ob sie eine Bleibeperspektive haben oder nicht. Dafür soll an der Erstaufnahmeeinrichtung eine Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge angesiedelt werden.

Wenn ein Verbleib möglich ist, sollen Geflüchtete unter Umständen auch schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die Kommunen will die FDP finanziell und organisatorisch so ausstatten, dass sie die Integration gut leisten können.

Eine neue zentrale Ausländerbehörde soll die Kommunen sowohl bei Identitätsfeststellungen als auch bei Abschiebungen unterstützen. Für letztere sollen spezialisierte Einheiten gebildet werden.

Das BSW bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl. Allerdings müsse sich die Verteilung und Integration geflüchteter Menschen an der kommunalen Leistungsfähigkeit orientieren. Daher will das BSW die Zahl der Migranten reduzieren. Das soll geschehen, indem Asylverfahren schon an EU-Außengrenzen sowie in Drittstaaten gestellt werden.

Außerdem will sich die Partei darum kümmern, dass Ausreisepflichtige das Land verlassen. Wer bleiben darf, soll schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden. Bereits während des Asylverfahrens sollen Bewerber einfache Tätigkeiten übernehmen.

Das BSW unterstützt die Bezahlkarte für Asylbewerber. Ihnen soll zudem ausschließlich das verfassungsrechtlich geforderte Existenzminimum in Form von Sachleistungen gewährt werden. Auch will das BSW Anreize für eine schnelle Ausreise.

Abschiebung bisher nicht möglich

Der Kreis Weimarer Land und die Stadt Apolda hatten sich vor einigen Wochen in einem offenen Brief an die Landesregierung gewandt und um Hilfe gebeten. Laut Landrätin Christiane Schmidt-Rose (CDU) ist der Mann nicht kontrollierbar. Die geplante Abschiebung des Mehrfachstraftäters verzögert sich weiter.

Innenminister Georg Maier (SPD) sagte MDR THÜRINGEN, das Problem sei nach wie vor die Nationalität des Mannes. Die marokkanische Regierung bestreite nach wie vor, dass es sich bei Tarik J. um einen ihrer Staatsbürger handele. Für die Thüringer Behörden sei das dagegen unstrittig. Maier versicherte, er bleibe an dem Fall dran, damit der Mann abgeschoben werde.

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MDR (adi/cfr)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 15. August 2024 | 19:00 Uhr