Forschung Der Biber: Nützliche oder lästige Wasserbauer?
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21. März 2025, 10:57 Uhr
Mehr als eine Million Euro ersparte eine Biberfamilie den tschechischen Steuerzahlern, weil sie – statt, wie geplant, Bagger – einen Damm anlegte und so einen Bach staute. Eine Meldung, die es bis in die Tagesschau brachte. Biberexperten und Wasserbauer waren wenig überrascht, forschen sie doch schon seit Jahren am Potenzial der Nagetiere Flächen zu vernässen.
Die Biber sind die Troublemaker der Umwelt. Sie brauchen, lieben und produzieren das Chaos. Zumindest dann, wenn man mit menschlichen Blick auf die Natur schaut und diese wohlgeordnet haben möchte, sagt Jan Schöne vom Biberhof Torgau und beschreibt das "Chaos" so:
Chaos oder natürliche Ordnung?
Was für uns unordentlich und chaotisch wirke, beispielsweise Bäume, die ins Wasser stürzen, Uferteile, die einbrechen, oder Wasser, was ursprünglich geflossen ist und jetzt angestaut stillsteht – diese Unordnung sei für viele andere Lebewesen, Tiere, Pflanzen, Pilze ein Hotspot, um sich anzusiedeln, führt Jan Schöne aus.
Biber-Mensch-Konflikte
Dabei beeinflussen Biber die Umwelt durchaus großflächig. Das hat man gerade erst in Tschechien beobachten könne, wo Biber auf einem ehemaligen Militärübungsplatz bei Prag die Renaturierung in Eigenregie übernommen hatten, bevor der Mensch die Pläne vom Papier in der Natur umsetzen konnte.
Anders in Dessau-Rosslau in Sachsen-Anhalt. Hier zerstörten Menschen einen Biberdamm. Das führte dazu, dass Biber ein Stück gewässeraufwärts einen neuen Damm bauten und Wasser stauten, was zur Kellerüberflutung eines nahegelegenen Mehrfamilienhauses führte.
Oder im Sommer 2024 im Kreis Wittenberg: Hier sorgten Biberbauten für Unmut bei Landwirten. Viele konnten ihre Felder nämlich nicht mehr bewirtschaften, weil sie zu nass waren.
Was kann der Mensch sich vom Biber abgucken?
Biber beeinflussen die Umwelt durchaus großflächig. Nordamerika wurde nach der massiven Jagd auf Biber (wegen ihres Fells) deutlich trockener und wärmer. In Zeiten den Klimawandels kein Pluspunkt mehr. Seit 2019 forschen deshalb tschechische und deutsche Wissenschaftler, wie man den natürlichen Baudrang der Biber nutzen könnte, um wieder mehr Nässe in die Landschaft zu bekommen. Das Projekt heißt "Grenzüberschreitendes Biberdamm-Management im Kontext des Klimawandels", kurz BIBOP. Daran ist auch Wasserbau-Ingenieur Torsten Heyer von der TU Dresden beteiligt. Er sagt: "Wir werden zunehmende Trockenperioden haben. Und wir haben das Problem des Waldsterbens, Borkenkäfer. Aufgrund der Biberaktivität, aufgrund der Art der hydraulischen, hydrologischen Effekte, würde ich erwarten, dass die Biberdämme einen positiven Einfluss haben könnten."
Biberforschung an Sebnitz, an der Bahre und im Schluckenauer Zipfel
Untersucht werden die Auswirkungen von Biberburgen und Staudämmen in der sächsisch-böhmischen Schweiz, einem Areal also, das in den vergangenen Jahren durch Dürre und Waldbrände in die Schlagzeilen geriet. Können die an der Sebnitz, der Bahre oder im Schluckenauer Zipfel lebenden Biber die Landschaft wieder feuchter machen? Ja, meint Jan Schöne, und beschreibt, was passiert, wenn Biber zum Beispiel schnurgerade Drainagegräben anstauen: "Sie können aus eintönigen, in der Sommersonne sich sehr aufheizenden Gräben und Wasserläufen wieder kleine Flussauen machen."
Und das sieht so aus: "Da bilden sich Kurven, kleine Ausspülungen und dann dauert es nicht lange, bis sich eine Menge Insekten ansiedeln, und andere Vögel, wie zum Beispiel der Eisvogel, der typischerweise auf den Biber folgt. Außerdem siedeln sich dann auch Amphibien an, weil plötzlich Laichgewässer da sind, was bei zunehmender Trockenheit immer wichtiger wird."
Das ist der offensichtliche positive Effekt der tierischen Wasserbauer. Wasserbau-Ingenieur Torsten Heyer interessiert dagegen vor allem, was nicht sichtbar ist, was im Untergrund passiert: "Wie also aufgrund des Aufstaus des Wasser, des Einsickern des Wassers in den Untergrund und vielleicht auch die Grundwasserneubildung, wenn es große Biberteiche sind, dadurch beeinflusst wird." Das wirke sich dann auch auf den lokalen Wasserhaushalt aus.
Was tun, damit das Wasser bleibt?
Wasser länger in der Landschaft zu halten, ist ein wichtiges Ziel von Landschaftsplanern und Ökologen. Allerdings baut der Biber seine Dämme und Stauseen nicht unbedingt dort, wo der Mensch sie gern hätte. Seine Arbeit kann konfliktträchtig sein, wenn er eben Flussdeiche unterminiert. Jan Schöne vermutet, dass wir uns auf lange Sicht vom Denkmodell, dass der Mensch die Natur gestaltet, verabschieden müssen: "Den Biber tut's am besten und damit auch uns, wenn wir ihn machen lassen. Wenn wir ihm Freiräume lassen und Lebensräume lassen, die er gestalten kann." Auch Menschen müssen Anpassungsleistungen erbringen.
Aber auch menschliche Forschungsleistung ist noch zu erbringen. Wie funktionieren die Biberdämme hydrologisch? Kommen Fische an ihnen vorbei oder stromaufwärts durch sie hindurch oder zerschneiden sie Gewässer? Und schließlich: welche Strecken legen die Biber über Land zurück? Damit man nicht wie die Tschechen von einem Biber auf einem Truppenübungsplatz überrascht wird.
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | Sachsen-Anhalt heute | 19. März 2025 | 19:00 Uhr