Als Reaktion gegen wachsende illegale Migration an den Grenzen Sachsens forderte Innenminister Armin Schuster strengere Regeln in der Asylpolitik. Demnach sollten Asylbewerber aus sicheren Drittstaaten bereits an der Grenze zurückgewiesen werden. Das sorgt für Kritik. SPD-Bundespolitiker Lars Castellucci zufolge verstößt das gegen EU-Recht. Das müsse eingehalten werden. Castellucci verweist auf bereits bestehende Maßnahmen zwischen dem Bund und Ländern.
Der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci hat die Forderung aus Sachsen kritisiert, dass Asylbewerber an der Grenze zu Tschechien und Polen zurückgewiesen werden sollen. Das verstoße laut dem Vize-Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses gegen EU-Recht.
Sachsens Innenminister Armin Schuster hatte am Dienstag strengere Regeln in der Asylpolitik gefordert. Asylbewerber aus sicheren Drittstaaten sollten an der Grenze zurückgewiesen werden. Dabei hat der CDU-Politiker auch eine Botschaft nach Berlin geschickt und dabei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) direkt angesprochen: Die Bundespolizei dürfe Menschen an der Grenze, die aus sicheren Drittstaaten kommen, nur abweisen, "wenn das die Bundesinnenministerin anweist. Und das tut sie bisher nicht".
Der Innenminister von Sachsen forderte bei MDR AKTUELL weiter, dass Nancy Faeser bald eine Abschiebung von Intensivstaftätern umsetzen solle. "Und zweitens die verschärften Zurückweisungen an der Grenze. Ansonsten läuft sie in Probleme, die jeder mit Händen greifen kann", sagte Schuster. Er hatte zudem kürzlich, ebenso wie Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) vorgeschlagen, in Sachsen eine eigene Grenzpolizei aufzubauen.
Castellucci: Auf EU- und Bundesebene bereits daran gearbeitet
Gegen die Forderung einer Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze spricht allerdings EU-Recht, sagt SPD-Politiker Castellucci. "Das sagt, dass jemand, der an der Grenze bei uns auftaucht und um Asyl bittet, das dessen Antrag geprüft werden muss." Das bestehende Recht müsse eingehalten werden.
Zudem habe die Bundesregierung auch gemeinsam mit den Länderchefs nach längeren Verhandlungen bereits ein großes Paket verabschiedet, sagte Castellucci weiter. "Da sinken die Zahlen auch schon. Wir sind in diesem Jahr bereits 20 Prozent unter den Asylzahlen vom letzten Jahr. Es gibt schon mehrere 10.000 Zurückweisungen oder Verminderung von unerlaubten Einreisen." Dennoch sei man da noch nicht am Ziel, gebe er zu und stimmte an dieser Stelle Schuster zu.
Doch laut Castellucci habe man auf europäischer Ebene an einer besseren Lastenverteilung zwischen den Ländern der EU gearbeitet. "Wir haben jetzt einen Durchbruch beim europäischen Asylsystem." Im Mai hat die EU die Reform des "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems" endgültig beschlossen. Auch da werde nach Lösungen gesucht.
Zusammenarbeit mit Polen und Tschechien intensiviert
Auf die Frage, ob es nun zu Kompetenzstreitigkeit zwischen Bundes- und Landespolizei kommen könne, antwortete Castellucci im Gespräch mit MDR AKTUELL, dass man "mal jeden seine Arbeit machen lassen soll". Auf Bundesebene habe man begonnen, die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern zu intensivieren. So werde etwa gemeinsam mit Polen und Tschechien stärker gemeinsam versucht, Schlepper und Schleuser aufzugreifen.
"Ich glaube, wenn jeder im Land seine Arbeit macht, dann kommen wir auch bei diesem schwierigen Thema besser voran", sagte Castellucci und spielt den Ball zurück. "Herr Schuster ist übrigens auch für Abschiebungen zuständig, denn das machen die Bundesländer."
Welche Schritte sollte Sachsen aus Sicht von CDU, AfD, Linke, Grünen, SPD, FDP und BSW im Bereich Asylpolitik unternehmen? Wie können die Kommunen besser bei Unterbringung, Versorgung und Integration unterstützt werden? Hier erhalten Sie einen Überblick.
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Die CDU sieht Migration aus humanitären Gründen und gesteuerte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt getrennt. Menschen mit Bleiberecht sollen integriert werden. Die Kommunen sollen dabei unterstützt werden, Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive zügig in ein geregeltes Arbeitsverhältnis zu vermitteln. Familiennachzug soll auf die Kernfamilie begrenzt werden.
Für beschleunigte Asylverfahren setzt die CDU auf Digitalisierung und darauf, dass Daten durchgängig zwischen Behörden ausgetauscht werden können. Abgelehnte Asylbewerber ohne Bleiberecht sollen zügig zurückgeführt werden. Dafür soll eine Polizei-Einheit ausgebaut werden.
Im Kampf gegen Schleuserkriminalität plant die CDU gemeinsame Streifen von sächsischer und polnischer bzw. tschechischer Polizei.
Auf Bundesebene will sich die CDU für eine Obergrenze von maximal 60.000 Asylbewerbern pro Jahr einsetzen. Tunesien und Marokko sollen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Europaweit ist sie für eine Angleichung der Leistungen für Geflüchtete und eine faire Verteilung. Asylverfahren will die CDU unter Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze außerhalb der EU durchführen lassen.
Die AfD will, dass unkontrollierte Einreisen verhindert werden. Bereits vor Gestattung der Einreise soll vorgeprüft werden, ob Schutzansprüche vorliegen. Nur wenn die Prüfung zu einem positiven Ergebnis kommt, soll eine Einreise gestattet werden und ein Asylverfahren anlaufen können. Migranten, die aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland einreisen wollen, soll die Einreise verweigert werden. Gegen ausländische Schleuser soll ein dauerhaftes Einreiseverbot verhängt werden.
Die Zahl der zugewiesenen Asylbewerber und Flüchtlinge überfordert laut AfD die Gemeinden. Vor allem bei der Unterbringung z.B. in kleinen Gemeinden sieht sie den sozialen Frieden gestört. Deshalb will sie einen Aufnahmestopp für Asylbewerber auf Länderebene erwirken. Die AfD setzt sich für die Schaffung von Zentren im Ausland ein, in denen alle Asylanträge geprüft und entschieden werden. Abschiebungen sollen konsequent durchgeführt werden. Das will die AfD auf Bundesebene einfordern und auch auf Landesebene "alles Zweckdienliche" unternehmen.
Die Partei will, dass komplett von Geld- auf Sachleistungen umgestiegen wird. Mitgeführtes Bargeld und Wertgegenstände von Asylbewerbern sollen genutzt werden, um die Versorgung zu finanzieren.
Die Linke will eine grundsätzliche Wende in der sächsischen Asyl- und Migrationspolitik. Sachsen soll ein offenes Land werden mit gleichen Rechten auf soziale Sicherung und Teilhabe für Eingewanderte.
Familiennachzug soll über Aufnahmeprogramme unterstützt werden. Die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten soll Standard werden. Die Linke setzt sich dafür ein, dass Geflüchtete bei freier Wohnortwahl in ganz Sachsen in eigenen Wohnungen leben können.
Geflüchtete sollen vom ersten Tag an eine elektronische Gesundheitskarte mit dem gleichen Leistungsumfang wie einheimische Empfänger von Sozialleistungen erhalten. Bezahlkarten sollen diskriminierungsfrei und unter Beachtung des Datenschutzes umgesetzt werden.
Die Linke will allen Geflüchteten, die seit mindestens drei Jahren in Sachsen leben, einen Aufenthaltstitel erteilen. Abschiebehaft will die Partei abschaffen.
Die Grünen wollen "Sachsen zum sicheren Hafen für Asylsuchende" machen. Um sicheres Wohnen für Asylsuchende zu gewährleisten, sollen die Lebensbedingungen in Aufnahmeeinrichtungen verbessert werden. Der Aufenthalt dort darf nach Ansicht der Grünen nicht länger als drei Monate dauern, danach soll ein Transfer in eine kommunale, möglichst dezentrale Unterkunft erfolgen.
Den sächsischen Leitfaden zur Abschiebung wollen die Grünen überarbeiten, damit u.a. Familientrennungen, Nachtabschiebungen und Abschiebungen beim Wunsch zu freiwilliger Ausreise nicht mehr stattfinden. Außerdem fordert die Partei eine Abschiebebeobachtung, die den ganzen Prozess der Abschiebung in den Blick nimmt, nicht nur am Flughafen.
Für erwachsene Zugewanderte möchten die Grünen den Spracherwerb erleichtern und Sprachkursangebote von Anfang an und für alle anbieten. Sprachangebote sollen niedrigschwellig angelegt sein. Berufsbezogene Sprachkurse, in die die Expertise verschiedener Berufsgruppen einfließt, sollen erweitert werden.
Die SPD spricht sich für humanitäre und rechtsstaatliche Asylverfahren aus. Dabei will sie klar kommunizieren, wann Chancen auf ein Bleiberecht bestehen und wann nicht. Die Verfahrensdauern insgesamt sollen sinken. Wer hier jedoch kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht hat, muss das Land wieder verlassen, wenn das möglich und zumutbar ist.
Geflüchtete junge Menschen ohne Bildungsabschluss will die SPD so schnell wie möglich in Schul- oder Ausbildung bringen, um die Integration zu befördern und ihnen eine Perspektive zu bieten.
Bereits gut integrierte Menschen sollen auch bleiben können. "Wer hier arbeitet und Steuern zahlt, der oder die darf nicht einfach abgeschoben werden", heißt es im Programm. Das neue Chancen-Aufenthaltsrecht auf Bundesebene will die SPD dafür bestmöglich in Sachsen umsetzen.
Die Partei will Aufnahmeanreize für Kommunen schaffen und verlässliche Mittel für die Integration Geflüchteter bereitstellen. Dafür sollen Pauschalen angepasst werden.
Gleichzeitig soll die Rückkehrberatung weiter gefördert werden. Dort sollen Ausreisewillige Hilfe bei der Finanzierung, Organisation und Planung der Rückkehr ins Herkunftsland bekommen.
Die FDP bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl sowie zu den europa- und völkerrechtlichen Verpflichtungen im Bereich des Flüchtlingsrechts. Gleichzeitig fordert die Partei eine stringente Anwendung bestehender Asyl- und Zuwanderungsregeln. Sie will sich dafür einsetzen, dass Asylanträge in der Regel innerhalb von drei Monaten bearbeitet und entschieden werden. Abschiebungen sollen konsequent durchgeführt werden.
Wo es die Rahmenbedingungen erlauben, zieht die FDP die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen vor. Diese erlaubt ihrer Ansicht nach eine schnellere und kostengünstigere Integration und ist weniger konfliktbehaftet.
Die FDP will Flüchtlinge von einer Abschiebung ausnehmen, die einen Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag haben oder schon in Berufsausbildung oder in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung stehen.
Zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität setzt sich die FDP für Schleierfahndungen bzw. flexible Kontrollen ein. Die Einrichtung von stationären Grenzkontrollen an den sächsischen EU-Binnengrenzen lehnt die Partei ab.
Das BSW bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl. Dennoch haben der Partei zufolge aktuell nur ein bis zwei Prozent der in Deutschland ankommenden Zuwanderer einen Schutzstatus im Rahmen des Asylrechts.
Unkontrollierte Migration soll gestoppt werden. Asylanträge sollen an den EU-Außengrenzen und in Drittstaaten gestellt und entschieden werden und nur Schutzberechtigte in Deutschland Anspruch auf Unterstützung und Sozialleistungen haben. Grundsätzlich muss aus BSW-Sicht gelten, dass nur Menschen bleiben können, die sich an Recht und Gesetz halten.
Das BSW will eine landesweite Bezahlkarte, um das Überweisen von deutschem Steuergeld ins Ausland und das Bezahlen von Schleusern zu erschweren. Für ausreisepflichtige Asylbewerber soll maximal das verfassungsrechtlich geforderte Existenzminimum in Form von Sachleistungen gewährt werden.
Migrationspolitik und Bildungspolitik sollen aus einem Guss sein, das heißt für das BSW verpflichtende Deutschkurse und frühkindliche Sprach- und Bildungstests.
Das BSW will sich systematisch darum kümmern, dass Ausreisepflichtige das Land verlassen. Intensivtäter sollen dringend abgeschoben werden.
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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 10. Juli 2024 | 07:48 Uhr