Mysteriöser Leichenfund 2016 Cold Case in Dessau: Neue Ermittlungsansätze im Fall des Toten in der Kiste
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24. Juni 2024, 15:45 Uhr
Ein acht Jahre alter Cold Case aus Dessau wird seit Anfang des Jahres in Magdeburg untersucht. Nach wie vor ist die Identität des Toten in der Kiste, der 2016 bei Vockerode gefunden wurde, ungeklärt. Nun suchen die Kriminalisten in Magdeburg nach dem Namen des Opfers und seinen Mördern – mit neuen Ermittlungsansätzen.
- Im Sommer 2016 findet ein Paddler am Ufer der Elbe bei Dessau eine Metallkiste mit einer Leiche darin. Bis heute ist ungeklärt, wer der Tote war.
- Nun hat die Polizei in Magdeburg die Ermittlungen zu dem Cold Case übernommen.
- Die Ermittler hoffen, den Fall mit neuen Ansätzen lösen zu können.
Der Friedhof in Oranienbaum ist ein beschaulicher Ort. Grabsteine erinnern an Verstorbene, Vögel zwitschern von den Zweigen, das frische Grün der Bäume spendet Schatten. Gegenüber dem Grab italienischer Kriegstoter, unter einem Bergahornbaum, ist ein unscheinbarer Grabstein in den Rasen eingelassen. Kein Name ziert den Stein, er ist einfach nur traurig grau, am Rand wächst der Rasen leicht darüber. Tracy Hering hält an der unscheinbaren Grabstätte inne, fegt mit der Hand Blätter und Staub weg. Auch jetzt gibt der Stein nicht preis, wessen Grab er bedeckt. Der Name des Toten ist bis heute nicht bekannt.
Ermittlungen seit acht Jahren
Rückblick, 5. Juli 2016: Ein Freizeitpaddler gleitet über die Elbe bei Dessau. In Höhe Vockerode bemerkt er eine große Metallkiste im Uferbereich. Die Kiste ragt aus dem Wasser. Er informiert die Polizei über seine Beobachtung. Beamte der Wasserschutzpolizei Magdeburg fahren zum Fundort, öffnen die Kiste und finden den Leichnam des bis heute unbekannten Toten. Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau leitet ein Ermittlungsverfahren ein. Die Identät und die Umstände des Todes sollen geklärt werden. Obwohl von den Ermittlern der Polizeiinspektion Dessau alles getan wurde, ist das bis heute nicht gelungen.
Was über den Toten bekannt ist
Gerichtsmedizinische Untersuchungen ergeben, dass der Tote aus Südosteuropa stammt und in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod viel Zeit im süddeutschen Raum verbracht hat. Er war zirka 45 bis 60 Jahre alt, hatte eine athletische Statur, war etwa 1,80 Meter groß und 75 Kilo schwer.
Auffällig: eine Tätowierung mit dem Namenszug Michaela auf dem Unterarm. Auch in einen Goldring an der Hand des Toten ist der Name eingraviert. Eine länderübergreifende Prüfung aktueller Vermisstenfälle ergibt keinen Treffer. Eine Expertin des Landeskriminalamts rekonstruiert das Gesicht des Toten, mit dem seither gesucht wird. Eine Belohnung wird ausgelobt – bis heute ohne Ergebnis.
Die Kiste
Die Kiste, in der die Leiche lag, war Massenware. Eine große Werkzeugkiste ohne Anhaltspunkte für ihre Herkunft. Sie war von der Elbebrücke der Autobahn 9 zwischen Coswig und Vockerode in die Elbe gewuchtet worden. Nach heutigem Ermittlungsstand geht die Polizei davon aus, dass die Kiste bis zum 5. Juli 2016 auf die Elbbrücke transportiert wurde. Trotz zahlreicher Ermittlungsansätze und Veröffentlichungen im Ausland ist der Fall bis heute ungeklärt.
Neue Ermittlungsansätze
Der Fall wurde nun als Cold Case, als ungeklärter Kriminalfall an die Polizei in Magdeburg übergeben. "Das ist ein übliches Verfahren", erklärt Tracy Hering. Die Sprecherin der Polizeiinspektion Magdeburg begründet das damit, dass andere Ermittler mit einem neuen Blick auf einen Fall gucken und möglicherweise neue Ermittlungsansätze haben könnten.
Anja Flagmansky leitet das Fachkommissariat 2 für Gewaltdelikte. Sie versichert, dass die Kollegen in Dessau gründlich und gut gearbeitet haben. Zuletzt hatten sie DNA-Spuren des Toten an zwei Labors für Ahnenforschung in den USA geschickt, in der Hoffnung, dass Rückschlüsse auf Verwandte des Toten gewonnen werden können. Das Ergebnis steht noch aus.
Die Magdeburger Ermittler befragten Tätowierer und einen Hautarzt. Nach deren Einschätzungen war die Tätowierung auf dem Unterarm noch relativ jung. Maximal ein Jahr vor seinem Tod hat sich der Unbekannte das Tattoo stechen lassen. Möglicherweise könnte ein Tätowierer die Arbeit wiedererkennen. Hier soll über sachsen-anhaltische Tätowierer und deren Kontakte international gesucht werden.
Neue Plakate
Der britische forensische Künstler Hew Morrison hat eine neue Gesichtsrekonstruktion vorgenommen. Gemeinsam mit der aus dem Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt und einer bislang unveröffentlichten Seitenansicht mit einer markanten Eintiefung im Schädel wurde die für ein neues Plakat verwendet, das tausendfach in Deutschland und im europäischen Ausland ausgehängt werden soll.
Ausländische Polizeidienststellen wurden um Amtshilfe gebeten, auch englischsprachige Flyer wurden gedruckt. Die Polizei hofft, dem Toten seinen Namen wiedergeben zu können, vielleicht die unbekannte Michaela zu finden, der das Tattoo gewidmet war. Und im zweiten Schritt doch noch die Mörder zu finden.
MDR (Annette Schneider-Solís), zuerst veröffentlicht am 21.06.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 21. Juni 2024 | 19:00 Uhr