Fehler beim WasserzählerLeipzigerin soll mehr als eine Million Liter Wasser verbraucht haben

15. März 2024, 18:47 Uhr

In einem Leipziger Einfamilienhaus soll sich der Jahres-Wasserverbrauch von 70 auf rund 1.200 Kubikmeter erhöht haben. Das zeigte der Wasserzähler an. Silke Werrmann, der das Haus gehört, stand vor einem Rätsel und bat die Umschau um Hilfe. Der Wasserzähler hatte einen seltenen Defekt, wie sich bei der Prüfung durch das Eichamt herausstellte.

von Redaktion Wirtschaft und Ratgeber

Verbrauch von rund 8.000 Badewannen Wasser

1,2 Millionen Liter Wasser soll die Leipzigerin Silke Werrmann 2023 zur Bewirtschaftung eines leerstehenden Hauses verbraucht haben. So stand es in der Jahresendabrechnung der Leipziger Wasserwerke. Werrmann pflegt das Haus ihrer verstorbenen Eltern seit 2020. Ein angrenzender Garten ist über eine automatische Bewässerungsanlage versorgt. Hin und wieder wird die Terrasse mit dem Hochdruckreiniger gereinigt. 1,2 Millionen Liter Wasser entspricht etwa dem Fassungsvermögen von 8.000 Badewannen.

Silke Werrmann
Silke Werrmanns Wasserzähler zeigte einen gigantischen Verbrauch an: rund 8.000 Badewannen voll Wasser in einem Jahr. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ihre Eltern hatten zuletzt rund 140 Kubikmeter Wasser verbraucht – mit alltäglicher Nutzung von Küche und Bad. Nach dem Tod der Eltern benötigte Werrmann selbst im Durchschnitt nur noch 50 Kubikmeter pro Jahr. "Mir ist absolut schleierhaft, wo das Wasser hin sein soll. Wir haben ja nicht mal eine Badewanne. Das Haus ist unbewohnt", erklärte sie dem MDR-Magazin Umschau.

Wir haben ja nicht mal eine Badewanne. Das Haus ist unbewohnt.

Silke Werrmann

Keine Mängel an Wasserleitungen entdeckt

Silke Werrmann machte sich auf Fehlersuche. Sie vermutete zunächst ein Leck in einer der Wasserleitungen und ließ diese von einem Klempner prüfen. Sanitärinstallateur Andreas Dorn konnte nichts finden. "Die Wasseranschlüsse sind alle dicht. Wir konnten keinen Fehler feststellen", sagte er ihr beim gemeinsamen Vor-Ort-Check. Auch der Druck in den Rohren sei im normalen Bereich.

Andreas Dorn
Sanitärinstallateur Andreas Dorn fand kein Leck an den Wasserleitungen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ein Wasserhahn müsse 200 Tage laufen, um einen Verbrauch von 1,2 Millionen Kubikmeter zu verursachen, schätzte er. Für möglich hielt der Handwerker jedoch Fehler bei der Messung des Verbrauchs durch einen Defekt des Wasserzählers. Er vermutete, dass es zu einem sogenannten Rollensprung und damit zu einer falsch angezeigten Zahl gekommen ist.

Stichwort RollensprungEin herkömmlicher Wasserzähler erfasst die Durchflussmenge mit einem kleinen mechanischen Rollenzählwerk. Die Zahlenrollen greifen ineinander. Schaltet dieses Getriebe zum Beispiel von 199 auf 200, drehen sich gleichzeitig mehrere Rollen. Das ist der Moment, in dem es zum Rollensprung kommen kann und sich eine Rolle weiterdreht, obwohl sie das nicht tun sollte. Dann wäre es auch möglich, dass der Wasserzähler etwa plötzlich die Zahl 1.200 anzeigt.

Erschütterungen können zu schwer nachweisbarem Rollensprung führen

Das "unkontrollierte Weiterdrehen irgendeiner Zahlenrolle", also der Rollensprung, ist laut Diplomingenieur Georg Hofmann kaum nachweisbar. Der Leipziger ist Spezialist auf diesem Gebiet und berät Betroffene bundesweit. "Das ist kein spontaner Vorgang, das erstreckt sich über Stunden oder Tage", erklärte er der Umschau.

Georg Hofmann ist Experte für Rollensprünge bei Wasserzählern und berät bundesweit Betroffene. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Verursacht werden könne so eine Fehlleistung des Wasserzählers wenn Bauarbeiten in der näheren Umgebung durchgeführt werden. "Ein Rollensprung kann ausgelöst werden, wenn Erschütterungen durch Straßenbauarbeiten auftreten. Insbesondere in der Nähe der Hauswand, wo der Wasserzähler angebracht ist", so der Experte. Auf seiner Homepage schreibt der Ingenieur zudem: "Rollensprünge in Verbindung mit Fehlanzeigen von Wasserverbräuchen sind spätestens seit den Jahren 2010 und 2011 nach einem bekanntgewordenen Produktionsfehler bei einem Hersteller von Messeinsätzen nicht mehr wegzudiskutieren. Das veranlasste zum Beispiel die Stadtwerke Arnsberg, 350 Wasserzähler vorsorglich auszutauschen."

Ein Lichtblick für Silke Werrmann. Ihr fiel ein, dass in der Straße vor ihrem Elternhaus ein Glasfaserkabel verlegt wurde. Das bestätigte das Tiefbauamt Leipzig auf MDR-Anfrage. Rohre seien neu verlegt worden, erinnerte sich Werrmann. Zur Verfestigung des Erdreichs sei im Anschluss eine Rüttelplatte zum Einsatz gekommen. "Erschütterungen gab es auf alle Fälle", betonte sie.

Leipziger Wasserwerke lassen Zähler durch Eichamt prüfen

Die Leipziger Wasserwerke beauftragten schließlich das Eichamt, den Wasserzähler zu prüfen. Es stellte sich heraus, dass er defekt ist. "Es gab starke Ablagerungen von kleinen Steinchen, selbst im Zählergehäuse. Die vierten und fünften Zahlenrollen sind bei bestimmten Belastungen und Umständen nicht fest und können sich unkontrolliert umdrehen", steht im Prüfbericht des Eichamtes, wie die Behörde auf MDR-Anfrage mitteilte. Silke Werrmann wurde der Prüfbericht nach eigenen Angaben durch die Wasserwerke bislang allerdings nicht zugestellt. "Aktueller Stand ist, dass der Zähler durch die Befundprüfung gefallen ist, ich aber leider überhaupt nichts in den Händen habe, auch den Prüfbericht nicht", sagte sie zur aktuellen Lage.

Klar ist jedoch: Silke Wermann muss nicht für die zunächst fälschlicherweise erfassten 1,2 Millionen Liter Wasser zahlen. Das teilten die Leipziger Wasserwerke der Umschau bereits mit. Es solle eine neue Berechnung für das Jahr 2023 erstellt werden und dafür der Durchschnittsverbrauch der vorangegangenen drei Jahre zugrunde gelegt werden. Ein gängiges Vorgehen, heißt es, laut gesetzlicher Verordnung "für die Zeit seit der letzten fehlerfreien Ablesung".

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Umschau | 12. März 2024 | 20:15 Uhr