Handwerk Viel Nachwuchs, wenig Meister: Wieso Schornsteinfeger in Thüringen nicht mehr so hoch hinauswollen
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15. März 2025, 08:47 Uhr
In Thüringen fehlen immer mehr Schornsteinfegermeister. Von 200 Kehrbezirken sind 16 nicht besetzt und müssen von Nachbarbetrieben vertreten werden. Die Branche freut sich über Nachwuchs, sucht aber Meister.
"Wir gehen bei den Menschen durchs Schlafzimmer oder stehen in der Küche – das ist totales Vertrauen, mit dem wir arbeiten", sagt Marco Beierlein über seinen Beruf. Er ist Schornsteinfegermeister und hat seinen eigenen Betrieb in Neustadt an der Orla.
Aber neben den Tätigkeiten im "geilsten Job, den es gibt", fällt als Meister noch mehr an: Kehrbücher schreiben, Abnahmen ausstellen und Bescheide schreiben. Denn vor knapp 30 Jahren hat er seinen eigenen Bezirk übernommen.
Etliche Bezirke sind nicht besetzt
In Thüringen sind von 200 Kehrbezirken 16 nicht besetzt und müssen von anderen Firmen vertreten werden. Das heißt: Im Land wird jeder Kreis durch mehrere Betriebe betreut, die dann prüfen, vermerken und schriftlich festhalten.
Sie kommen dann zum Einsatz, wenn beispielsweise Hausbesitzer einen Kamin einbauen oder Kontrollbesuche erfasst werden müssen. Diese Aufgaben erfolgen nach Landesrecht und dürfen deshalb nur von "bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegern" ausgeübt werden. Es herrscht Meisterpflicht.
Unter anderem in Gera, im Wartburgkreis und im Kyffhäuserkreis fehlt es an genau diesen Meisterbetrieben. Gesucht werden Meister, die hohe Qualifikationen haben. Bleibt ein Bezirk lange unbesetzt, dann teilen sich andere Betriebe diesen auf.
Wir kommen zu den Leuten nach Hause, bekommen oft auch Bescheid, wo der Schlüssel liegt, wenn keiner da ist.
Je länger die sich in ihrem Umkreis einen Kundenstamm aufbauen, desto schwieriger sei es für neue Betriebe, sich neu anzusiedeln. "Wir kommen zu den Leuten nach Hause, bekommen oft auch Bescheid, wo der Schlüssel liegt, wenn keiner da ist", so Beierlein, der zugleich Landesinnungsobermeister der Schornsteinfeger Thüringen ist. Ein ständiger Wechsel der Schornsteinfeger widerspräche dem Vertrauen, dass ihnen entgegengebracht wird.
Der Nachwuchs ist da
An Nachwuchs mangele es nicht, so der 55-Jährige. Die Branche habe die vergangenen Jahre viel um Azubis geworben - mit Erfolg. Nur wollen viele nicht weitermachen, wenn sie dann einmal Facharbeiter sind. Sozial abgesichert sein, ein sicheres Gehalt haben und nach Möglichkeit nicht weit von zuhause entfernt arbeiten – das tauschen immer weniger gegen Risiko und Selbstständigkeit.
Du brauchst ein Firmenauto, Angestellte, ein Büro – da muss man sich überlegen, ob das Geld da ist.
Aber die Arbeit in einem Bezirk erfordert auch einen eigenen Betrieb. Neu gründen muss gut durchdacht sein. Auch weil jeder Bezirk nach sieben Jahren neu ausgeschrieben wird. Auch das setze manch ambitionierten Handwerker unter Druck. "Du brauchst ein Firmenauto, Angestellte, ein Büro – da muss man sich überlegen, ob das Geld da ist", sagt der Vertreter der Schornsteinfeger. Er selbst habe den Bezirk von seinem Vater übernommen und konnte ihn immer behalten.
Laut Landesverwaltungsamt braucht es für die Übernahme eines Bezirks mehr als den Meistertitel: Weiterbildungen, spezielles Fachwissen und gegebenenfalls Qualifikationen etwa für Nachhaltigkeit oder Brandschutz.
Schreibtischarbeit schreckt viele junge Handwerker ab
Wer da mithalten will, sitzt viel am Schreibtisch, heißt es von der Innung. Das sei für viele junge Schornsteinfeger nicht so attraktiv, die wollen anpacken. Die Verantwortung und die Bürokratie schrecke eher ab. "Ich möchte auch noch die richtige Arbeit machen, wie man sich das vorstellt, aufs Dach steigen und den Kontakt zu den Kunden haben", sagt der Meister. Mit einem Angestellten muss er aber den Papierkram für seinen Bezirk erledigen. Außerdem sucht er wieder nach einem Azubi.
Gesetzänderung soll Hürden abbauen
Ein neugestaltetes Gesetz soll jetzt Hürden abbauen. Der Bundesrat hat den Änderungen der Schornsteinfeger zugestimmt. Damit könnten auch innerhalb des Betriebs Meistergesellen Aufgaben der Chefs erledigen, wenn der zum Beispiel erkrankt oder im Urlaub ist. Außerdem helfe es, dass nicht immer der gleiche Mitarbeiter auf die Arbeit direkt bei den Kunden verzichten muss.
"Darum haben wir gekämpft, damit es mehr Flexibilität reinbringt", und dass den Facharbeitern die "Angst vor der Verantwortung" etwas genommen wird, sagt auch Marco Beierlein. Das könne den Meisterbrief und die damit verbundenen Aufgaben wieder attraktiver machen. Die jungen Handwerker gebe es, aber zu wenig, die ganz hoch hinauswollen.
MDR (lou)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 15. März 2025 | 18:22 Uhr
Ralf G vor 3 Minuten
EB - Nichts gegen den Schornsteinfeger und die Pflicht zur Kontrolle.
Aber leben wir nicht in einer Marktwirtschaft, In der der Staat nicht von der Person des Schornsteinfegers bis zur Festsetzung der Preise alles regeln muss?
Wettbewerb kann Kosten senken.
ElBuffo vor 1 Stunde
Ach lohnt sich schon, wenn die Feuerwehr nicht zig mal öfter ausdrücken muss. VIelleicht hat auch der eine oder andere Nachbar das Glück von einem nicht auf sein Häuschen übergreifenden Feuer heimgesucht zu werden. Davor ist er nämlich selbst dann nicht gefeit, wenn er alles schon von Geburt an alles besser kann und weiß.
aufdemberg vor 1 Stunde
Der Staat, hatte dies 1935, so als Gesetz erlassen.
Wenn das Sie so stört, dann gedanklich da anfangen.
Der Schornsteinfeger hatte und hat sein Grund. Stichworte, Schlotbrand und Stadtbrände könnte man googeln.
Auch heute sind solche Brände nicht wenig.
Kaufen Sie sich eine Wärmepumpe und sie sehen den schwarzen Mann nie wieder.