"Jugend, Gott und FDJ" Ausstellung in Eisenach: Wie die DDR gegen Kirche und Religion kämpfte
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01. Februar 2025, 03:00 Uhr
Das Lutherhaus Eisenach widmet sich mit der Ausstellung "Jugend, Gott und FDJ" dem Kampf gegen Kirchen in der frühen DDR. Im Fokus stehen dabei staatliche Versuche, junge Christinnen und Christen für sich zu gewinnen – ob mit Repressionen oder sozialistischen Ritualen wie der Jugendweihe. Die Ausstellung liefert damit auch eine mögliche Erklärung, warum gläubige Menschen im Osten Deutschlands bis heute eine Minderheit sind.
- Die DDR bekämpfte die Kirche von Anfang an, sagt Jochen Birkenmeier vom Lutherhaus Eisenach.
- So wollten Staat und Partei die Religion zurückdrängen, auch um die Jugend für sich zu gewinnen.
- Das Ministerium für Staatssicherheit war in die Repressionen gegen Kirchenvertreter eingebunden.
In rot und weiß leuchtet der kleine Ausstellungsraum. An den Wänden sind großformatige Grafiken, Fotos und Schriftzüge zu sehen: Die Jugendweihe – ein Bekenntnis zur großen Sache des Sozialismus. Auf einer Karikatur vertreibt die Kulturrevolution die Religionen. Ein Foto zeigt einen FDJ-Aufmarsch in Uniformen unterm Fahnenmeer.
In der neuen Sonderausstellung im Lutherhaus Eisenach geht es um das schwierige Verhältnis der evangelischen Kirche zur noch jungen DDR, das Leiter Jochen Birkenmeier so beschreibt: "Der Staat war offen und kämpferisch-atheistisch und versuchte noch im Stalinschen Geist, die Kirchen absterben zu lassen und die Religion abzuschaffen."
SED und Kirche: Konkurrenz um die Jugend
Die Kirche war die einzige Organisation, die in der frühen DDR noch über eigene Strukturen und Räume verfügte. Und bald sei klar gewesen, sagt Kurator Michael Weise, worum diese Konkurrenz ausgetragen worden sei: "Ein zentraler Punkt für die SED war der Kampf um die Jugend: Wenn man die Jugend gewinnt, gewinnt man künftig auch das gesamte Volk, das war die Ansicht."
Die DDR versuchte, noch im Stalinschen Geist, die Religion abzuschaffen.
So habe man versucht, die FDJ zur einzig zugelassenen staatlichen Jugendorganisation aufzubauen, "in der eigentlich alle Jugendlichen Mitglied sein sollten". Gleichzeitig habe die Parteiführung erkannt, "dass in den 1950er-Jahren viele junge Menschen zur Jungen Gemeinde gegangen sind, weil das Angebot vielfach auch attraktiver war als bei der FDJ."
Kampf gegen die Religion in der DDR
Der Staat reagierte mit Repressionen gegenüber der Jungen Gemeinde – davon berichten in der Ausstellung an Medienstationen Zeitzeugen wie Christa Kunze. "Ich erlebte dann auch diesen Druck, nicht zu wissen: 'Gehst Du heute den letzten Tag zur Schule oder wirst Du der Schule verwiesen'", erzählt die Eisenacherin im Video-Interview. Mitschüler seien verhört, ihre Namen öffentlich ausgehängt worden.
Doch gewonnen wurde der Kampf um die Jugend erst durch subtilere Mittel, wie Kurator Michael Weise weiter ausführt, etwa indem die Jugendweihe eingeführt und mit viel Geld unterstützt wurde: "Die Landeskirchen haben damals eine sehr harte Haltung vertreten und gesagt: 'Entweder Konfirmation beziehungsweise Firmung in der katholischen Kirche oder Jugendweihe.'"
Damit hätten die Landeskirchen die Standfestigkeit ihrer Mitglieder massiv überschätzt, schätzt Weise ein, denn viele Jugendliche hätten sich für die Jugendweihe entschieden. Als das "Entweder-Oder" gelockert wurde, hatte sich die Jugendweihe bereits durchgesetzt.
NS-Vergangenheit machte Kirchenleute angreifbar
Die Kirchen waren in der Nachkriegszeit auch deshalb angreifbar, weil viele ihrer Mitglieder zuvor verstrickt waren in den Nationalsozialismus und somit erpressbar, wie Lutherhaus-Leiter Birkenmeier weiter erklärt. "Gerade in der frühen Phase, in der stalinistischen Zeit, ging es außerdem sehr schnell, dass jemand im Gefängnis verschwand oder nach Sibirien deportiert werden konnte", so Birkenmeier, "insofern gab es da schon ausreichende Druckmittel, um eine Zusammenarbeit oder Wohlverhalten zu erzeugen."
Die Staatssicherheit nutzte dies für ihre Zwecke und das funktionierte bis in die Kirchenleitungen, wie eine handgezeichnete Skizze verdeutlicht, die Michael Weise in der Stasi-Akte von Gerhard Lotz, Stellvertreter des Bischofs in weltlichen Dingen und oberster Jurist der Thüringer Landeskirche, gefunden hat. "Es waren unter anderem Pläne vom Landeskirchenamt, die er selber angefertigt hat, um den Stasi-Mitarbeitern genau zu zeigen, wie das Bischofsbüro aufgebaut ist, wo die Aktenschränke sind, wo vertrauliches Material lagert." Er habe auch Schlüssel mitgeliefert, so dass die Stasi-Mitarbeiter sich Zugang verschaffen konnten."
Kooperation mit dem sozialistischen Staat
Die Thüringer Landeskirche, die schon im Nationalsozialismus besonders staatsnah war, schlug auch in der DDR diesen Kurs ein – den sogenannten Thüringer Weg, von dem man sich mehr Spielraum erhoffte, sagt Jochen Birkenmeier. "Man hat mehr machen können, aber gleichzeitig hat man den Staatskurs aktiv gestützt und damit das Regime stabilisiert. Insofern ist das eine sehr gemischte Bilanz und bis heute ist nicht so ganz klar, ob das eine kluge Entscheidung war", resümiert Birkenmeier.
Der Kampf gegen die Kirchen – das räumen die Ausstellungsmacher ein – gehört zu den wenigen Erfolgen des SED-Staates. Christen sind in Ostdeutschland bis heute in der Minderheit. Die Ausstellung gibt einen schnellen Überblick, wie es dazu kam, mit der Möglichkeit, Informationen an Medienstationen ausgiebig zu vertiefen.
Mehr Informationen zur Ausstellung:
Sonderausstellung "Jugend, Gott und FDJ. Der Kampf gegen die Kirchen in der frühen DDR"
1. Februar bis 23. Dezember 2025
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag | 10-17 Uhr
Montag | geschlossen
Adresse
Lutherhaus Eisenach
Lutherpatz. 8
99817 Eisenach
Redaktionelle Bearbeitung: tis, ks
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 02. Februar 2025 | 09:15 Uhr