Bosnien-HerzegowinaWo Kati Witt ihr ersten Olympiagold gewann: Bosniens Wintersportzentren liegen im Trend
1984 war die Welt in Sarajevo zu Gast – bei den Olympischen Winterspielen, bei denen die ostdeutsche Eiskunstläuferin Kati Witt ihr erstes Olympia-Gold errang. Heute mausert sich die Stadt zu einer beliebten Wintersport-Destination. Die Skigebiete direkt vor ihren Toren, die einst als Wettkampfstätte für Athleten aus aller Welt dienten, ziehen von Jahr zu Jahr immer mehr Besucher an. Bei MDR-Ostbloggerin Mirella Sidro weckt das Jugenderinnerungen.
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Sarajevo lockt nicht nur mit seiner pittoresken Altstadt. Die Stadt ist auch für die nahegelegenen Gebirgszüge mit ihren Skigebieten bekannt. So kann man sich tagsüber dem Wintersport hingeben und den Abend auf dem 500 Jahre alten osmanischen Basar der Stadt bei lecker duftenden gegrillten Čevape ausklingen lassen. 2025 wurde Sarajevo von den Lesern des Magazins "National Geographic" obendrein zum besten Reiseziel der Welt gekürt.
Sarajevo 1984: Olympia-Gold für Kati Witt
Die Skigebiete, die seit einigen Jahren immer mehr Besucher anziehen, liegen nur 25 bis 30 Kilometer von Sarajevos Innenstadt entfernt – oder etwa 20 Autominuten vom Flughafen. Kein Wunder, dass hier 1984 die Olympischen Winterspiele stattfanden. Katharina "Kati" Witt tanzte sich hier als 18-Jährige mit ihrer Eiskür auch in die Herzen der Jugoslawen und brachte Gold mit nach Hause. Im vergangenen Jahr besuchte sie auf Einladung der damaligen Bürgermeisterin Benjamina Karić erneut Sarajevo, um das 40-jährige Jubiläum der Winterspiele zu feiern.
Beim Spaziergang durch die Stadt wurde klar, dass die Menschen sie nicht vergessen haben. Ob jung oder alt, viele Einheimische erkannten sie und wollten ein Selfie mit ihr. "Ich konnte mit meinem Sport einen Fußabdruck hinterlassen, und das ist ein tolles Gefühl", sagte Witt im Gespräch mit der Deutschen Welle. Es war ihr zweiter Besuch in der Stadt, denn zehn Jahre zuvor, 30 Jahre nach ihrem Olympiasieg, drehte sie dort mit einem ARD-Team eine Dokumentation über ihr Leben.
Ich selbst bin in Augsburg, in der Nähe der bayerischen Alpen aufgewachsen und war von Kindheit an eine begeisterte Skifahrerin. Ich besuchte viele große und bekannte Skigebiete im deutschsprachigen Raum. Sarajevo und seine Wintersportorte waren mir damals zu "klein". Doch als ich zum ersten Mal den Berg Bjelašnica auf Brettern erkundete, war es um mich geschehen. Ich wurde in meine Kindheit zurückversetzt. Als Kind jugoslawischer Gastarbeiter hatte ich mit meinen Eltern und meiner Schwester gebannt vor dem Fernseher die Winterspiele verfolgt.
Wir waren begeistert, dass die ganze Welt in der Heimatstadt meines Vaters zu Gast war, und haben mitgefiebert, ob der Schnee kommen wird, der bis kurz vor der Eröffnung der Winterfestspiele auf sich warten ließ. Wie sehr freuten wir uns, auf der Leinwand die Bilder der Landschaft zu sehen, in die mich meine Eltern in den Ferien regelmäßig mitnahmen. Das Maskottchen Vučko, der kleine singende Wolf, gefiel mir als Knirps am besten. Und natürlich wollte ich Pirouetten drehen können wie Kati Witt! Diese nostalgischen Gefühle bei meiner ersten Abfahrt auf dem Bjelašnica-Berg werde ich nie vergessen – ich fuhr dort Ski, wo 1984 viele bekannte Athleten um die Medaillen kämpften!
Skigebiete bei Sarajevo immer beliebter
Auch Adnan Jašarević aus Sarajevo ist ein begeisterter Wintersportler. Seine Kindheit verbrachte er auf den Pisten von Bjelašnica, wo er sich selbst das Skifahren beibrachte. "Meine Liebe zum Skifahren kann man nicht in Worte fassen", sagt er. Seit 2013 ist der studierte Sportlehrer als Skilehrer aktiv und erlebt den Boom der bosnischen Skigebiete hautnah mit, der mit der Corona-Pandemie begann.
Als europaweit fast alle Skipisten geschlossen oder nur unter strengen Auflagen geöffnet waren, blieben die Ressorts in Bosnien geöffnet. So begannen Wintersportfans aus vielen Nationen Europas in die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas zu pilgern. Seitdem kommen jedes Jahr immer mehr Gäste: "Viele buchen schon Monate im Voraus. Die Besucherzahlen sind um bis zu 70 Prozent gestiegen", erklärt Jašarević. Vor allem diese Saison sei für ihn stressig: "Ich komme vor lauter Arbeit kaum von der Piste runter", lacht der Skilehrer.
Auch das noblere Skigebiet Jahorina, das es mit Orten wie Sölden oder Ischgl aufnehmen könnte, erlebt seit Jahren einen Aufschwung. Die Besucherzahlen haben sich mehr als verdoppelt, die Einnahmen aus dem Tourismus verdreifacht. "Jahorina ist nicht nur ein sportlicher, sondern auch ein wirtschaftlicher Motor für die Region", sagt Milena Čeremidžić, Sprecherin des Olympischen Zentrums. Es wurde viel investiert: in schicke Gondelbahnen, moderne Lifte, neue Hotels und eine hochmoderne Beschneiungsanlage.
Im Vergleich zu 2016, als das Olympiazentrum Jahorina mit 48 Aushilfskräften und drei Festangestellten betrieben wurde, ist die Zahl der Beschäftigten heute auf 120 Festangestellte und 150 Aushilfskräfte gestiegen. Das hat aber auch seinen Preis. Bis zu 44 Euro muss man als Erwachsener für eine Tageskarte hinblättern. Im Vergleich zu anderen Skigebieten in der EU oder der Schweiz ist das zwar immer noch verhältnismäßig günstig, aber in Bosnien-Herzegowina gilt es als teures Vergnügen. Trotz der hohen Preise wurden seit der Eröffnung 1.550.000 Pistenkilometer von rund 195.000 Skifahrern und Snowboardern aus aller Welt befahren.
Bjelašnica – auch für Profis geeignet
Mein Lieblingsberg Bjelašnica hat weniger Pisten und Lifte zu bieten als Jahorina. Auch eine schicke Gondelbahn wird man hier nicht finden. Nur 14 Pistenkilometer stehen den Gästen zur Verfügung. Trotzdem fand in Bjelašnica auch in diesem Jahr der Europacup der Herren statt. Grund dafür sind die anspruchsvollen Pisten auf dem 2.067 Meter hohen Berg, die den Anforderungen der Profis entsprechen.
Auch Skilehrer Jašarević fühlt sich von diesem Berg nach wie vor herausgefordert: "Ich versuche ständig, meine Technik zu verbessern, meine Haltung zu optimieren, um die Herausforderungen zu meistern, die er mir bei jeder Abfahrt stellt."
Lea Kalender, Pressesprecherin des Skigebiets, erklärt das Phänomen Bjelašnica: "Wir versuchen, den olympischen Geist der Winterspiele von 1984 lebendig zu halten. Außerdem wurde die Infrastruktur in den letzten Jahren stark modernisiert." Gleichzeitig kann Bjelašnica trotz der vielen Investitionen die Kosten im Vergleich zu anderen Gebieten niedrig halten. "In diesem Jahr kostet die Tageskarte für Erwachsene 25 Euro", erzählt die Pressesprecherin. Offizielle Besucherzahlen gibt es für Bjelašnica nicht.
Leidet die Umwelt unter Massentourismus?
Doch auch wenn die Skigebiete rund um Sarajevo viel Geld ins Land spülen, einen Schönheitsfehler haben sie dennoch: Einige hässliche, zum Teil illegal errichtete Betonbauten schmiegen sich um die Liftanlagen und zerstören teilweise den Eindruck. Auf Bjelašnica kommt hinzu, dass die Abwässer der Appartementbesitzer das Quellwasser der Stadt Sarajevo verschmutzen. NGOs schlagen Alarm, es gab auch erste Verhaftungen.
Die meisten Besucher bekommen davon nichts mit. Für sie stehen die günstigen Preise und die authentische Gastfreundschaft der Einheimischen im Vordergrund. Und so zieht Sarajevo als Winterdestination immer mehr Besucher an. Die meisten wollen auch wiederkommen. So wie Kati Witt.
MDR (baz)
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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Heute im Osten | 22. März 2025 | 07:22 Uhr