EntwicklungshilfeMuseen, Hilfsprojekte, Energiewende: USAID-Stopp bedroht Kosovos Zukunft
Seit der Unabhängigkeit Kosovos hat USAID dem kleinen Land geholfen, ein funktionierender Staat zu werden. Obwohl die Kosovaren große Fans der USA sind, blieb ihr Land nicht von der allgemeinen Entscheidung verschont, diese Hilfen abrupt einzustellen. Die Auswirkungen sind radikal, weil Kosovo besonders viel Geld aus den Fördertöpfen von USAID bekam.
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Der 7. Februar 2025, ein Freitag, markiert eine Zäsur in der amerikanischen Außenpolitik. Mit Ablauf dieses Tages wurden bei der amerikanischen Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID die Gelder eingefroren und die Mitarbeiter in Zwangsurlaub geschickt – weltweit, auch im Kosovo. Dabei geht es bei den für dieses Jahr gebilligten Projekten im Kosovo keineswegs um Peanuts. Die Summe aller USAID-Förderbescheide belief sich auf 130 Mio. Euro – mehr als der gesamte Verteidigungshaushalt des kleinen Balkanlandes, der bei 110 Mio. Euro liegt.
USAID: Finanzierungsstopp über Nacht
Die Umsetzung dieses Beschlusses war keineswegs so sorgfältig, wie es der Umfang des Budgets nahelegen würde. Vielmehr wurden örtliche USAID-Mitarbeiter von der Entscheidung überrascht. Ihre Diensttelefone wurden abgeschaltet, die Hausausweise funktionierten nicht mehr, sie konnten nicht an ihren Arbeitsplatz gelangen. Mittlerweile beschäftigt diese Vorgehensweise die Gerichte in den USA.
Für das Kosovo ist die Streichung der US-Hilfen ein empfindlicher Verlust. 2008 erklärte die ehemalige serbische Provinz ihre Unabhängigkeit und musste alle staatlichen Funktionen selbst übernehmen. USAID arbeitete von Anfang an mit der kosovarischen Regierung zusammen, um dem jungen Land auf die Beine zu helfen. Die Organisation förderte Projekte, die das Land in allen wichtigen Bereichen wie Justiz, Wirtschaft, Energetik, Gesundheitswesen, Kultur und Zivilgesellschaft voranbringen sollten.
Fünf Jahre Museumsarbeit vor dem Aus
Was der Finanzierungsstopp konkret bedeutet, sieht man u.a. am Beispiel eines Museums, das die Erlebnisse von Kindern während des kosovarischen Unabhängigkeitskrieges thematisiert. Fünf Jahre dauerten die Vorbereitungen für dessen Eröffnung am 22. Januar. "In den letzten fünf Jahren sind wir durch ganz Kosovo gereist und haben Menschen interviewt, insbesondere aus ländlichen Gebieten, die zuvor keine Möglichkeit hatten, über ihre Erlebnisse zu sprechen", erzählt Museumsdirektorin Bjeshkë Guri. Anschließend spendeten diese Personen oft Gegenstände wie Spielzeug, Fotos und Videos aus der Kriegszeit, die sie bis heute aufbewahrt hatten. "Alles, was hier zu sehen ist, gehört diesen Menschen", so Guri.
Dabei ging es den Ausstellungsmachern nicht um die Darstellung der sattsam bekannten Abfolge der Ereignisse während des Unabhängigkeitskrieges, sondern um die persönlichen Erlebnisse, wie Guri erklärt. "Unser Ziel ist es nicht nur, den Besuchern Wissen über die Geschichte zu vermitteln, sondern sie diese auch fühlen zu lassen", erklärt sie den Ansatz.
Ihr Museumsprojekt wurde komplett durch USAID unterstützt. Die Zukunftsaussichten sind nun entsprechend düster: "Wir kämpfen mit Haut und Haar, um andere Finanzierungsmöglichkeiten zu finden", sagt Guri. "Es ist eine dramatische Situation für uns, weil wir an die Vision und die Mission dieses Museums glauben. Es soll nämlich eine Botschaft vermitteln: dass Frieden bewahrt werden muss und dass wir alle daran mitwirken müssen, ihn zu schützen."
Menschen mit Behinderung ohne Stimme
Ein weiterer großer Bereich, den die USAID in Kosovo gefördert hat, war die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Die Arbeit des Forums für Behinderte in Kosovo wurde durch den Finanzierungsstopp lahmgelegt, wie sein Direktor Bujar Kadriu berichtet. Für ihn war es "ein Schock, zu erfahren, dass die Finanzierung innerhalb von nur 24 Stunden ohne angemessene Vorwarnung oder Vorbereitung auf alternative Finanzierungsquellen eingestellt werden kann." 25 Jahre Zusammenarbeit und Vertrauen seien mit einem Federstrich beendet worden.
Das Forum, das sich als Interessenvertretung von Menschen mit Behinderung versteht und für eine gleichberechtigte Teilhabe an Bildung, Arbeit und sozialem Leben einfordert, musste die Hälfte des Personals entlassen. Alle laufenden Projekte wurden eingestellt. "Dies hat irreparable Folgen", so Kadriu. "Wir versuchen, andere Geldgeber zu finden, aber das ist jetzt schwierig."
Vergewaltigungsopfer ohne Hilfe
Der Finanzierungsstopp seitens USAID betrifft auch die Opfer der sexuellen Gewalt während des Kosovo-Krieges. Es ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Landes, über das nicht gerne gesprochen wird – umso wichtiger war es für Betroffene, Hilfe zu bekommen.
Zwanzig Tausend Opfer sexueller Gewalt gab es im Zuge des Befreiungskrieges, ermittelte die UN, aber nur zweitausend Opfer haben sich bislang getraut, sich beim kosovarischen Zentrum für Rehabilitierung zu melden. Zu groß ist die Scham, gepaart mit der Angst, ihr Schicksal könnte publik werden, wodurch ihre Ehre leiden würde. Die traditionellen gesellschaftlichen Strukturen Kosovos verhindern, dass sich die Opfer outen, um professionelle Hilfe zu bekommen, und auch die monatliche finanzielle Entschädigung bewegt die Opfer nicht wirklich zum Outing.
"Es trifft uns sehr", sagt Emine (Name von der Redaktion geändert), die dank USAID Hilfe erfuhr. "Wenn das Budget gestrichen wird, wenn der Kontakt zu den Psychologen aufhört, wenn die medizinische Behandlung aufhört, dann werden wir psychisch, physisch und materiell um Jahre zurückfallen", so Emine.
Ebenso geht es Dafina (Name geändert): "Ich hoffe sehr, dass es weitergeht. Wir haben jetzt angefangen, unser Leben mit der Unterstützung dieser Menschen zu gestalten. Das wird nun unterbrochen – wie ein Baum, der gerade wächst und mitten im Wachstum gestoppt wird."
Wie die Kosovarische Stiftung für Zivilgesellschaft errechnet hat, sollten von den 130 Mio. Euro, die das Land zugesichert bekam, rund 26 Mio. an zivilgesellschaftliche Organisationen in Kosovo gehen. Größte vergebene Einzelförderung: 5,86 Mio. Euro, kleinste: 6.015 Euro, durchschnittlicher Vertragswert: 112.465 Euro. Vom Rest des Budgets profitierten Projekte in staatlicher Regie.
Regierung beschwört "starke Beziehung" mit USA
Die offizielle Stellungnahme der kosovarischen Regierung fällt ziemlich schmallippig aus. Regierungssprecher Perparim Kryeziu zeigt sich dankbar: "Die Unterstützung der USAID für Kosovo war von großer Bedeutung – von der Wiederaufbauhilfe nach dem Krieg über Demokratisierung und Stärkung der Regierungsinstitutionen bis hin zur Rechtsstaatlichkeit und Justiz." Er reagiert aber auf die neue Lage: "Natürlich gibt es in den USA nun eine neue Regierung mit anderen politischen Prioritäten, insbesondere in Bezug auf die Verwendung von Steuergeldern. Dennoch ändert dies nichts an der starken Beziehung zwischen unseren beiden Ländern, die auf tiefen, soliden Verbindungen zwischen unseren Völkern basiert."
Hinter diesen diplomatischen Worten verbirgt sich aber wohl eine riesige Enttäuschung. Verschiedene dringende Projekte brauchen jetzt einen neuen Investor oder stehen vor dem Aus. Das betrifft u.a. den Energiewandel, der mit dem Bau von Solarenergieanlagen und einem Windpark vorangetrieben werden sollte. USAID hatte dieses Jahr 13 Mio. Euro dafür vorgesehen. Bei all diesen und noch unzähligen weiteren Projekten bleibt momentan nur das Prinzip Hoffnung.
MDR (baz)
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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Heute im Osten – Nachrichten aus Osteuropa | 01. März 2025 | 11:28 Uhr