JubiläumsjahrCaspar David Friedrich: Transzendenz und Naturfrömmigkeit - Über das Religiöse seiner Bilder
Im Caspar-David-Friedrich-Jahr 2024 jetzt das große Finale: nach Ausstellungen im Hamburg und Berlin widmen ihm nun auch die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eine Ausstellung. Ab dem 24. August sind im Albertinum und im Kupferstich-Kabinett Werke des Künstlers der Romantik zu sehen, der es auf ganz besondere Weise vermochte, religiösen Gefühlen Ausdruck zu geben.
Es ist das geheimnisvolle Licht der Bilder, das viele Betrachter in seinen Bann zieht. Ein Licht, leuchtend und transparent, das nicht ganz von dieser Welt scheint. Ein Licht, bei dem etwas Anderes durchschimmert. Caspar David Friedrich sei ein "Maler der Transzendenz", findet Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland.
"Der Theologe Ernst Troeltsch hat mal den schönen Satz gesagt: 'Das Jenseits ist die Kraft des Diesseits.' In dem Sinne ist Caspar David Friedrich ein Jenseits- oder Transzendenzmaler. Nicht indem er eine von der Welt abgehobene Anderwelt zeigt. Sondern diese Welt, so wie sie jetzt ist, bildlich so darstellt, dass etwas ganz Anderes in ihr sichtbar wird", so Clausen.
Friedrich stammte aus einfachen Verhältnissen
Caspar David Friedrich, geboren vor 250 Jahren, wächst neben dem Greifswalder Dom auf, den sein Vater, ein Seifensieder und Kerzenzieher, beliefert. Über seinen Zeichenlehrer kommt der angehende Künstler mit Ludwig Kosegarten in Kontakt, Inselpastor auf Rügen. Dessen Gedanken werden ihn später als Landschaftsmaler prägen:
"Kosegarten war berühmt für seine Strand- und Uferpredigten. Das war jetzt nicht nur einfach so eine Maßnahme, um die Leute zu locken. Sondern das verband sich mit einer neuen Form von Schöpfungsfrömmigkeit oder Naturfrömmigkeit. Das ist ein neues Phänomen, das natürlich auch für die Modernität von Caspar David Friedrich steht, die Welt, wie sie ist, als Schöpfung, als Natur, als Landschaft als einen Ort wahrzunehmen, in dem Gott sich offenbart“, erklärt Hinrich Clausen.
Doch es gibt auch frühe, schmerzliche Erfahrungen. Caspar Davids jüngerer Bruder ertrinkt bei dem Versuch, ihn, den Dreizehnjährigen, aus eiskaltem Wasser zu retten. Immer wieder tauchen später auf den Bildern des Malers Kreuze auf. Auch das erste Ölgemälde, das in Friedrichs Dresdner Atelier entsteht, zeigt ein Gipfelkreuz vor Abendhimmel und dunklen Tannen – den "Tetschener Altar". Für die damalige Kunstwelt: ein Skandal.
Das Kreuz, das Hauptsymbol des christlichen Andachtsbildes wird jetzt nicht mit der biblischen Geschichte dargestellt, sondern als Teil von Landschaft. Und da stellte sich die Frage konservativer Kunstbetrachter, wie das sein kann, dass plötzlich das Andachtsbild von der Landschaft beherrscht wird.
Johann Hinrich Claussen
Auch aus religiöser Sicht ist das Bild brisant: der Christus am Kreuz ist ein kalter, metallisch schimmernder Korpus – der sich vom Betrachter abwendet. Man könne darin auch eine symbolische Darstellung von absoluter Verlorenheit und Gottesferne sehen, so Clausen.
Maler der Schwermut und Einsamkeit
Wie kaum ein anderer bringt Caspar David Friedrich auch die dunklen religiösen Gefühle ins Bild: Wehmut, Einsamkeit, ja Todesnähe. Dagegen stellt er andere Motive: Einzelne oder Paare in stiller Betrachtung des Mondes, der Abenddämmerung. Und eben jene "beglückenden" Bilder der Landschaft, wie sie der Theologe Claussen nennt.
Wie sie dargestellt ist. Also mit diesem weiten Horizont, wo die Ebenen verschwimmen, mit diesen ganz feinen, virtuosen Farbflächen, wo das eine ins andere übergeht und dann weit ins Offene führt.
Johann Hinrich Claussen
Es sind Bilder, die darauf verweisen, dass da mehr sein könnte - jenseits des unmittelbar Erfahrbaren.
"Und diese Faszination von Caspar David Friedrich, der ja in seiner ganzen Art eben nicht in unsere Welt gehört, nicht in unsere Zeit passt, hängt vielleicht damit zusammen, dass da wirklich ein Drängen, ein Sehnen nach etwas, das wir vielleicht vermissen. Zugleich findet sich aber auch unsere eigene Religionsferne wieder“, meint der Kulturbeauftragte der EKD.
Es ist eine höchst aktuelle Ambivalenz der Gefühle, die Caspar David Friedrich da vorweggenommen hat – vor mehr als 200 Jahren.
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Zauber der Stille
Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeit
S.Fischer, 2023
ISBN-10 : 3103972520
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | Caspar David Friedrich oder die Erfindung der Sehnsucht | 18. August 2024 | 09:15 Uhr